Kaum ein Begriff ist so in Mode gekommen wie die biologische Teildisziplin "Ökologie". Die Vorsilbe "Öko-" steht auf Tausenden Produkten, suggeriert Naturnähe, Reinheit und Nachhaltigkeit. Dem gegenüber ist das wissenschaftliche Forschungsgebiet der Ökologie noch jung und definiert sich je nach Fachbuch und Zielrichtung anders. In vielen neueren Schulbüchern ist die Ökologie "das Zusammenwirken abiotischer und biotischer Faktoren in und zwischen Ökosystemen. Sie ist die Wissenschaft der Wechselbeziehungen, welche die Lebensbedingungen, die Häufigkeit und die Verbreitung von Lebewesen bestimmen." ("Ökologie", Schroedel, 2005).
Fachbücher, Vorlesungshefte und wissenschaftliche Studien zu einzelnen Themen der Ökologie sind schnell stark mathematisierte und standardisierte Bücher, die dem Laien wenig bis gar keinen Einblick in diese spannende Teildisziplin der Biologie zu geben vermögen. Ganz anders das Konzept der Ökologie-Bücher von Thomas M. Smith und Robert L. Smith, nunmehr in der sechsten Auflage im Verlag "Pearson Studium" erschienen. Inzwischen unter der Federführung des Sohnes Thomas, versucht dieses Fachbuch einen anderen Weg einzuschlagen.
Es ist sowohl ein kompetenter und hinreichend genauer Studienführer für Biologiestudenten mit dem Schwerpunkt Ökologie als auch ein Buch für Lehrer der Biologie, fachfremde Wissenschaftler und interessierte Laien. Inhaltlich bedeutet dies, dass die Texte einfach strukturiert, gut lesbar und mit vielen Grafiken, Bildern und Tabellen aufgelockert und leicht erlernbar gestaltet sind, die darüber hinaus aber durch Exkurse und weiterführende Informationskästen auch komplex genug sind, den wissenschaftlichen Charakter zu betonen. Eine eierlegende Wollmilchsau also?
Zunächst erschlagen die fast tausend Seiten jeden Leser. So viel? So komplex? So über die Maßen inhaltsschwanger ist die Ökologie, dass sich tausend Seiten damit füllen lassen?
In neun Teilbereichen versuchen sich die Autoren Schritt für Schritt diesem Gebiet zu nähern und es erschöpfend vorzustellen. Teil I befasst sich demzufolge mit den Grundlagen. Hier wird der Begriff der Ökologie in Augenschein genommen und werden die grundlegenden Prozesse Adaptation und Evolution angerissen. Bereits jetzt merkt der Leser, dass Stil und Umfang leicht zu bewältigen sind und die Lesbarkeit der Texte niemanden - auch nicht den blutigen Laien - vor größere Probleme stellen.
Teil II, "Die abiotische Umwelt" schließt sich nahtlos an und gibt fundierte Informationen preis, die momentan erforscht werden oder zum zentralen Gegenstand der Ökologie gehören. Dies sind das Klima, die aquatische und die terrestrische Umwelt. Immer noch ist der Stoff sehr leicht zu erfassen und einfach zu erlernen. Teil III, "Die Organismen und ihre Umwelt", befasst sich mit Adaptationen von Pflanzen und Tieren an ihre Umwelt und den Überlebens- und Reproduktionsmustern von Organismen.
Anschließend werden im vierten Teil Populationen in den Blick genommen, bevor sich in Teil V die "Interaktion zwischen Arten" anschließt. Nach der "Ökologie der Lebensgemeinschaften" und "Der Ökologie der Ökosysteme" wird im achten Teil die "Biogeographische Ökologie" angegangen. Abschließend nehmen sich die Autoren die Humanökologie vor, erstaunlicherweise und entgegen vielen anderen Lehr- und Fachbüchern nicht als Alibi-Kapitel, sondern auf immerhin einhundertzehn Seiten.
Hat man auch dieses Kapitel gelesen, stellt man erstaunt fest, wie schnell man dieses dicke Buch durcharbeiten kann. Dank des exzellenten Stils, den vielen Hilfestellungen in Gestalt von Wiederholungen, Fragen, erläuternden Tabellen, Bildern und Grafiken und den am Ende jedes Kapitels angebotenen Vertiefungen und Exkursen in die Untiefen dieser Wissenschaft, stellt dieser Stoff keine intellektuellen Hürden auf, die nicht jeder überspringen könnte. Fast nie ist der Text zu schwierig, um ihn auf Anhieb zu verstehen, nicht ein Mal wird es so mathematisch oder chemisch, dass der Laie aufgeben müsste. Und doch bietet das Buch auch dem Studenten der Biologie alle notwendigen Informationen, um diesen Fachbereich inhaltlich abhaken zu können. Nur dem Studenten der Ökologie als Schwerpunkt reicht das Gebotene nicht - hier hilft die weiterführende Literatur, die am Ende jedes Kapitels angegeben wird.
Das Fazit ist eindeutig: Die sechste, sehr stark erweiterte Fassung von "Ökologie" ist brillant. Sie bildet einen neuen Maßstab, an dem sich sämtliche Fachbücher zu diesem Thema messen lassen müssen. Und sie bietet auch dem interessierten Laien die Chance, beim Thema Ökologie mitreden zu können und nicht jede modische Verwendung der Silbe "öko-" widerspruchslos hinzunehmen.