Media-Mania.de: Guten Tag, Herr Schuhbeck. Vor Kurzem ist Ihr Buch "Meine Küchengeheimnisse" bei Zabert Sandmann erschienen. An wen richtet es sich?Alfons Schuhbeck: Ich habe jetzt dreißig Kochbücher gemacht, da sucht man natürlich schon nach neuen Ideen. Bei diesem Buch gehe ich etwas tiefer in die Materie: Wenn ich eine Suppe mache, was ist dabei wichtig? Auf was muss der Endverbraucher achten, damit das Gericht gelingt? Diesen Part haben wir etwas herausgenommen und beschrieben, auch die einzelnen Arbeitsschritte. Denn oft liest man ein Rezept und hakt im Kopf die Schritte nacheinander ab, dann will man es nachkochen, und man denkt sich: Zefix, was meint der eigentlich damit?
Hier sind die Schritte noch einmal kurz beschrieben, und das Wichtigste aus der Rezeptur wird als "Küchengeheimnis" gesondert dargestellt. Also zum Beispiel beim Braten – wie brät man so, dass das Fleisch innen saftig ist und außen kross. Das kann man in der eigentlichen Rezeptur so nicht darstellen, da steht, dass man kurz anbraten soll, dann umdrehen und danach in den Ofen schieben. In den "Küchengeheimnissen" schlüssle ich das auf.
Media-Mania.de: Beschreiben Sie dann auch jeden Schritt selbst? Denn Sie sind ja ein Profi – können Sie sich nach so vielen Jahren noch in den Laien hineindenken, der das Buch letztlich nutzen wird?Alfons Schuhbeck: Ich habe seit 22 Jahren eine Angestellte, die bei mir gelernt hat und die ich auch ins "Tantris" und all diese guten Restaurants geschickt habe. Und als sie zurückkam, sagte ich zu ihr: "Pass auf, ich diktiere dir alles, und du schreibst es auf." Denn Frauen können sich einfach besser artikulieren.
Dann kocht einer es nach, der kochen kann, zu dem sagen wir: "Nicht tricksen, einfach sauber nach dem Rezept arbeiten." Und zum anderen nehmen wir jemanden, der überhaupt nicht kochen kann – damit ich feststellen kann, wie das Buch bei jemandem ankommt, der gar keine Ahnung hat. Der stellt dann auch Fragen, wie eine Formulierung gemeint ist, und so wissen wir, was wir ein bisschen anders schreiben müssen. Nach jedem Buch müssen wir den, der nicht kochen konnte, auswechseln, denn hinterher kann er's ja [schmunzelt].
Media-Mania.de: Aus dem Vorwort geht hervor, dass Sie mit dem, was Sie bisher gemacht haben, noch nicht ganz zufrieden sind. Das war für mich etwas schwer verständlich, da Sie ja auch ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann sind.Alfons Schuhbeck: Man ist doch nie zufrieden mit dem, was man macht – wenn man erst mal zufrieden ist, hört man doch auf. Man braucht dieses Kribbeln bei einer neuen Idee, wie eben bei diesem Buch, das tiefer geht, das, wie wir es im Titel nennen, "Küchengeheimnisse" verrät. Wir haben diesmal auch witzige Gerichte hineingenommen, zum Beispiel Seeteufel in Kartoffelbanderole, das ist außen ganz kross und innen zart und saftig. Nach dreißig Kochbüchern wird's natürlich allmählich dünn, denn wir haben ja nur zehn bis zwanzig Produkte, die ich jedes Mal mit etwas anderem kombinieren muss, und das sollte nicht zwanghaft ausgefallen sein. Es gibt da Idealkombinationen. Manchmal lese ich Kochbücher, da sehe ich Kombinationen und denke mir schon: Der Koch muss einen eigenartigen Geschmack haben. Ich mag immer Dinge, die sich mögen! Sie können einfach gestrickt sein, aber sie passen zusammen. Je mehr ich zusammenfüge, desto schwieriger wird es.
