Kürbisköpfe und Küchenmesser - John Carpenters "Halloween"
Ein schwarzer Overall, eine weiße Maske, ein anhaltendes Schnaufen und ein blutiges Küchenmesser in der Hand – diese Attribute machen die Ikonografie von Michael Audrey Myers, einem der berühmtesten Serienmörder des modernen Films neben Hannibal Lecter, aus. Zusammen mit Jason Voorhees, Freddy Krueger und Leatherface bildet Myers das heilige Viergestirn des modernen Horrorkinos, das über allen anderen finstersten Gestalten steht, die die Leinwände der letzten Jahrzehnte in Blut getaucht haben – von Pinhead und Ghostface über Kannibalenpatriarch Pluto bis hin zu Mörderpuppe Chucky. Horror-Altmeister John Carpenter hat anno 1978 mit "Halloween – Die Nacht des Grauens" quasi im Alleingang das Subgenre des Slasherfilms begründet und diesem mit Michael Myers sogleich sein erstes großes Pop-Idol zur Seite gestellt.
Doch warum wurde "Halloween" zu dem filmischen Meilenstein, der es heute ist? Wie schafft es der Film heute noch, 33 Jahre nach seiner Premiere, sein Publikum in Angst und Schrecken zu versetzen? Was taugen die Sequels und Remakes, die der immense finanzielle Erfolg von "Halloween" unweigerlich mit sich brachte? Und wie sieht die Zukunft von Michael Myers aus?
"Halloween" oder Die Geschichte vom "Schwarzen Mann"In der Halloweennacht 1963 ermordet der sechsjährige Michael Myers seine Schwester Judith im Elternhaus in der idyllischen Kleinstadt Haddonfield, Illinois, mit einem Küchenmesser. Er wird in ein Sanatorium eingewiesen, wo er in die Obhut von Dr. Samuel Loomis (Donald Pleasance) gelangt. Als dieser in Michael das absolut Böse zu erkennen meint, versucht er alles in seiner Macht Stehende zu tun, damit der Junge nie wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Fünfzehn Jahre später entkommt Michael (Nick Castle) aus dem Sanatorium und kehrt an Halloween nach Haddonfield zurück. Gekleidet in einen schwarzen Overall und eine bleiche Maske tragend, beobachtet er mehrmals die jugendliche Babysitterin Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) und ihre Freunde.
Loomis folgt seinem einstigen Patienten bewaffnet nach Haddonfield, kann ihn aber vorerst nicht aufspüren. Im Schutze der hereinbrechenden Nacht beginnt Michael sein grausames Spiel und tötet Lauries Freunde der Reihe nach, bevor er sich ihr zuwendet. Laurie streckt ihren Peiniger mehrmals nieder, doch immer steht er auf, als sei nichts geschehen. In letzter Sekunde betritt Loomis den Schauplatz und erschießt Michael, der über ein Balkongeländer in den Vorgarten fällt. Als der Psychiater aber nach der Leiche sucht, ist sie verschwunden.
Bauplan des Terrors – Ein Blick auf die Funktionsweisen von "Halloween"Die Tatsache, dass "Halloween" auch heute noch diverse Listen der besten Horrorfilme aller Zeiten beehrt, ist nicht zuletzt auf Carpenters raffinierte wie effektive Spannungsdramaturgie zurückzuführen. Weder verlässt sich der Regisseur auf eine simple Abfolge plakativer Schockmomente im Zehn-Minuten-Takt, wie es die Produzenten ursprünglich im Sinn hatten, noch setzt er allein auf subtilen Schauer, der dem Zuschauer langsam ins Mark kriechen soll. Der Horror in "Halloween" erwächst vielmehr aus dem wohlkalkulierten Zusammenspiel von Schock und Suspense. Langsam baut Carpenter eine stille, unheilgeschwängerte Atmosphäre auf, um sie dann ohne Vorwarnung in jäh hervorbrechende Gewalt übergehen zu lassen.
