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Neben Kriegen und Naturkatastrophen gehören Seuchen sicher zum Schrecklichsten, das die Menschen heimsuchen kann. Daher verwundert es nicht, dass sie immer wieder Eingang in die Weltliteratur und Kunst gefunden haben. Man denke nur an Boccaccios "Decamarone" und an "Die Pest" von Camus! Doch die Seuchen erzwangen auch Fortschritte in der Medizin, und nicht zuletzt bewirkten sie gesellschaftliche Veränderungen, so im Übergang zwischen Mittelalter und Renaissance eine Öffnung der Zünfte, weil es zu einem Fachkräftemangel gekommen war.
Das hier besprochene Buch geht auf eine Sendereihe von BR Alpha zurück und befasst sich mit der Geschichte der verheerendsten, aber auch der gefürchtetsten Seuchen – was nicht immer dasselbe ist – und etlichen anderen Aspekten dieser die Menschheit tief beeinflussenden Infektionskrankheiten.
Pest, Cholera und Typhus machen den Anfang, gefolgt von Tuberkulose, Wundinfektionen und EHEC (ein entarteter Stamm des sonst harmlosen Darmbakteriums E. coli) sowie den bekannten Tropenkrankheiten wie Malaria und Gelbfieber. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit Pocken, Polio und Ebola, das nächste mit Geschlechtskrankheiten und das abschließende mit Grippe und SARS.
Bereits Einleitung und Vorwort sensibilisieren sehr gut für dieses durchaus auch mit Emotionen behaftete Thema. Was hier versprochen wird, halten die einzelnen Kapitel vorzüglich: Den Anfang macht im Allgemeinen die Entdeckungsgeschichte eines Erregers, im Anschluss geht es um die Historie, die Rezeption der jeweiligen Krankheit in den betroffenen Kulturen – das gilt weniger für Krankheiten wie Schweinegrippe und SARS, die nur kurzzeitig weltweit für Ängste sorgen – einschließlich ihres Einflusses auf Literatur und Kunst und den heutigen Stand. Ein wichtiges Thema ist immer wieder die Bekämpfung der Krankheiten mit modernen Arzneien und die Schwierigkeiten, die sich etwa aus Resistenzen ergeben.
Dieses Buch vermag mit einigen Vorurteilen aufzuräumen, so untersucht es auch sehr differenziert die historisch belegten Seuchenausbrüche: Können wir aus den historischen Quellen wirklich auf diese oder jene Krankheit rückschließen, ohne den Erreger gesehen zu haben, zumal die frühere Berichterstattung ja auch religiös und mythisch/mystisch geprägt war? Auch wird der Blick für Relationen und die sehr unterschiedliche Rezeption einzelner Seuchen geschärft: Natürlich raffte die Pest zeitweilig 30 Prozent der Bevölkerung Europas hin, doch wird die so genannte Spanische Grippe um 1918 meist ignoriert, obwohl sie mehr Todesopfer forderte als der Erste Weltkrieg – und keineswegs unter den Alten und ganz Jungen wie sonst bei der Grippe üblich.
Fesselnde Fotos, überwiegend aus der Fernsehserie entnommen, ergänzen die Texte. Im Großen und Ganzen ergibt sich ein interessanter und fundierter Überblick über die Seuchen der Geschichte mit all ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft und die aktuellen Seuchen, die allerdings wesentlich weniger verstörend wirken; gut, dass sie dennoch ins Buch aufgenommen wurden, denn ein leichtfertiger Umgang mit ihnen würde nur ihre Verbreitung fördern. Gerade die Prävention spielt in diesem Werk eine beachtliche Rolle.
Bemerkenswert ist an diesem Buch, wie bereits erwähnt, der ganzheitliche Ansatz: die Seuche in der Wissenschaft, Medizin, Literatur und Kunst; wie hat sich der Umgang der Menschen damit über die Jahrzehnte und Jahrhunderte verändert?
Ein spannendes Buch, das auch Leser fesselt, denen dieses Thema bislang fremd war.
Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.