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Die neunjährige Darlene betrachtet ihren Adventskalender. Er ist so ganz anders als all die anderen, die sie schon hatte oder im Geschäft gesehen hat. Doch dieser Kalender ist aus Amerika. Uralt, hölzern und ein wenig abgegriffen sieht er auf den ersten Blick alles andere als interessant aus. Zwar ist das Schokoladenbonbon, das hinter der Eins liegt, lecker, doch sonst scheint der Kalender nichts zu bieten. Doch kaum hat Darlene sich einmal umgedreht und einen zweiten Blick auf ihn geworfen, sieht sie ein kleines Bild in dem Fach. Ein Kind lächelt ihr zu und scheint irgendwie lebendig zu sein.
Doch die wahre Sensation erwartet sie von diesem Tag an an jedem Abend der Adventszeit. Denn es erscheint ein leibhaftiger Engel in ihrem Zimmer, der auch noch ein Kind dabei hat. Dieses Kind taucht auf wie ein Geist, erzählt von sich und den Weihnachtsbräuchen in seiner Heimat und verschwindet dann wieder in einem zauberhaften Kreiseln. Für Darlene werden diese Weihnachten zu einem unvergesslichen Erlebnis. Nicht nur, weil der Engel Nanael so ganz anders ist, als sie sich diese göttlichen Wesen immer vorgestellt hat, sondern auch, weil sie, angeregt durch die oft traurigen Lebensumstände der Kinder und den Rat des Engels, in ihrem eigenen Leben so manches versucht anders zu machen. Sie erreicht sogar, dass ihre ganze Klasse ein Hilfsprojekt startet, um Kindern in Not Beistand zu leisten und eine Patenschaft für ein afrikanisches Kind einzugehen.
Doch das ist längst noch nicht alles, was in den vier Wochen mit diesem magischen Adventskalender geschieht.
Eine Geschichte, die die Adventszeit in den wunderschönsten Farben erstrahlen lässt, ein wenig Mystik, viel Herzschmerz, Mitleid heischende Schicksale, tatkräftige Kinder, die auf Konsum und Schokolade verzichten, "Happy Ends" en masse und ein Vorleser, der mit warmer, sympathischer Stimme fünfeinhalb Stunden liest, als wäre er der Weihnachtsmann persönlich. Dazu auch noch der Hinweis, dass jedes verkaufte Hörbuch eine Spende für eine Kindernothilfe-Stiftung auslöst.
Kann da noch etwas schief gehen?
Leider. Denn neben all den Aktiva dieser Geschichte, dem großartigen Vortrag von Peter Lohmeyer, der gelungenen Musik, dem abwechslungsreichen Reigen an Kinderschicksalen, sind auch die negativen Aspekte unverkennbar.
Erstens ist die Geschichte stilistisch wenig überzeugend. Unzählige Sätze scheinen aus der Beamtensprache oder einem förmlichen Bewerbungsschreiben zu stammen. Für Kinder sind diese Redewendungen völlig unverständlich und fehl am Platz. Ein wenig Korrektur an diesem Stil hätte dieser Geschichte weit mehr geholfen als alles andere. Welches Kind von acht oder neun Jahren versteht Formulierungen wie "er definiert sich über sein Spielzeug"?
Zweitens sind die Schicksale der Kinder so überladen mit Klischees, dass es einfach nur ärgerlich ist. Wenn man schon Mitleid erwecken will und Hilfe evozieren möchte, sollte man die gängigen Kategorien vermeiden. Nicht alle Peruaner sind arm, nicht alle Amerikaner dem Konsumterror erlegen, nicht alle Kinder aus Darfur Flüchtlinge und Verlorene. Nicht alle Bangladeschi arbeiten in chromverseuchten Gerbereien, nicht alle "Harz IV"-Kinder klauen Klamotten aus den öffentlichen Sammelbehältern. Auch wenn viele der Berichte wirklich packend, spannend und für Kinder lehrreich gestaltet sind, muss man doch diesen ewig wiederholten und in der Presse bis zum Erbrechen durchgekauten Klischees nicht erliegen - darf es nicht, wenn man ein so wichtiges Anliegen hat, wie die Autorin Sandra Fariba.
Auch der Kniff der Geschichte, aus der Handlung heraus ein Buch schreiben zu wollen, das eben diese Geschichte enthält, ist weder neu noch originell. Überhaupt wäre diese Sammlung ohne das Kreiseln, Zaubern und geisterhaftes Besuchen besser und weniger unrealistisch.
Besonders übel gerät eine Textstelle, die den kleinen Zuhörern suggeriert, dass die Geschenke ja eh von den Eltern und nicht vom nicht-existierenden Christkind kommen. Das ist in einem Hörbuch für Kinder, das den Zauber der Adventszeit abbilden will, ein unverzeihlicher Fauxpas! Natürlich kommen die Weihnachtsgeschenke vom Christkind - von wem sonst?
Doch trotz all der Kritik, dem Missfallen und der Einwände bleibt "Nanaels geheimnisvolle Weihnachtsreise" eine hörenswerte, preisgünstige und warmherzige Geschichte. Sie gefällt denn auch den kleinen Zuhörern sehr viel besser als den größeren. Sie nehmen - unkritisch und mit leuchtenden Augen - alles für wahr und schön, freuen sich an der Botschaft wider den Konsum und für die Hilfe für andere Kinder und träumen ein wenig von einer besseren Welt. Das ist aller Ehren wert und ohne jeden Zweifel wichtig. Leider trüben Stil und inhaltliche Mängel diesen positiven Eindruck für den älteren Zuhörer nachhaltig.