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Um was geht es? So beginnt dieser Roman, der eine Art mäandernder literarischer Roadtrip ist, auf den sich ein Vater und sein Junge begeben. Um was geht es? Diese Frage scheint ein Spiel zu sein, denn die Antwort lautet lange: Serpentinen. So wie die verschlungenen Straßen und Wege, auf die der Vater mit dem Jungen in die schwäbische Landschaft seiner Kindheit fährt. Zu der Kirche, in der seine Eltern geheiratet haben. Zu seinem Elternhaus, in dem nur noch die Mutter wohnt. Zum Friedhof, auf dem sein Freund Frieder aus Jugendtagen begraben liegt. Frieder, mit dem er nach Stuttgart trampte und radelte, um stundenlang vor Max Beckmanns „Auferstehung“ zu sitzen. Zu schauen. Zu diskutieren. Um was geht es? Es geht um die Geschichte einer Familie, deren mütterliche Seite nach dem Krieg das Sudetenland verlassen musste. Es geht um die Kindheit des Vaters des Jungen. Um eine Kindheit voller Angst, Gewalt und Einsamkeit. Es geht um eine Flucht. Die Flucht des Vaters vor dem Schicksal seiner männlichen Vorfahren, die alle Suizid begangen haben. Auch er kennt Depression und Selbstmordgedanken. Wird es ihm gelingen, sein Schicksal selber in die Hand zu nehmen und die Last der Vorfahren hinter sich zu lassen?
Die Sprache des Autors ist nüchtern. Er schreibt in kurzen Sätzen. Trotz der Nüchternheit überrascht Bov Bjerg zuweilen mit wunderbaren, poetischen Wortschöpfungen und -spielereien. Mit einer differenzierten Bildersprache. Wenn er zum Beispiel die Stimme der Tante des Vaters aus den Dauerwellen heraus klirren lässt. Man hört deren Klangfarbe geradezu beim Lesen. Oder wenn der Vater sich erinnert, dass er den Schmerz nicht stören durfte. Da steht die Melancholie an der Schwelle zur Depression. Ein weiteres Charakteristikum: Namen haben nur die Personen außerhalb der Familie des Icherzählers. In der Familie heißen die Menschen die Mutter, der Bruder, der Vater, der Großvater. Auch seinen Sohn bezeichnet der Vater nur als "der Junge". Der Name seiner Frau besteht lediglich aus einer Initiale.
Der Roman ist keine leichte Kost. Kein Buch, das man mal so zwischendurch oder nach einem anstrengenden Tag überfliegt. Zuweilen liest es sich zäh. Dann wieder folgen die Augen dem Text atemlos und können den Fortgang der Geschichte kaum erwarten. Es ist ein Buch für die Liebhaber einer ausgefeilten Sprache, eines feinen, oft etwas schrägen Humors und von atmosphärisch "dichten" Plots. Wer es lieber drastisch und plakativ mag, wird hier weniger auf seine Kosten kommen.
Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.