Dieses raffinierte Spiel schlägt sich auch in den formalen Mitteln nieder, die der Film auffährt: Während ausgedehnte Plansequenzen und eine beobachtende Kamera den Stalking-Aspekt bedienen und den Zuschauer zum Mitwisser machen, lösen sich Michael Myers' brutale Angriffe in schnellen, aber nie hektisch oder kopflos wirkenden Schnittfolgen auf. Bricht der angestaute Suspense erst einmal in Gestalt eines Angriffs oder Mordes hervor, beginnt das Spiel von vorne. Das anschaulichste Beispiel dieser Spannungsdramaturgie liefert der Film gleich zu Beginn: Der Schock über den grausamen Mord, den der junge Michael – ein sechsjähriges Kind! – an seiner Schwester verübt, verstört den Zuschauer dermaßen, dass bis zum nächsten Mord rund vierzig Minuten verstreichen. Vierzig Minuten, die Carpenter einerseits für die Einführung der Charaktere nutzt, in denen aber auch gleichzeitig langsam Spannung aufgebaut wird, wenn der maskierte Michael zielstrebig durch sein beschauliches Heimatstädtchen Haddonfield streift und Laurie mehrmals beobachtet.
Der Einfluss von Alfred Hitchcock und besonders seines Meisterstücks "Psycho" ist in "Halloween" unübersehbar. Wie die Messerattacken des schizophrenen Norman Bates lösen sich Michaels Angriffe in schnellen Schnitten auf, wobei die Gewaltdarstellung in "Halloween" deutlich intensiver ausfällt als in Hitchcocks Kultfilm. Ferner dient in "Halloween" wie in "Psycho" die Exposition der Verstörung des Publikum: Während Carpenter mit dem Tabu vom Killer-Kind bricht – nicht ein geisteskranker Serienmörder, sondern ein sechsjähriger Junge begeht den Mord –, führt Hitchcock die Geld unterschlagende Marion Crane als vermeintliche Protagonistin und Sympathieträgerin ein, nur um sie nach 48 Minuten in der berühmten Duschszene sterben zu lassen. Die Rolle der blonden Sekretärin hat Hitchcock hierbei mit Janet Leigh, der Mutter von Jamie Lee Curtis, besetzt.
Die beklemmende Atmosphäre, die Carpenter in "Halloween" heraufbeschwört, wird nicht nur durch die ebenso simple wie geniale Filmmusik und insbesondere das gänsehauttaugliche Hauptthema erzeugt, sondern auch durch die Zeichnung des Antagonisten: Michael Myers ist ein stummer Psychopath, den keine moralischen Denkkategorien fesseln, er wird von Loomis als das absolut Böse beschrieben, das unter gar keinen Umständen auf die Gesellschaft losgelassen werden darf. Seine Morde lassen kein Motiv erkennen, die Auswahl seiner Opfer erscheint willkürlich (erst in der Fortsetzung wird aus Laurie Strode Michaels Schwester). Lautlos durchstreift er zu Halloween die dunklen Straßen seines idyllischen Heimatstädtchens, welches er wie ein Dämon heimsucht. Die bleiche Maske und das schwere Schnaufen unterstreichen das Unheimliche der Figur, während Michael seine potentielle Beute beobachtet. Oft muss der Zuschauer ganz genau hinschauen, um Michaels Spiegelbild in einem Fenster oder seine Silhouette hinter einem wehenden Vorhang erkennen zu können. Besiegt werden kann er nicht: Zweimal streckt Laurie ihren Peiniger nieder, zweimal steht er auf und setzt die Jagd auf sie fort. Und Loomis erschießt Michael zwar, doch als er im Garten nach seiner Leiche sucht, wird er nicht fündig. Wie das Böse in die Welt gekommen ist, interessiert Carpenter nicht. Wichtig erscheint nur, dass es nicht ausgerottet werden kann und überall gleichzeitig zu sein scheint – wie der "Schwarze Mann", für den ihn der kleine Tommy Doyle, auf den Laurie zu Halloween aufpasst, hält, als er Michael durch das Fenster auf der anderen Straßenseite erblickt.
Bei aller Kanonwürde, die "Halloween" zu Recht genießt, ist aber nicht zu übersehen, dass der Film Schwächen gerade logischer Natur aufweist. So kann Michael Myers nicht nur scheinbar mühelos einen wuchtigen Grabstein vom Friedhof in sein Elternhaus tragen, sondern auch Auto fahren, obwohl er seit seinem sechsten Lebensjahr in der Irrenanstalt zubrachte. Doch diese Logiklöcher verblassen angesichts des Terrors, den Carpenter vor dem Publikum entfaltet.
