Am Supermarkteinkauf kommt heute kaum noch jemand vorbei. Schon aus Zeitgründen sucht man gern einen Laden auf, in dem man alles Benötigte findet (und noch einiges mehr): Lebensmittel aller Art, Artikel für Kosmetik und Hygiene und verschiedene Gebrauchsartikel.
Die Kennzeichnungspflicht für Waren sollte eigentlich dem Verbraucher die Kaufentscheidung erleichtern, kann er sich doch mit ihrer Hilfe besser im Dschungel der zahllosen Angebote orientieren. Oder vielleicht eher nicht? Wer kennt sich schon mit den Zutatenlisten von Brot und Bodylotion aus? Was soll man unter "Emulgator Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren" oder gar "Diisopropyl Adipate" verstehen?
Hier ist ein Chemiker gefragt. Und Georg Schwedt weiß die Chemie der Supermarktprodukte so informativ wie unterhaltsam zu erklären. Zunächst befasst er sich mit dem Lebensmittelrecht und stellt die Frage, ob die Produktkennzeichnung nicht eher irrritierender als informativer Natur sei. Im Anschluss lernt der Leser die Inhaltsstoffe einiger "klassischer" Supermarktprodukte in der chronologischen Reihenfolge ihrer Nutzung kennen - vom Morgen bis zur Nacht. Morgens kann man sich mit Duschgel und mit den typischen zum Frühstück gehörenden Lebensmitteln befassen, beim vormittäglichen Einkauf zudem mit Warenkunde und Waschmitteln, mittags wird natürlich gegessen - auf Kartoffelbasis -, zum Kaffee oder Kakao am Nachmittag gibt es auch allerlei anzumerken, und abends darf man noch einmal einen kritischen Blick auf allerlei Lebensmittel werfen.
Danach könnte ein Theaterbesuch anstehen, der zur Verwendung dekorativer Kosmetik inspiriert - und vor dem Schlafengehen putzen wir natürlich mittels Supermarktprodukten die Zähne.

Es gibt eine Vielzahl von Supermarktprodukten, mit denen wir tagtäglich in Berührung kommen, und, Hand aufs Herz, die Zutatenlisten ("Ingredients") sagen uns ziemlich wenig. Das meiste klingt irgendwie übel nach Chemie, weshalb wir Speisen, Getränke und Kosmetika aus dem Supermarkt mit gebotener Skepsis oder Schicksalsergebenheit konsumieren. Falls wir uns überhaupt Gedanken darum machen, was wir da zu uns nehmen.
Georg Schwedt hat für sein Buch eine Familie konstruiert, deren Tagesablauf und Konsumverhalten der Leser verfolgt. Da sind der Familienvater Peter, Chemiker, der natürlich eine Menge erklären und nachschlagen kann, seine Frau, die Historikerin Anna, und die gemeinsame Tochter Claudia, die in die Fußstapfen des Vaters tritt, den Chemie-Leistungskurs belegt hat und um innovative Ideen nicht verlegen ist. Nicht zu vergessen Tante Emma, die vom Lande kommt und diese Bilderbuchfamilie besucht. Sie versorgt sich selbst mit Gemüse, erhält weitere landwirtschaftliche Produkte vom Erzeuger und kauft in einem kleinen Dorfladen ein.
Diese vier Personen haben eine Menge Fragen bezüglich des typischen Supermarktsortiments, deren Klärung man im Buch findet. Als spannend erweisen sich die verschiedenen Herangehensweisen der Protagonisten. Peter erläutert Sinn und Nutzen von Zusatzstoffen aus Sicht des Chemikers - so müssen zum Beispiel Konsistenz oder pH-Wert mancher Produkte durch Chemikalien gesichert werden -, Anna interessiert sich auch für geschichtliche Hintergründe, etwa die Geschichte einiger Waschmittel oder der Marke "Nivea", Claudia hinterfragt die Zutatenlisten sehr kritisch, und Tante Emma geht ziemlich unvoreingenommen an die ihr weniger vertrauten Supermarktprodukte heran.
Der Stoff wird auf diese Weise sehr attraktiv dargeboten. Hintergründe zur chemischen Funktion etlicher Inhaltsstoffe kommen ebenso zu Sprache wie die erwähnte Historie und Exkurse in die Warenkunde, wobei die Chemie nicht sonderlich tief geht. Fachkenntnisse sind daher nicht erforderlich.
Es macht Spaß, dieses informative Buch zu lesen. Eine Verteufelung der "bösen Chemie" in unseren Konsumartikeln findet nun freilich nicht statt, sofern sie nicht in Einzelfällen aus Sicht des Chemikers notwendig erscheint. Manchen Skeptiker mag es allerdings beruhigen, dass sich hinter einer Reihe der verdächtigen E-Nummern und rätselhaften Zutaten völlig natürliche Substanzen, unter anderem Provitamine, verbergen. Chemie kann durchaus mitreißend sein!