Das gilt auch für Gewürzmischungen. Wenn Sie die machen, müssen Sie etwas von den Gewürzen verstehen: Welches kann mit welchem anderen, welche gehören nicht zusammen, weil sie sich gegenseitig aufheben? So ist es auch mit den Gerichten: Ich muss mich immer fragen, wie man mit wenigen Dingen, die auch bezahlbar sind, ein gutes Gericht kochen kann. Denn ich kann ja nicht davon ausgehen, dass der Leser jeden Tag auf den Münchner Viktualienmarkt gehen kann, sondern er ist in Castrop-Rauxel oder Buxtehude, hat einen Spar-Markt oder dergleichen vor sich und muss einkaufen. Also muss das Kochbuch breit angelegt sein.
Media-Mania.de: Diesbezüglich würden wir gern noch einmal "nachhaken": Sie würden Ihre Leser also auch in den Supermarkt schicken und nicht unbedingt auf den Markt?Alfons Schuhbeck: Der Supermarkt muss das hergeben. Und allmählich entwickeln sich die Supermärkte ja schon fast zu Feinkostgeschäften. Wenn ich mir zum Beispiel Edeka und Rewe ansehe, so wie ich sie in München kenne, muss man wirklich nicht mehr ins Feinkostgeschäft gehen. Die haben alles, was man braucht, denn natürlich orientieren sie sich auch am Kunden.
Media-Mania.de: Wie erklären Sie sich den Erfolg Ihrer Kochbücher, gerade auch, was die Gewürze betrifft, auf die Sie ja bereits kurz eingingen, und wozu Sie ein eigenes Buch geschrieben haben?Alfons Schuhbeck: Was die Gewürze angeht, habe ich wohl nur etwas angeregt, was einen viel tieferen Hintergrund hat. Ich arbeite an diesem Gewürzwissen natürlich weiter, denn ich möchte gern ein paar tausend Jahre zurückgehen, um den Lesern zu sagen, was man damals schon gewusst hat; diese Rezepte sind ja in Vergessenheit geraten. Aber früher hat man nicht einfach etwas zusammengeworfen, sondern man wusste um die Wirkungen: Bis zum 16. Jahrhundert waren Gewürze Medizin. Dann fiel dieses Wissen aber an die Pharmazie, und ein bisschen ist es in der Klostermedizin geblieben, die dieses Kräuter- und Gewürzwissen gespeichert hat.
Die Klöster schöpften auch aus dem arabischen Wissen, dem Fundus an Wissen schlechthin im Mittelalter; Europa befand sich damals in einem tiefen Loch, und die Araber entwickelten sich enorm. Es gab zum Beispiel um die Jahrtausendwende den Arzt Avicenna, der das Wissen des Hippokrates, der 460 v. Chr. gelebt hat, und des Galenus von Pergamon, Galen genannt, kannte. Das Wissen dieser zeitlich recht weit auseinander liegenden Persönlichkeiten hat er ins Arabische übersetzt und sein eigenes Wissen – er war am persischen Hof tätig – hinzugenommen. Avicennas Schriften waren bis zum 17. Jahrhundert das Nachschlagewerk für jeden Mediziner. Was auch nicht bekannt ist: Hildegard von Bingen hatte sehr viel Wissen von arabischer Seite und war keineswegs auf Dinkel beschränkt, wie ihr immer angedichtet wird. Sie verstand enorm viel von Kräutern und Gewürzen. Diese gab sie allerdings nicht zu den Speisen, sondern verwendete sie unmittelbar zum Heilen.
Wir aber denken vor allem ans "gut Schmecken", und wenn es gut schmeckt, soll es möglichst auch noch gesund sein. Das ist meine Aufgabe.
Media-Mania.de: Das Thema lag also gewissermaßen in der Luft?Alfons Schuhbeck: Eigentlich sollte ich das Gewürze-Buch schon vor zwei Jahren bringen, und dagegen habe ich mich gewehrt. Denn ich habe einmal ein Buch gemacht über Tapas, das habe ich zehn Jahre zu früh gebracht, und das hat damals keinen interessiert.