Der Fluch der Serie – Sequels, Remakes und Extended VersionsDer überraschende Erfolg, den "Halloween" an den Kinokassen verbuchen konnte, machte eine Fortsetzung unvermeidlich. "Halloween II – Das Grauen kehrt zurück" (1981), für welches John Carpenter den Regiestuhl frei machte, knüpft nahtlos an die Ereignisse des Vorgängers an: Nach Michael Myers' Attacken wird Laurie Strode ins örtliche Krankenhaus eingeliefert, während Dr. Loomis nach dem verschwundenen Maskenmörder sucht. Michael gelangt indessen ins Spital und dezimiert das Personal, bevor er sich Laurie annimmt. Von einer Mitarbeiterin des US-Gesundheitsministeriums erfährt Loomis, dass Laurie in Wahrheit Michaels jüngere Schwester ist, die nach dem Tod ihrer leiblichen Eltern von den Strodes adoptiert worden ist. Im Showdown verbrennen Loomis und Myers, Laurie wird am Morgen nach der Schreckensnacht in einem Krankenwagen weggebracht.
"Halloween II" zeichnet sich durch einen erhöhten Gewaltpegel und blutigere Szenen aus – eine Tendenz, die nahezu sämtliche nachfolgende "Halloween"-Filme kennzeichnen sollte –, kann dem Vorgänger aber trotz einiger netter Schockmomente nicht das Wasser reichen. Zwar konnte das Sequel sein Budget von rund 2,5 Millionen US-Dollar zehnfach einspielen, das Ergebnis blieb aber hinter den Erwartungen der Produzenten und dem Box-Office-Erfolg des ersten Films zurück. Während den Dreharbeiten filmte Carpenter außerdem zusätzliches Material, welches in die Fernsehfassung des Vorgängers integriert wurde, um das zweistündige Zeitfenster für eine TV-Ausstrahlung auszufüllen.
Nach dem (nur vorübergehend währenden) Tod des Michael Myers und dem bescheidenen Erfolg von "Halloween II" schloss Carpenter mit der Originalstory ab und plante nun, jedes Jahr zu Halloween eine neue Geschichte zu erzählen – mit fatalen Folgen: "Halloween III" (1982) floppte mit seiner lächerlichen Story um Roboter, okkulte Magie und tödliche Halloweenmasken, woran auch die suggestive Musik nicht das Geringste ändern konnte. So besannen sich die Produzenten auf die Originalgeschichte und holten kurzerhand sowohl Myers als auch Loomis ins Leben zurück. In "Halloween IV – Michael Myers kehrt zurück" (1988), das zehn Jahre nach dem zweiten Teil einsetzt, hat Michael das Feuer überlebt und wird als Invalide in einer psychiatrischen Anstalt unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen beaufsichtigt. Während der Überstellung in ein anderes Sanatorium gelingt Myers die Flucht nach Haddonfield. Seine Schwester Laurie ist mittlerweile gestorben, ihre Tochter Jamie lebt bei Adoptiveltern. Loomis, seit dem Feuer entstellt, erfährt von Myers' Flucht und begibt sich nach Haddonfield, um Jamie vor dem personifizierten Bösen zu retten. Am Ende fliegt Myers in einen Brunnenschacht, dieser wird zusätzlich noch gesprengt, um ganz sicher zu gehen.
Auch wenn "Halloween IV" nicht an das Original heranreicht, besticht der Film durch einen soliden Plot, eine beachtenswerte suggestive Kameraarbeit und nicht zuletzt durch ein cleveres wie überraschendes Ende. John Carpenter war an dem Film nicht beteiligt und distanzierte sich ausdrücklich von ihm – ebenso wie von den beiden darauf folgenden Sequels, die einen qualitativen Sturzflug hinlegten: In "Halloween V – Die Rache des Michael Myers" (1989) überlebt Michael den Sturz in den Brunnenschacht und kehrt ein Jahr darauf erneut nach Haddonfield zurück, um seine Nichte Jamie zu töten. Am Ende kann die Polizei mit Loomis' Hilfe Myers zwar hinter Schloss und Riegel bringen, doch eine unbekannte Gestalt erschießt die gesamte Belegschaft des Police Departments, befreit den Maskenmörder und legt so die Schiene für ein weiteres Sequel. Zwar zeigt sich Michael im mittlerweile vierten "Halloween"-Aufguss bei der Auswahl seiner Mordinstrumente kreativer denn je, dennoch kränkelt der Film an einer unausgegorenen Story und einer spannungsarmen Inszenierung und erwies sich an den Kinokassen als Flop.
