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Zwei Schüler besiegeln durch ihre Furcht vor den Prüfungen das Ende der Welt. Gemeinsam programmieren sie drei Einzelteile eines Computervirus, der, wenn sich alle Teile auf einem Rechner wieder finden, sich selbst zusammenbaut und zu dem programmierten Countdown das System lahm legt und ebenso jedweden Neustart verhindert. Dummerweise wird sich aufgrund eines Programmierfehlers der Virus nicht in vierzig, sondern in vierhundert Tagen aktivieren, lang genug, um sich in fast jedes Computernetz der Welt einzuschleusen.
Am 23. Mai um 7.00 bricht das Ende der Neuzeit an. Zuerst unbemerkt, fällt der Strom aus, bricht das Telefonnetz zusammen, gibt es kein Fernsehen, kein fließendes Wasser, da alles von Computern gesteuert wird, die aufgrund des Virusangriffes zusammenbrechen. Spektakulärer sind allerdings die Flugzeugabstürze, die in der Nähe von Wellendingen, einem Dorf im Südschwarzwald, geschehen. Hier sterben innerhalb weniger Minuten Hunderte von Menschen, werden aus dem Flugzeugrumpf geschleudert oder verbrennen im gestrandeten Wrack. Einzig ein älterer Herr, der seinen toten Enkel in den Armen hält, wird von den Einwohnern lebendig geborgen.
In der Stadt Donaueschingen hingegen führt der Ausfall der Technologie zu einer viel extremeren Katastrophe. Supermärkte bleiben geschlossen, Geldautomaten versagen den Dienst und keine Notrufsäulen funktionieren. Schnell eskaliert die Situation, es kommt zu Plünderungen der Lebensmittelgeschäfte, die Polizei verliert die Kontrolle - und allzu schnell finden sich bewaffnete Mobs, die die Gegend unsicher machen und ihr eigenes Recht vertreten. Doch niemand ahnt, dass dies erst der Anfang ist, denn es gibt keine regulierende Instanz, die einschreiten und die Uhren zurückdrehen kann.
"Rattentanz" ist ein Roman, der zeigt, wie abhängig unsere Gesellschaft von Computern und vom Strom ist. Fehlen uns diese beiden Komponenten, sieht unser zivilisiertes Leben gleich viel unsicherer aus. Anhand einer ausgewählten Familie, den Segers aus Wellendingen, erlebt der Leser die Auswirkungen dieses Zusammenbruchs der Technik. Hans Seger ist in Schweden gestrandet und setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um zurück zu seiner Familie zu gelangen. Eva Seger arbeitet in Donaueschingen im Krankenhaus und kämpft gegen den Tod der eingelieferten Verletzten, während draußen Plünderungen stattfinden und Schüsse fallen und ihre kleine Tochter Lea bei Nachbarn in Wellendingen wartet.
Doch auch abseits von dieser Hauptlinie, lässt der Autor Michael Tietz immer wieder einmal Einblicke in andere Schauplätze auf der Welt zu, um die globale Präsenz des Geschehens aufzuzeigen. Geschickt gelingt es ihm darzustellen, wie Menschen in Notsituationen zu Mördern werden, um an ein Stück Brot zu gelangen und um noch einen weiteren Tag zu überleben. Dabei beschreibt er realistisch die Versuche, Lebensmittel zu beschaffen und die Möglichkeit von Gemeinschaften, sich neu zu organisieren. Natürlich gibt es im Hauptstrang auch noch eine spannende Geschichte um Verrat, Wahnsinn, die nebenbei zusätzlich noch den Leser fesselt.
Mit "Rattentanz" beleuchtet Michael Tietz, auf welch wackeligen Beinen unsere Zivilisation steht und wie schnell diese zusammenbrechen können. Vielleicht bringt dieser Roman sogar einige Menschen zum Nach- und Umdenken, doch auf alle Fälle ist dieser gelungene Erstlingsroman spannende Unterhaltung, die den Leser direkt an den Nervenenden packt und mitreißt.