So habe ich lange gezögert, mir aber gedacht, dass ich jetzt darangehen muss, weil das mit dem Gewürzladen sonst auch nicht mehr funktioniert. Und es hat wirklich eingeschlagen – fast vierhunderttausend Stück sind verkauft. Aber erst jetzt beginne ich richtig in diese Welt einzusteigen.
Media-Mania.de: Sie gehen eigentlich immer schon sehr selbstverständlich mit Gewürzen um, auch mit alten einheimischen Gewürzpflanzen und nicht nur exotischen. Sind Ihnen diese von der Kindheit her schon vertraut – hat also die Mutter sie regelmäßig auf den Tisch gebracht -, oder haben Sie das alles erst nach und nach gelernt?Alfons Schuhbeck: Die Mutter hat das unbewusst auf den Tisch gebracht, ohne dass ich es wahrgenommen habe. Sie kam von einem Bauernhof, da war es normal, dass man zu Schweinebraten, Ente oder Gans Selleriesalat aß. Wenn man sie nach dem Grund dafür gefragt hätte, hätte sie das nicht beantworten können. Heute wissen wir, dass Sellerie einen Faserstoff besitzt, der Nahrungsfette bindet, wie auch Kraut. Man hat das intuitiv richtig gemacht – wenn man den Krautsalat hinterher isst, dann ist das Fett schon verstoffwechselt.
Diese Kenntnisse sind verloren gegangen. Ich habe immer schon gern an der regionalen Küche gefeilt mit Gewürzen, habe auch gern Gewürze gemischt, konnte sie aber nicht einsetzen, weil sie einfach nicht zur regionalen Küche passten.
Als ich nach München kam, habe ich gleich einen Gewürzladen eröffnet, denn überall, wo ich war, in Paris, London, New York, habe ich vergeblich nach einem Gewürzladen gesucht, wie ich ihn gern gehabt hätte. Da standen nur Gewürze in Dosen herum. Was fehlte, war, dass der Gast die Gewürze sehen und riechen und vielleicht nur zwanzig Gramm kaufen konnte. Ich habe nicht die klassischen Gefäße genommen, sondern Weißblechdosen mit Aromadeckel und noch einem weiteren Deckel, damit die Gewürze nicht ausrauchen.
Gewürze sind ja etwas Gesundes. Wer richtig würzt, wird manche Krankheit nie erfahren. Gewürze sind von allen Lebensmitteln die besten Radikalfänger, und jeder weiß, dass freie Radikale es sind, die uns letztlich auf den OP-Tisch bringen, weil der Körper von ihnen regelrecht angefressen wird. Zellen werden verletzt, der Alterungsprozess wird beschleunigt.
Koriander etwa ist als Radikalfänger zwölfmal stärker als Ascorbinsäure, die Nelke hundertmal stärker.
Na gut, wir kommen vom Thema ab …
Media-Mania.de: Aber diese neue Wendung ist auch sehr interessant, denn jeder würzt, macht sich aber keine Gedanken zur Wirkung der verschiedenen Gewürze über die geschmackliche Komponente hinaus, wie Sie ja auch sagten.Alfons Schuhbeck: Zum Beispiel kombinieren die Asiaten seit zweitausend Jahren Knoblauch und Ingwer. Der Ingwer verhindert nämlich zu neunzig Prozent, dass man nach Knoblauch riecht. Und die antioxidative, also die medizinische Wirkung von beiden Gewürzen geht um fünfzig Prozent nach oben. Einzeln sind Gewürze ganz gut, in der Kombination sind sie wesentlich stärker.