Nach sechs Jahren Pause erschien das vorbereitete Sequel als "Halloween VI – Der Fluch des Michael Myers" (1995), der das personifizierte Böse mit keltischer Magie zu erklären versuchte. Die konfuse Handlung und die lahme Inszenierung machten den Film zu einem der Tiefpunkte des "Halloween"-Franchises, der besonders hierzulande floppte. Donald Pleasence verstarb während der Dreharbeiten, sodass das Drehbuch komplett ungeschrieben werden musste und mehrere Nachdrehs notwendig waren. Ein Workprint der ursprünglichen Filmfassung mit zusätzlichem Material und alternativem Ende geistert seit Jahren als "Producer's Cut" in Form von Bootlegs durch den US-amerikanischen und britischen DVD-Markt und das Internet.
Nach den Box-Office-Debakeln von "Halloween V" und "Halloween VI" versuchten die Produzenten, dem Franchise eine völlig neue Richtung zu geben. "Halloween H20" (1998) ist überdeutlich ein Kind der Slasher-Renaissance, die Wes Craven zwei Jahre zuvor mit "Scream" eingeläutet hatte: ein moderner Teenie-Schlitzerfilm mit Hang zur Selbstreferentialität, dem aber die Selbstironie und das augenzwinkernde Moment von Cravens Genre-Persiflage fehlt. Stattdessen geht "H20", der die Teile IV-VI ignoriert und zwanzig Jahre nach "Halloween II" einsetzt, lieber auf Nummer sicher und setzt auf altbewährte Muster. Nach zwei Jahrzehnten kehrt Jamie Lee Curtis in ihrer Rolle der Laurie Strode – nun Mutter und Internatsleiterin – auf die Leinwand zurück und stellt sich ihrem dämonischen Bruder. "H20" lässt trotz der Mitarbeit von "Scream"-Autor Kevin Williamson frische Ideen vermissen, die wohldosierte Gewaltdarstellung und Curtis' Performance hoben den Film aber zumindest von den beiden blamablen Vorgängern ab. Regie führte übrigens Steve Miner, der bereits die ersten beiden "Friday the 13th"-Sequels (das zweite in 3D) inszenierte.
Ursprünglich hätte mit "H20" das Kapitel "Halloween" abgeschlossen werden sollen, doch der kommerzielle Erfolg des siebten "Halloween"-Films und die Aussage von Produzent Moustapha Akkad, er werde, solange er lebe, Filme über Michael Myers drehen, sprachen eine andere Sprache. In "Halloween: Resurrection" (2002) wird aus einem live ins Internet übertragenen Halloween-Happening in Myers' Geburtshaus ein Gemetzel, als der tot geglaubte Maskenmörder plötzlich auftaucht. Webcam-Bilder bringen einen "Blair Witch Project"-Look ins Spiel, doch weder stilistische Neuerungen noch beliebte Popstars (US-Rapper Busta Rhymes, Supermodel Tyra Banks) im Cast können darüber hinwegtäuschen, dass das Franchise mit "Halloween: Resurrection" einmal mehr den Bodensatz erreicht hat.
Der Flop von "Resurrection" und der Tod von Moustapha Akkad, "Halloween"-Produzent der ersten Stunde, legten vorerst das Leichentuch über Michael Myers. Am 4. Juni 2006 gab Dimension Films bekannt, dass Schockrocker Rob Zombie, der sich in Genre-Kreisen bereits mit "House of 1000 Corpses" und "The Devil's Rejects" einen Namen gemacht hat, für ein Remake von Carpenters "Halloween" verpflichtet wurde. Zombie hatte zuvor den mit ihm befreundeten Carpenter über seine Pläne informiert, die der Horror-Altmeister mit einem "Go for it, Rob. Make it your own" absegnete. Das Remake versucht, anders als das Original, Michaels Werdegang zum Serienmörder nachzuzeichnen und Gründe für seine Verwandlung zum absolut Bösen anzubieten, was von vielen Kritikern als Entmystifizierung der Figur Michael Myers ablehnt wurde. Herausgekommen ist ein recht durchwachsener Streifen, vor allem den Cast betreffend: Während Malcolm McDowell mit seiner aggressiven Neuinterpretation des Dr. Loomis überzeugt, erweisen sich für Scout Taylor-Compton die Fußstapfen ihrer Vorgängerin Jamie Lee Curtis doch als zu groß. Auch wenn das Remake (US-Kinorelease: August 2007) zu keiner Zeit an das Original heranreicht, so legt Zombie dennoch einen erstaunlich soliden Horrorfilm vor, der eindeutig zu den besseren Vertretern des "Halloween"-Franchises gehört.
