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Als Ruldof Herrnstadt sein Jurastudium nicht fortsetzen will, wird er von seinem Vater strafeshalber ins Zellstoffwerk Krappitz geschickt. Zwei Jahre arbeitet er dort, sieht das Elend der Arbeiter, wird volljährig und soll eine Fabrik in der Lausitz leiten. Das will er nicht. Stattdessen geht er nach Berlin und wird Redakteur für das "linksdemokratische"
Berliner Tageblatt unter Theodor Wolff - und Kommunist. Noch bis 1936 arbeitet der Jude Herrnstadt als Warschauer Korrespondent für das
Berliner Tageblatt, ist dabei aber für den Auslandsnachrichtendienst der Roten Armee, der GRU, tätig und baut ein Spionagenetzwerk in Polen auf, ähnlich wie Richard Sorge in Japan oder Leopold Trepper in Brüssel. 1939 flieht Herrnstadt schließlich in die Sowjetunion, in der Stalins Paranoia bereits für viele zum Todesurteil wurde. Er wird verhaftet, freigelassen, arbeitet weiterhin für die GRU und wird schließlich an die Presseabteilung der Komintern weitergeleitet. Hier hat er seinen ersten Kontakt mit den "deutschen Genossen", die ihn befremden: Nach neun Jahren in der Emigration sprechen sie kein Wort Russisch, kreisen vornehmlich um sich selbst und halten die Komintern für wichtiger als die Rote Armee. Ohne die aber, so Herrnstadts Ansicht, würde es keine Komintern geben. Während die deutschen Genossen mit ihren Ränken beschäftigt sind, steht der deutsche Arbeiter in Uniform vor den Toren Moskaus und Stalingrads. Nach der Kapitulation Deutschlands bekommt Herrnstadt den Auftrag eine Zeitung für Berlin aufzubauen, nachdem er in russischer Emigration bereits Chefredakteur des
Freien Deutschland war. Er nennt sie
Berliner Zeitung, gründet den ersten Verlag in Berlin, den
Allgemeinen Deutschen Verlag, kurze Zeit später den
Berliner Verlag, kreiert die
Neue Berliner Illustrierte. 1949 wird Herrnstadt Chefredakteur des
Neuen Deutschland, der Parteizeitung der SED, 1950 Kandidat des Politbüros. Damit gehört er zu den Mächtigen im Land. Die Tage um den 17. Juli 1953 brechen Herrnstadt jedoch das Genick oder vielmehr das Herz. Ihm und Wilhelm Zaisser, dem Minister für Staatssicherheit, werden parteifeindliche fraktionelle Tätigkeiten vorgeworfen. Sie werden aus der Partei ausgeschlossen. Für Herrnstadt bedeutete das, dem Sinn seines Lebens beraubt worden zu sein. Er, der Lungenkranke, wird nach Merseburg versetzt, in diese "Landschaft, zwischen Chemiedunst und Mittelalter". 1966 stirbt er an Krebs.
Irina Liebmann, geboren in der Sowjetunion, hat mit "Wäre es schön? Es wäre schön!" ihrem Vater ein Denkmal gesetzt. "Mein Vater hat viel und gerne erzählt", schreibt sie "- und wiederum gar nichts." Also macht sie sich auf die Suche nach ihm. Sie versucht zu verstehen, was ihn als Kommunisten Mitte des letzten Jahrhunderts an- und umgetrieben hat, warum er festhält an Methoden, die ihr so falsch erscheinen, warum er sich mit Menschen umgibt, die die offene Auseinandersetzung, die er sucht und fordert, ablehnen. Das Verstehen gelingt nicht immer, die Suche ist nicht immer erfolgreich. Neben der Suche nach dem Mann, der ihr Vater war, ist das Buch sicher auch ein Versuch ihn zu rehabilitieren, ihm seinen Platz in der deutschen Pressegeschichte der Nachkriegszeit zuzuweisen, ihn aus der Verbannung zu holen, in den die SED ihn nach dem Parteiausschluss gesteckt hat. Zugleich ist es eine Geschichte des Kommunismus und eben der ostdeutschen Pressegeschichte der Nachkriegszeit. Die Ränke der deutschen Genossen, Ulbrichts Klammern an der Macht, all das zeigt Irina Liebmann und über allem steht die Frage: Warum hat ihr Vater so lange durchgehalten, so lange zu den Genossen gehalten? Für ihr Buch hat sie den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch bekommen, unter anderem aufgrund ihres Vermögens " auf unglaublich eindringliche Weise Familiengeschichte als Weltgeschichte darzustellen". Ihre Geschichte zeigt einen Mann, den sie meist nur Herrnstadt nennt, und der an vielem festhielt, was aus heutiger Sicht nicht mehr verständlich ist, der aber nie die Hoffnung aufgegeben hat, dass das Leben aller von mehr als von Profit bestimmt sein könnte, der erst gegen Hitler gekämpft hat und schließlich für die Mitbestimmung der Arbeiter in der DDR, was ihm schließlich zum Verhängnis wurde.
Mit seinen 401 Seiten kein kurzer Bericht, aber eine spannende Geschichte über einen Menschen, eine Epoche und eine Idee, die sich immer vorsichtig vor- und herantastet und dabei sämtliche Klischees und Schlagworte meidet.