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Man sitzt am Flughafen und schaut gebannt auf die großen Start- und Landetafeln, auf denen Namen von Städten auf der ganzen Welt mit lautem Knattergeräusch rotieren. Mal klingen sie exotisch, mal vertraut, und immer wieder blitzt der Gedanke auf: "Nach Rio de Janeiro möchte ich auch noch mal reisen", "Wo, um Gottes Willen, liegt Kampala?" oder "Wie sieht es bloß in Almaty aus?"
Für Philipp Dodd und Ben Donald von National Geographic war das Buch "Die Kunst des Reisens", in dem sich der Autor Alain de Botton mit solchen Anzeigentafeln an Flughäfen beschäftigt, der Auslöser für den 512 Seiten langen Bildband "The Book of Cities. Die 250 aufregendsten Städte der Welt".
Metropolen sind der Mittelpunkt unseres Lebens. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten oder in Ballungsgebieten im näheren Umkreis einer Stadt. Diese entwickeln sich folglich immer weiter und verändern sich wie lebende Organismen. Heute, da der Reisende mit dem Flugzeug jeden noch so entlegenen Ort auf der Welt innerhalb von 36 Stunden erreichen kann, bieten Billigfluglinien jede Menge Optionen für Wochenendtrips an bislang unbekannte Ziele.
Die Autoren von "The Book of Cities" wollten mehr über die Städte in ihren Vorstellungen wissen, recherchierten und präsentieren die ihrer Meinung nach 250 faszinierendsten Städte auf jeweils zwei Seiten mit einer kurzen Beschreibung und aussagekräftigen Fotos. Für die Städte, die den meisten Lesern durch zahllose typische Fotos bereits vertraut sind, wählten Dodd und Donald einen extravaganteren Blickwinkel.
So warten die Seiten über New York also nicht mit einem Bild der Freiheitsstatue auf, sondern mit einer Stadtansicht, in der sich die bunten Reklamebilder auf den regennassen Straßen spiegeln und dem Foto eines Menschen von hinten mit einem fast komplett rasierten Kopf, auf dem die wenigen Haare das Bild einer Skyline mit den beiden Türmen des World Trade Centers ergeben. Bei weniger bekannten Städten griffen die Autoren auf Fotos zurück, die einen allgemeinen Eindruck der Stadt vermitteln sollen.
Für jede Stadt wurde ein Zitat ausgewählt: von klassischen Reiseschriftstellern wie Freya Stark über Katmandu oder Bruce Chatwin über Marseille, aber auch von jüngeren Autoren wie William Dalrymple über Delhi. Daneben wurden Aussprüche berühmter Einwohner oder Durchreisender gesammelt: von Che Guevara über Cusco, von Eminem über Detroit oder von Lenin über Wladiwostok. Der frühere argentinische Fußballstar Diego Maradona sagte beispielsweise über eine italienische Stadt: "Ich wollte für die armen Kids von Neapel ein Vorbild sein, denn sie sind wie ich, als ich in Buenos Aires aufwuchs."
Die Anordnung der Städte ist nicht gleich offensichtlich. Die Autoren entschieden sich für eine Aufteilung nach geografischen Längengraden, den gedachten Halbkreislinien, die vom Nord- zum Südpol verlaufen. So beginnt die Reise in London am Nullmeridian von Greenwich, nimmt Kurs nach Westen, steuert von Brighton hinunter nach Accra (Ghana), von Oxford nach Ouagadougou (Burkina Faso), bevor sich der Leser über den Atlantik auf den amerikanischen Kontinent begibt. Von dort reist er weiter um die Erde - nach Neuseeland, Australien, über den Pazifik nach Asien, in den Mittleren Osten, nach Afrika und Europa, um am Ende in Cambridge, östlich von London, anzukommen: eine Weltumrundung, die den Leser durch alle urbanen Lebensräume führt.
"The Book of Cities" ist kein Reiseführer. Das Buch enthält keine Empfehlungen für die schönsten oder billigsten Hotels, die neuesten Restaurants oder die angesagten Clubs. Stattdessen haben die Autoren versucht, die Geschichte, die Lage und die Architektur einer Stadt zu beschreiben, dabei ihre Klänge und Gerüchte einzufangen sowie den Charakter ihrer Einwohner - mit allem, was die Besonderheit der jeweiligen Stadt ausmacht, was sie von allen anderen unterscheidet in unserer globalisierten Welt. Beim Großteil der Städte sind die Texte gelungen, nur bei wenigen wirkt die Beschreibung etwas trocken.
Zusätzlich findet der Leser in diesem bunten Nachschlagewerk Angaben zur Einwohnerzahl, die jeweiligen Partnerstädte und berühmte Persönlichkeiten, die in der Stadt geboren oder zugezogen sind. Interessant wäre es noch gewesen, wenn die Autoren noch eine kleine Karte des jeweiligen Landes hinzugefügt hätten, auf der die jeweilige Stadt farblich gekennzeichnet wäre. Dadurch könnte der Leser einige weniger bekannte Städte geografisch besser zuordnen.
"Echte Städte haben ein besonderes Merkmal, eine knochige Struktur unter dem ganzen Staub und Dreck" lautet ein Zitat des US-amerikanischen Schriftstellers Raymond Chandler. Philipp Dodd und Ben Donald haben mit es mit "The Book of Cities" geschafft, die Eigenheiten der einzelnen Städte herauszuarbeiten und dem Leser Lust zu bereiten, die eine oder andere Metropole zu besuchen oder einmal wieder an seinen Lieblingsort zu reisen, um alte Erinnerungen aufzufrischen.