Kleine Kolumne zur Leipziger Buchmesse 2016
16. März. Anreisetag. Motivation und Vorfreude: sehr hoch.Es war soweit. Zum sechsten Mal stand die Leipziger Buchmesse auf meinem Programm. Und damit nicht gleich der erste Messetag mich so müde macht, wie der gesamte Messebesuch, reiste ich am Tag vor der Messe an. Nachdem ich in meinem ersten Jahr mit dem Auto angereist und direkt durchgefahren bin zum Messegelände, war ich von dieser Variante kuriert. An jenem Abend war ich so erledigt, dass ich mich am liebsten an den nächsten Messetagen vom Gelände ferngehalten hätte. Ich nahm mir vor, dass dies nicht wieder passieren sollte und entschied mich von da an für die entspannte Anreise einen Tag zuvor. Wer mag, kann an dem Vorabend bereits eine erste Veranstaltung im Rahmen des Leipzig liest-Programms besuchen oder sich mit Freunden treffen, die ebenfalls bereits vor Ort sind.
Denn eines ist die Leipziger Buchmesse jedes Jahr: Treffpunkt. Hier treffen sich Fachbesucher mit Verlagen, Verlage mit Lesern, Bloggern mit Autoren, Autoren mit Cosplayern ... und diese Aufzählung könnte ich mit unzähligen Aufzählungen weiterführen. Leipzig wird zu einem Tummelplatz für alle Bücherverrückten. Und dass Lesen bunt ist, zeigt sich hier an jeder Ecke. Frierende junge Frauen, die bei knapp über Null Grad eine Stunde auf dem Bahnsteig mit bloßen Beinen auf die S-Bahn ausharren unterhalten sich mit gleichgesinnten Messebesuchern in Cordhose und Wanderrucksack. Rundum eine Atmosphäre, die ich wie jedes Jahr genossen habe und die nach den turbulenten Messetagen schnell die Vorfreude aufs nächste Jahr anstachelt.
Was gab es Neues?Zuallererst natürlich neue Bücher. Bücher. Bücher. Unzählige Neuerscheinungen tummelten sich an den Ständen der Verlage. Jeder, der es liebt in neuen Büchern zu stöbern, sich durch das Programm im Buchladen um die Ecke zu blättern, sei der Besuch der Leipziger Buchmesse ans Herz zu legen. Wenn möglich, nicht unbedingt samstags, da dies erfahrungsgemäß der Tag mit den meisten Besuchern ist und sehr eng werden kann. Allerdings finden sich am Samstag auch die meisten Cosplayer ein. Für mich überwiegen die Vorteile an den anderen Tagen, das muss jedoch jeder selbst für sich herausfinden.
Am Sonntag fand in diesem Jahr die erste Bloggerkonferenz der Leipziger Buchmesse statt: blogger sessions 16. Zwar habe ich die Konferenz nicht besucht, mir aber im Nachhinein einige der Sessions angehört. Sie stehen
hier bei Voice Republic zur Verfügung und können auch ohne Registrierung angehört werden.
Neben Büchern gab es auch neue Comics und Graphic Novels. Und der Trend zu dieser Form der Literatur scheint nicht abzureißen, was mich persönlich sehr freut. Nationale und internationale Künstler signierten und zeichneten Schulter an Schulter und die Schlangen vor ihren Tischen waren oft lang.
Nachdem ich in den letzten Jahren immer wieder die Sitzgelegenheiten, beziehungsweise das Nichtvorhandensein von solchen, auf der Fantasy-Leseinsel kritisiert habe, kann ich dieses Jahr die Ausstattung dieses Leseforums nur loben. Die Bänke waren deutlich höher und es gab zahlreiche Sitzkissen. Zwar habe ich die Leseinsel in diesem Jahr nicht so häufig besucht, wie in den Vorjahren, jedoch hat mich sehr gefreut, dass die Lesungen dort noch besser besucht zu sein schienen als zuvor.