Umso trauriger und ärgerlicher stimmt den Fan, was Rob Zombie daraus im Sequel "Halloween II" (2009) gemacht hat: Eine dünne, konfuse Story treibt Michael Myers auf der Suche nach seiner Schwester völlig unmotiviert von einem hässlichen und überflüssigen Blutbad zum nächsten, die Gemetzel lassen jedes Maß und Timing vermissen. Die Figur des Loomis wird vollkommen unsympathisch ausgelegt, Scout Taylor-Compton unterbietet ihre Performance aus dem Vorgänger meisterlich, das Ende mutet stark aufgesetzt an. Zombies "Halloween II" teilt das Schicksal der meisten anderen "Halloween"-Filme und ist ungeschnitten – als Kinofassung wie als Director's Cut – in deutscher Sprache lediglich in Österreich erhältlich.
"Halloween" – Geburt des Slasherfilms?Egal, ob man in renommierten Filmlexika nachschlägt oder einschlägige Internetseiten aufruft: "Halloween" wird fast einstimmig als erster "echter" Slasherfilm angepriesen. Doch wie jedes Filmgenre ist auch der "Schlitzerfilm" nicht über Nacht entstanden, sondern hat seine Vorläufer und Ahnherren. So lieferte Tobe Hooper mit seiner legendär-berüchtigten Low-Budget-Produktion "The Texas Chain Saw Massacre" bereits vier Jahre vor Carpenter die Blaupausen für ein komplettes Horror-Subgenre und nahm viele Schlüsselelemente des Slasherfilms vorweg: der maskierte Mörder, eine Gruppe Jugendliche als prototypisches Schlachtvieh, das
final girl. Von selbsternannten Sittenwächtern als obszöne Gewaltpornografie verdammt, lieferte dieser makabere texanische Heimatfilm dem Genre wichtige Impulse und formte den modernen Horrorfilm maßgeblich mit.
Als frühester Vorläufer des Slashers gilt gemeinhin der US-amerikanische Psychothriller "Thirteen Women" von 1932, der die systematischen Morde an jungen Frauen schildert und bei zeitgenössischen Kritikern auf wenig Gegenliebe stieß. Mit Alfred Hitchcocks "Psycho" und Michael Powells "Peeping Tom" (beide 1960) erklomm der Slasher eine weitere Sprosse auf der Leiter der Genre-Evolution. Beide Filme brachten nicht nur den psychisch gestörten Mörder als Hauptfigur ins Spiel, sondern setzten nebenbei auch jeweils eigene Akzente bei der Darstellung der Morde: Während der raffinierte Einsatz von Point-of-View-Shots in "Peeping Tom" den Zuschauer in die Perspektive des Täters hineinversetzt und die voyeuristischen Blicke eines Michael Myers oder Jason Voorhees quasi vorwegnimmt, beeinflussten die Spannungsdramaturgie und das kongeniale Zusammenspiel von Kamera und Schnitt in "Psycho" Carpenter maßgeblich.
Wichtige Impulse erhielt der Slasherfilm vom
Giallo, einem spezifischen italienischen Thriller-Subgenre, das seine Blütezeit in den sechziger und siebziger Jahren hatte. Besonders Mario Bavas "Im Blutrausch des Satans" (1971) und Sergio Martinos "Torso" (1973) dürfen getrost als legitime Vorläufer des modernen Slashers gesehen werden. Der Aufstieg des Splatter- und Exploitationfilms, die Entwicklung des Rape-and-Revenge-Kinos ("The Last House on the Left", 1972) in den siebziger Jahren und Hoopers texanisches Kettensägenmassaker bereiteten den Boden für "Halloween" vor. John Carpenter vereinte in seinem Low-Budget-Film nun die bereits vorhandenen Einflüsse und Motive des Horrorkinos, paarte sie mit einer durchdachten Spannungsstrategie und schuf unbeabsichtigt ein Regelwerk, an dem sich künftig nahezu jeder Slasher orientieren sollte: Eine Gruppe Teenager, von denen die meisten Alkohol, Drogen und/oder vorehelichem Sex frönen, wird von einem zumeist maskierten Killer verfolgt und schrittweise dezimiert, bevor die letzte Überlebende – das
final girl – den Mörder zur Strecke bringen kann (bei "Halloween" ist es mit Dr. Loomis noch ein Mann, der Myers erschießt).
