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 Unter der Linde, auf der Heide

Gedichte des Mittelalters


Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Es mag stimmen, dass Gedichte heutzutage eher ein Nischendasein führen. Doch gerade, wenn es um die Bekundung der Liebe zu einer Frau geht, dürfte der eine oder andere schon einmal ein Liebesgedicht verfasst haben. Denn was gibt es Schöneres, als seine Angebetete mit ein paar liebevollen Versen zu bezirzen. Das wussten bereits die Dichter des Mittelalters. Einer dieser Dichter war Walther von der Vogelweide, dessen vierstrophiges Gedicht hier namensgebend für diese Zusammenstellung mittelalterlicher Gedichte war.

Meine Augen füllten sich so mit Liebe
Als ich die Herrliche zum ersten Mal sah
(Reinmar der Alte)


Liebe und Leid sind oft nah beieinander - davon zeugen die in diesem Band versammelten mittelalterlichen Gedichte. Denn nicht selten folgt auf die Lobpreisung der Geliebten oder des Geliebten die traurige Gewissheit, dass der Liebesbeweis nicht immer auf Zustimmung stößt. Auch wenn die Gedichte einer längst vergangenen Zeit entstammen, kann der Leser sich durchaus selbst in diesen finden, wenn er solche Zeilen wie "Ich habe mir selbst die Not bereitet,/Dass ich die begehre, die nichts von mir wissen will" liest. Die Gedichte selbst schwanken zwischen schwulstig-schmalzigen Umschreibungen ("Welche Wonne lässt sich dem vergleichen?/Es ist wohl ein halbes Himmelreich"), die man mögen muss, und mitunter deutlich auf den Punkt gebrachten Feststellungen, die gerne auch umgangssprachliche Begriffe ("Trottel") oder sogar einen Schuss Erotik beinhalten ("Sie presste ihre kleinen Brüste an seine Brust").

Neben den "großen" Dichtern der damaligen Zeit (zum Beispiel Wolfram von Eschenbach oder Hartmann von Aue) finden sich auch weniger bekannte (zum Beispiel Dietmar von Aingst oder Albrecht von Johannsdorf) darin. Zum Teil sind die Verfasser sogar unbekannt. In vielen Gedichten kommt vor allem das lyrische Ich zu Wort, manchmal finden sich jedoch auch dialogische Formen. Die Anordnung der Gedichte folgt keiner weiteren ersichtlichen Logik, da diese nicht thematisch untergliedert sind, sodass sich für den einen eine bunte Mischung ergibt, für den anderen dagegen ein recht wahlloses Durcheinander.

Oh weh, welcher Schmerz, glaubte ich doch tatsächlich [...]
Meine Freude ist hin, und nichtig ist auch meine sehnsüchtige Hoffnung.
(Heinrich von Morungen)


Bei der Gestaltung des Büchleins wurde versucht, die mittelalterliche Handbuchmalerei anhand von Rosenranken nachzuahmen. Hinzu kommt, dass die Gedichte durch einen roten Rahmen umfasst sind und die Überschrift mittels eines Initials in den Vordergrund gerückt wird. Trotz dieser durchaus in sich schlüssigen Gestaltungselemente wirkt das Büchlein insgesamt künstlerisch recht lieblos, was vor allem daran liegt, dass die angesprochenen Rosenranken wenig filigran sind.

Was dem Buch weiterhin fehlt, ist ein Vor- oder Nachwort, durch welches die Gedichte in einen historischen oder thematischen Kontext eingeordnet werden. Auch wenn manche Gedichte sicherlich für sich selbst sprechen, so gibt es andere, deren Sinn und Zweck sich nur teilweise von selbst erschließen. Symptomatisch für diese editorische Oberflächlichkeit steht wohl, dass es zum einen keinen Herausgeber gibt sowie zum anderen, dass bei dem Gedicht "Ich grüße mit meinem Lied die Süße" lediglich "Kaiser Heinrich" als Verfasser angegeben wurde, was insofern ungenau ist, da es mehrere mittelalterliche Kaiser mit diesem Namen gab. Letztlich ist der Band daher mehr ein Geschenkbüchlein als eine tragfähige Anthologie - wenngleich die Gedichte für die Auflage neu übersetzt wurden, wobei auch hier keinerlei Angaben gemacht werden, wer sich dafür verantwortlich zeigt.

FAZIT: eine weitgehend verzichtbare Sammlung mittelalterlicher Gedichte des deutschen Minnesangs, die allenfalls als recht preiswertes Geschenkbüchlein taugt.

Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 6. Juni 2016 | ISBN: 9783799510837 | Preis: 8,99 Euro | 64 Seiten | Sprache: Deutsch

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