Messe-HighlightsDieser Teil der Kolumne fällt mir schwer. Denn das Highlight der Buchmesse 2015 überstrahlt immer noch alles. Der Besuch Patrick Rothfuss' in Leipzig letztes Jahr und das besondere Erlebnis ihn in der Peterskirche lesen und erleben zu können, konnte 2016 leider von keiner Veranstaltung erreicht werden. Ich hatte sehr viel Spaß auf der Messe. Habe es genossen, alte und neue Freunde und Bekannte zu treffen. Neue Bücher und Comics zu entdecken. Bekannte und unbekannte Autoren und Zeichner kennen zu lernen. Aber ein solches Highlight wie im letzten Jahr war für mich unter den tausenden Veranstaltungen nicht dabei. Meinen Spaß an der Messe hat das keineswegs getrübt. Pat Rothfuss zu toppen ist aber auch sehr schwer.
Meine Messe-EntdeckungenFast jeder Messebesucher hat irgendwann eine Tasche oder einen Beutel von einem der vielen Stände über seiner Schulter hängen. Manche tragen gar mehrere Exemplare davon in beiden Händen. Einige haben sogar Rollkoffer dabei, um gekauftes und eingesammeltes "Material" zu transportieren. Aber um diese soll es jetzt hier nicht gehen, sondern um eine ganz bestimmte Tasche aus Papier, die mir an den Messetagen immer wieder begegnet ist und sicher nicht nur mir ins Auge gestochen ist. Ich spreche von der lilafarbenen Tragetasche vom Klett Cotta-Verlag, die eine der Hobbit Presse-Neuerscheinungen zeigt: "Willkommen in Night Vale" von Joseph Fink und Jeffrey Cranor. Nicht nur die Tasche und demzufolge das Cover dieses phantastischen Romans ist ein Hingucker, auch der Text ist außergewöhnlich. Zumindest scheint es außergewöhnlich gut zu sein, denn ich konnte mich nur schwer von den Seiten losreißen, als ich am Tage der Rückfahrt am heimatlichen Bahnhof angekommen war.
"Willkommen in Night Vale" liest sich wie papiergewordenes Twin Peaks. Skurril. Anspruchsvoll. Verwirrend. Mir gefällt es bisher sehr gut. Zudem ist es ausdrücklich von Patrick Rothfuss empfohlen worden, was es mir unmöglich machte dem Roman zu widerstehen.
Ausmalbücher sind ein – nicht mehr ganz so – neuer Trend und waren in Vielzahl an den Ständen zu sehen. Zwei waren darunter, die mir besonders gut gefallen haben. Eines aufgrund der schieren Übergröße (
"Das größte Zencolor-Buch" von Ursula Schwab, erschienen bei TOPP). Eines aufgrund der witzigen Motive mit vielen kleinen Wesen und Monstern und Wimmelbildcharakter (
"Anomorphia. Phantastische Tiermotive" von Kerby Rosanes, erschienen im Fischer Verlag).
Mit Begeisterung habe ich die
Neuausgabe von "Berlinoir" entdeckt. Dieser von Reinhard Kleist und Tobias O. Meißner in gemeinsamer Arbeit entstandene Comic ist in neu kolorierter Gesamtausgabe mit neuem Lettering bei Carlsen im Hardcover erschienen. Der Zufall erlaubte es, dass der Zeitpunkt der Entdeckung genau mit dem Termin zusammen fiel, an dem Reinhard Kleist am Stand signierte und zeichnete. Damit entstand eines der Kunstwerke, die ich von der Messe in diesem Jahr mit nach Hause nehmen durfte.
NachwirkungenDie Leipziger Buchmesse wirkt nach. Sie inspiriert. Lässt die Wunschliste explodieren und stachelt die Lese- und Schreiblust an. Wie jedes Jahr. Und obwohl ich dieses Jahr nach der Messe erneut froh war, keine Menschenmassen mehr um mich zu haben, beginnt so langsam das Messe-Fieber 2017 und die Vorfreude auf das nächste Mal. Vielleicht tröste ich mich im Oktober mit dem Frankfurter Äquivalent – auch wenn dieses mit dem Lesefest in Leipzig keineswegs vergleichbar ist.