Der überraschende Erfolg, den "Halloween" an den Kinokassen verbuchen konnte, machte die großen Hollywoodstudios auf das junge Genre aufmerksam: Für Paramount Pictures drehte Sean S. Cunningham den Überraschungserfolg "Freitag der 13." (1980), der Carpenters Film in vielerlei Hinsicht kopierte und dem Slasherfilm endgültig zum Durchbruch verhalf. In den achtziger Jahren folgten zahlreiche Filme ähnlicher Gangart, darunter "Prom Night" (1980), "Muttertag" (1980), "My Bloody Valentine" (1981) und "A Nightmare on Elm Street" (1984), dessen Antagonist Freddy Krueger zu einer neuen Genre-Kultikone avancierte. Doch bereits seit Mitte der Achtziger Jahre befand sich der Slasherfilm auf dem absteigenden Ast, was vorrangig auf zurückgehende Einnahmen an den Kinokassen, die fehlende Qualität der Epigonenflut sowie verschärfte Zensurmaßnahmen zurückzuführen war.
In den frühen neunziger Jahren galt der Slasherfilm bereits als tot, als Wes Craven mit "Scream" (1996) das Genre von Grund auf erneuerte und eine wahre Slasher-Renaissance einläutete. Gekonnt spielt Craven in "Scream" mit den eingefahrenen Genrekonventionen, legt die Funktionsmechanismen von Kultfilmen wie "Halloween" oder "Freitag der 13." mit einem Augenzwinkern frei und variiert sie. Dabei artet "Scream" aber nicht zu einer bloßen Parodie der Marke "Scary Movie" aus, sondern geht todernst an die Sache heran. Im Gefolge von "Scream" erschienen weitere kommerziell erfolgreiche Slasher wie "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" (1997) oder "Düstere Legenden" (1998). Auch in den deutschsprachigen Landen bekannten sich immer mehr Filmemacher zum Teenie-Schlitzerfilm, wie etwa Stefan Ruzowitzkys "Anatomie" (2000) oder der Austro-Slasher "In 3 Tagen bist du tot" (2006) belegen.
Das Horrorkino der Gegenwart steht klar unter dem Zeichen von Remakes und Franchise-Reboots: Rob Zombie wagte sich an eine Neuinterpretation von "Halloween" heran, Action-Spezialist Michael Bay produziert seit Jahren Remakes von 80er-Jahre-Horrorstreifen ("The Texas Chainsaw Massacre", 2003; "Freitag der 13.", 2009; "A Nightmare on Elm Street", 2010) und Frankreichs Splatter-Autorität Alexandre Aja modernisierte Cravens "The Hills Have Eyes" (2006). Der 3D-Boom, den James Camerons "Avatar" (2009) ausgelöst hat, lässt mittlerweile auch die Produzenten von Horrorfilmen nicht kalt: "Piranha" und "My Bloody Valentine" bekamen bereits 3D-Remakes spendiert und sowohl Michael Myers als auch Pinhead und Leatherface werden sich ihre Opfer künftig in der dritten Dimension zur Brust nehmen.
Die Zukunft von Michael MyersWas die Zukunft für Michael Audrey Myers bringt, ist derzeit ungewiss. Zwar hat Dimension Films den Release seines kommenden "Halloween"-Films – zeitgemäß in 3D – auf 26. Oktober 2012 angesetzt. Doch widersprüchliche Gerüchte machen im Internet die Runde: Das ursprünglich vorgesehene Director-/Writer-Couple Patrick Lussier und Todd Farmer ("My Bloody Valentine 3D", "Drive Angry") scheint nach neuestem Stand nicht mehr am "Halloween"-Projekt beteiligt zu sein, als Gründe werden ihre Mitarbeit am geplanten "Hellraiser"-Reboot sowie Meinungsverschiedenheiten mit den Produzenten genannt. Ein Cross-over mit anderen Horror-Kultikonen, wie es bereits Freddy Krueger und Jason Voorhees vorgemacht haben ("Freddy vs. Jason"), ist für Myers nicht in Sicht. Doch wie auch immer die Zukunft aussehen mag, blutig wird sie allemal sein. Denn wie Michael Myers ist scheinbar auch das "Halloween"-Franchise einfach nicht totzukriegen.
Weiterführende Links zu "Halloween":Copyright-Vermerke:
Bilder von "Halloween – Die Nacht des Grauens" © Laser Paradise
Bilder von "Halloween IV – Michael Myers kehrt zurück" © Laser Paradise
Bilder von "Halloween V – Die Rache des Michael Myers" © Laser Paradise
Bilder von "Halloween H20" © Studiocanal
Bilder von "Halloween II" © Sunfilm Entertainment