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Die Geschichte des Mittelalters ist vor allem eine Geschichte der Kriege, denn Krieg galt im Mittelalter als eine übliche und anerkannte Spielart der Politik. Er gehörte so eindeutig zum Leben, dass dem Verfasser der fränkischen Reichsannalen folgender Eintrag zum Jahr 792 wichtig erschien: "In diesem Jahr wurde kein Heereszug unternommen."
Dieses Buch befasst sich mit einigen wesentlichen, von Historikern jedoch wenig beachteten Fragen: Was aber verstand man im Mittelalter unter einem Krieg, wer nahm daran in welcher Funktion teil, welche Waffen und Schutzausrüstungen setzte man ein, wie gestaltete sich die Logistik, und welche mittelbaren und unmittelbaren Folgen hatte ein Krieg?
Wie der Autor kompetent darlegt, kann man die Originalquellen nur im Sinne einer sehr kritischen Betrachtung nutzen, denn sie dienten in erster Linie der Verherrlichung des jeweiligen Herrschers, sodass selbst Niederlagen beschönigt und verfälscht wurden.
Zudem ist zwischen den einzelnen Epochen des Mittelalters zu unterscheiden. Im Karolingerreich waren Bewaffnung und Rüstung viel schlichter als im Hochmittelalter mit seinen gepanzerten Rittern und im Spätmittelalter, in dem die schwere Kavallerie aufkam und der Adel eine neue Rolle einnahm: vom Panzerreiter zum Offizier. Der Autor erläutert detailliert die Zusammenhänge zwischen den Entwicklungen in unterschiedlichsten Bereichen: Mit den Waffen änderten sich die Festungsanlagen und wurden kostspieliger und aufwändiger, und anstelle der zum Kriegsdienst unter ihren Lehnsherren verpflichteten Vasallen zogen gegen Ende des Mittelalters immer mehr Söldner in den Krieg.
Die Kriegsziele unterlagen ebenfalls einem Wandel: Ging es unter Karl dem Großen und auch später noch um den "gerechten" Krieg der Christen gegen die Heiden, so gewannen schließlich Konflikte die Oberhand, bei denen auf eher lokaler Ebene um verschiedene Formen der Macht oder ausschließlich um Beute gekämpft wurde. Erlangung und Verteidigung von Ruhm und Ehre kam im gesamten Mittelalter eine große Bedeutung zu, doch auch die Definition dieser Begriffe machte eine Entwicklung durch. All diese Elemente des Kriegs wurden zudem durch das Ausmaß der Auseinandersetzungen geprägt: Ging es anfangs noch um das gesamte Reich, so waren, wie erwähnt, lange Zeit nur einzelne Territorien betroffen, bis Hussiten, Türken und Burgunder wiederum das ganze Reich vor neue Herausforderungen stellten.
Dem Autor dieses Buchs ist es gelungen, die sehr schwierige Quelleninterpretation mit nachprüfbaren Fakten, zu denen gut datierbare archäologische Funde gehören, abzugleichen, die Resultate auf Plausibilität zu überprüfen und seine Ergebnisse in interessanter Gestaltung zu präsentieren. Das Buch kann mit einer sehr systematischen Gliederung aufwarten, und zwar nach Epochen, denen die einzelnen Elemente mittelalterlicher Kriegsführung untergeordnet sind.
Besonders ist dabei hervorzuheben, dass Malte Prietzel wirklich alle Aspekte des Kriegs darzustellen vermag, unter anderem auch längerfristige Auswirkungen wie den Bankrott mancher Städte, darunter Göttingen, die sich von ihren adligen Landesherren abgrenzen wollten. Es gelingt dem Autor zudem, einige selbst in Fachkreisen gehegte Vorurteile gegenüber der mittelalterlichen Kriegsführung, die im 19. Jahrhundert aufkamen, zu entkräften - ein mittelalterlicher Heereszug war beispielsweise kein stümperhaftes Unternehmen, sondern er wurde schon aufgrund der horrenden Kosten für den einzelnen Teilnehmer sehr genau geplant. Die Verpflichtung zum Vasallendienst allein konnte da kaum locken: Den größten Anreiz zum Kriegsdienst bildete bis zum Aufkommen der Söldnerheere die zu erwartende Beute.
Interessant zu verfolgen ist natürlich auch die Ausstattung der Krieger beziehungsweise Ritter über die Jahrhunderte hinweg - oder auch nur im Verlauf des Hundertjährigen Krieges - und die Ausschmückungen, die Nacherzählungen mancher Schlacht in verschiedenen Epochen und vonseiten der Vertreter der beiden Kriegsparteien erfuhren, damit sie dem jeweiligen Zeitgeist entsprachen; so ähnelt das berühmte Rolandslied kaum noch der karolingischen Vorlage.
Zahlreiche Fotos von Burgen und anderen Festungsanlagen, von erhaltenen Waffen und Rüstungen sowie Abbildungen zeitgenössischer Stiche und Bilder illustrieren den Text auf sehr anschauliche Weise.
Das Buch überzeugt somit nicht nur durch die vielseitige, bestens nachvollziehbare Darstellung des Themas, sondern auch durch seine Aufmachung. Zudem dürfte es kaum ein so gründlich recherchiertes Werk über mittelalterliche Kriegsführung, ihre Motivation und ihre Auswirkungen geben.