William Butler Yeats gilt als einer der wichtigsten irischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. 1923 wurde er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, seine in englischer Sprache verfassten Werke gelten bis heute als eine wichtige Schullektüre.
Dabei prägten sein irischer Nationalismus und sein Einsatz für die gälische Kultur und Sprache schon früh sein Schaffenswerk; seine Begeisterung für lokale Mythen, Feen- und Geistergeschichten, die er sammelte und somit eine teilweise jahrhundertealte mündliche Überlieferung schriftlich festhielt, lässt sich mit jener der Gebrüder Grimm vergleichen. Allerdings war Yeats nicht nur der Spätromantik verhaftet, sondern wurde auch durch die Avantgarde und den Futurismus beeinflusst, was gerade auch in seinen hier vorliegenden Elfen- und Geistergeschichten zu spüren ist.
Ein zauberhafter Reigen versammelt sich hier auf 180 Seiten. Junge Mädchen verschwinden im Wald und werden von den Sidhe, den irischen Elfen, zurückgebracht. Gespenster hausen in seltsamen Dörfern an der Küste, feenhafte Damen hausen in den Hügeln der geheimnisvollen irischen Landschaft, und eine junge Frau von überirdischer Schönheit und einer Haut "wie tropfender Schnee" verdreht allen Männern den Kopf. Yeats hat all diese Geschichten gesammelt, und meist erzählt er auch von den Menschen, die sie ihm erzählt haben: seltsame Außenseiter, die lieber mit den Sidhe als mit anderen Menschen verkehren, Barden und Bettler, weise Frauen und Narren. Dabei ist in den kurzen Erzählungen auch das Aufeinanderprallen von Tradition und Moderne zu spüren; Yeats schildert kein märchenhaft-verlorenes Irland einer in sich erstarrten Vergangenheit, sondern ein Land, das auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert steht und von Hungersnöten, Kriegen und britischer Fremdherrschaft geprägt ist.
Yeats Geschichten liegen dabei in einer recht neuen Übersetzung von Alexander Pechmann vor. Diese ist routiniert, vermag aber den Zauber von Yeats Sprache nicht einzufangen, ja, wirkt an einigen Stellen sogar fast leblos. Wer also des Englischen mächtig ist, sollte die Geschichten unbedingt im Original lesen. Alle anderen können bei der sehr schönen Ausgabe aus dem Verlag Jung und Jung wenig falsch machen und sich von Yeats Elfen- und Geistergeschichten verzaubern lassen.