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 Nikolski


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


In "Nikolski" beobachtet der Leser die Leben dreier sehr unterschiedlicher Menschen: Die eigenwillige Joyce bricht aus der Enge ihres Heimatortes Tête-à-la-Baleine in Quebec aus, um ein Leben als Piratin zu führen, weil unter ihren Vorfahren Freibeuter waren. Doch das Piratenhandwerk ist heutzutage nicht mehr ganz leicht auszuführen, und so wird Joyce stattdessen zur Datenpiratin, die Computer aus gestohlenen Einzelteilen zusammenbaut und Datenbanken hackt.
Noah, dessen Vorfahren Indianer waren, führt mit seiner Mutter jahrelang ein wurzel- und zielloses Leben. Mit einem Wohnwagen fahren sie durch die USA, und bezeichnenderweise lernt Noah durch die Straßenkarten aus dem Handschuhfach lesen. Auch Noah bricht schließlich aus diesem unsteten Leben aus und setzt sich ab nach Montreal, um dort ein Studium zu beginnen.
Der dritte Protagonist, gleichzeitig der einzige Ich-Erzähler im Buch, betreibt in Montréal, im Stadtteil La Petite Italie, einen kleinen Buchladen. Er führt ein eher minimalistisches Leben und gibt offen zu, dass sein Leben keine besonderen Höhepunkte zu bieten hat - stattdessen sind es die Bücher, die seinem Leben Inhalt geben. Außerdem besitzt er einen billigen Kompass, den ihm sein Vater einst geschenkt hat. Dieser Kompass zeigt aus irgendeinem Grund nicht nach Norden, sondern geradewegs nach Nikolski, einem kleinen Ort mit gerade einmal 39 Einwohnern, der zu den Aleuten gehört …

Die Lebenswege dreier junger Leute kreuzen sich nach vielen Umwegen und durch mehrere Jahre hindurch - und zwar nicht im Titel gebenden Nikolski in Alaska, sondern letztendlich im kanadischen Montreal. Der Kanadier Nicolas Dickner hat mit diesem Debüt einen außergewöhnlichen, von sachter Hand geschriebenen Roman verfasst, der viele ungewöhnliche Momente zu bieten hat. Diese und damit die drei Leben der Protagonisten sind - obwohl sie weitaus mehr miteinander zu tun haben, als sie ahnen - eher lose miteinander verknüpft, bieten aber außergewöhnliche Berührungspunkte: ein alter Kompass, der nicht nach Norden zeigt, Briefe, die ihren Bestimmungsort nicht erreichen, viele Landkarten, ein Fischgeschäft, ein rätselhaftes "dreiköpfiges Buch" ohne Umschlag.
Tatsächlich bleibt es auch bei diesen losen, aber sehr bedeutungsvollen Punkten; normalerweise würde man von einem Roman, in dem sich drei Menschen auf Umwegen schließlich über den Weg laufen, erwarten, dass sie sich besser kennenlernen, irgendwie gemeinsam weiterleben.
Dies geschieht bei "Nikolski" nicht - die drei Leben, die hier gelebt werden, berühren sich eigentlich nur an ihren Kanten, was den Roman zu etwas Besonderem macht und eben nicht zu einer typischen Auf-eine-schicksalhafte-Begegnung-folgt-Freundschaft-Geschichte. Der Roman umfasst einen Zeitraum von zehn Jahren; zwischen den einzelnen Abschnitten zwischen 1989 und 1999 können auch mal mehrere Jahre liegen, so dass man als Leser nie weiß, was einen auf der nächsten Seite erwartet und wo Joyce, Noah und der Ich-Erzähler sich gerade befinden mögen.
"Nikolski" ist melancholisch, manchmal etwas sperrig, sprachlich klug, fantasievoll und unterhaltsam. Den gesamten Roman durchweht ein Hauch von Fernweh, von der Bedeutung der eigenen Vergangenheit und der oftmals überraschenden Zukunft. Allerdings kein Buch für Leser, die eine durch und durch zusammenhängende Geschichte mit einem klaren Spannungsbogen erwarten!

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2009 | ISBN: 9783627001575 | Originaltitel: Nikolski | Preis: 19,90 Euro | 304 Seiten | Sprache: Deutsch

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