Als letztes Beispiel die Gelbwurz: Schon vor dreitausend Jahren gaben die ayurvedischen Ärzte sie bei Magen- und Darmentzündungen. Heute weiß man, dass die Gelbwurz einen Stoff namens Kukurmin enthält, den man bei Dickdarmkrebs verwendet. Die Shaolin-Mönche wie die buddhistischen Mönche färben heute noch ihre Kutten mit Kurkuma, weil Kurkuma ein starker Bakterienkiller ist. Allerdings geht Kurkuma kaum ins Blut. Wenn man es aber mit schwarzem Pfeffer kombiniert, sorgt der darin enthaltene Stoff namens Piperin für eine zweitausendmal bessere Resorbierbarkeit, und Kurkuma kann auch zur Leberentgiftung, als Blutzucker- und Cholesterinsenker eingesetzt werden.
Vor tausenden Jahren hat man die Wirkung solcher Kombinationen vermutlich zufällig herausgefunden – einer nahm Pfeffer und wurde gesund, der andere nahm ihn nicht und blieb krank; das hat man wohl beobachtet.
Leider geht Wissen schnell verloren. Vor 250 Jahren zeigte ein Schiffsarzt namens James Lind, dass Zitrusfrüchte gegen die berüchtigte Seefahrerkrankheit Skorbut helfen. Im Ersten Weltkrieg starben Soldaten an Skorbut, weil man nicht mehr wusste, wie man ihn behandeln kann.
Media-Mania.de: Und was ist in nächster Zeit an Büchern vorgesehen?Alfons Schuhbeck: Demnächst bringe ich ein Buch über Omega-3-Fettsäuren heraus. Die meisten Leute wissen gar nichts über deren Bedeutung. In der Bundesrepublik sind Herzinfarkt und Schlaganfall die Todesursache Nummer 1, und wer die erleidet, hatte einen ganz geringen Omega-3-Fettsäure-Wert. Die Omega-3-Fettsäuren erhöhen die Fließfähigkeit des Blutes und sorgen dafür, dass es nicht verklumpt; sie holen das LDL-Cholesterin aus den Zellwänden und erhöhen den HDL-Anteil und müssen Bestandteil einer herzgesunden Ernährung sein.
Ich arbeite 19 Stunden am Tag und nehme nur zwei Dinge: Ingwer und Omega-3-Fettsäuren in Form von Leinöl. Das enthält die Alpha-Linolensäure. Ich habe mir ein Öl machen lassen, das ich im Internet verkaufe – der Handel will es nicht -, das 49,3 % Leinöl enthält. Darin sind auch 25 % Arganöl, das die Marokkaner gegen Neurodermitis und Schuppenflechte verwenden, der Rest ist Traubenkernöl, denn das enthält sehr viel Vitamin E, ein Antioxidans, das die Omega-3-Fettsäuren schützt.
Media-Mania.de: Der Koch als Mediziner?Alfons Schuhbeck: [Schmunzelt] Nein, ich arbeite zusammen mit zwei Professoren, einem Ernährungswissenschaftler Rechts der Isar und einem, der sich mit Krebs befasst; ich mache Kochkurse für Leute, die keinen Magen und keine Bauchspeicheldrüse mehr haben, und ich arbeite zusammen mit einem Immunologen und einem Kardiologen, seit Neustem auch mit einem Wissenschaftler von der Uni Würzburg, der sich mit den Gewürzen und Kräutern befasst.
Man muss sich da wirklich einklinken, um etwas zu erfahren. Und die Leute müssen sich gesünder ernähren. Einfach über Tabletten geht das nicht, das führt zu Resistenz. Eine gesunde Ernährung kann manchen Schnitt vermeiden. Man fühlt sich besser, und man ist nicht abhängig von Tabletten – wenn man da eine vergisst, ist der Teufel los … Wer will das schon.
Media-Mania.de: Besten Dank für das Interview!Alfons Schuhbeck: Dankeschön.
Das Interview wurde von Vera Schott und Regina Károlyi auf der Frankfurter Buchmesse am Stand des Verlags Zabert Sandmann geführt. Zur Rezension "
Meine Küchengeheimnisse"
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Meine Küche der Gewürze"