Guten Tag, Herr Beck!
Durch Ihre Lesung zu "Harry Potter und der Stein der Weisen" sind Sie praktisch über Nacht zu einem der beliebtesten deutschen Hörbuchsprecher geworden. Dass die Lesung zu "Harry Potter" so großen Anklang finden würde, hatte auch der Verlag bei weitem nicht erwartet. Wie haben Sie selbst auf diesen überraschenden Erfolg reagiert?Erfolg betrachte ich immer als ein Geschenk, es müssen so viele Komponenten zusammenkommen, damit eine künstlerische Arbeit Zuspruch erhält, Ort, Zeit, Thema und natürlich die eigene Leistung müssen da stimmen. Erfolg ist nicht planbar, ich kann nur versuchen, immer das Beste von mir in eine Arbeit zu werfen, daher mein Motto auf meiner Website
www.rufusbeck.de "100% sind Minimum?.
Hörbuchsprecher zu sein ist ja nun kein alltäglicher Beruf. Wie kamen Sie dazu, Hörbücher zu lesen? Und wie kam es im Speziellen zu dem Angebot, Sie als Sprecher für "Harry Potter" zu engagieren?Normalerweise arbeitet man als Schauspieler, sofern man Zeit hat und in den größeren Städten mit Rundfunkanstalten lebt, in Features und Hörspielen mit. Bevor ich für "Harry Potter? angefragt wurde, gab es schon einige Hörspiele von mir als Hörbücher zu kaufen und ich hatte für den Kinderfunk einiges gemacht. Ich hatte in den neunziger Jahren ja auch einige größere Erfolge sowohl im Kino, im Theater als auch im Showbusiness ("Bewegter Mann?, "Räuber?, "Tabaluga?), so dass der "Hörverlag? sich von einer Zusammenarbeit mit mir viel versprach.
Sie bekommen mittlerweile sicherlich zahlreiche Angebote. Anhand welcher Kriterien wählen Sie aus, ob Sie eines davon annehmen oder nicht?Ganz einfach. Interessiert es mich oder nicht? Ist der Stoff geeignet, um ihn akustisch umzusetzen?
Gibt es ein Genre, das Sie besonders gerne (vor-)lesen? Wenn ja, warum?Ich mache gerne Stoffe, die man gemeinhin als Familienunterhaltung bezeichnen könnte, also Geschichten, die sowohl von größeren Kindern als auch Erwachsenen gehört werden können.
Oft wird ja behauptet, dass Hörbücher nur etwas für faule Leser seien und man besser das Buch lesen sollte. Dennoch gewinnt das Medium Hörbuch vor allem in jüngster Vergangenheit immer mehr an Beliebtheit. Wie denken Sie darüber? Hören Sie in Ihrer Freizeit selbst gerne einmal ein Hörbuch?Ich höre sehr gerne Hörbücher, da ich ja viel unterwegs bin. Am liebsten höre ich im Auto oder beim Spazierengehen.
Hörbücher sind aber nicht für Lesfaule, das ist ein dummes Vorurteil. Hörbücher sind für mich wie Kino für die Ohren und dürfen nie nur gelesen werden, denn das kann jeder für sich alleine im stillen Kämmerchen. Deswegen kauft sich niemand ein Hörbuch. Immer geht es um die Interpretation des Stoffes und der Figuren durch den Künstler, bis im Kopf des Zuhörers Bilder entstehen. Der Künstler ist immer ein Zauberer, der das Publikum verführen will. Dafür braucht er Phantasie, Technik, Fleiß, Hingabe und künstlerische Überzeugungskraft.
Erst vor kurzem haben Sie die Aufnahmen zu "Harry Potter und der Halbblutprinz" abgeschlossen (Erscheinungsdatum: 17. Februar 2006), über die Sie in einem Journal Buch führten (einzusehen unter www.hoerverlag.de). Dennoch meine Frage: Wie empfanden Sie selbst die Aufnahmen zu diesem sechsten Band um Harry Potter?Als großes Glück und Spaß. Ich habe mich jetzt so viele Jahre mit Harry Potter beschäftigen können. Ich glaube, dass meine Arbeit bei jedem neuen Band besser wird, ich noch genauer differenziere, noch leichter und ökonomischer interpretiere. Aber bei allem steht der spontane Spaß, die Lust am Spielen im Vordergrund.
Haben Sie Joanne K. Rowling, die Autorin von "Harry Potter", schon einmal kennen gelernt? Wenn ja, gab es von ihrer Seite aus irgendwelche Tipps oder Hinweise für verschiedene Figuren? Charakterzüge beispielsweise, die die Autorin zwar im Hinterkopf hat, die aber aus Platzgründen nie in den Büchern erwähnt werden?Ich kenne Joanne Rowling. Tipps hatte und konnte sie mir nicht geben. Ich hatte bei unserem ersten Treffen schon zwei Hörbücher aufgenommen.
Aber sie war erstaunt, was man aus ihrem Text alles herausholen kann. In der englischen und amerikanischen Audioversion wird ja eher gelesen als "gespielt?.
Man sagt Ihnen nach, dass Sie auf tausend verschiedene Stimmen zurückgreifen können. Wie haben Sie eine solche Stimmenvielfalt entwickelt?Keine Ahnung. Gottesgeschenk, das ich erst spät entdeckte. Es gibt ja Menschen, die sind "fotogen? oder "telegen?, ich bin anscheinend "audiogen?. Meine Stimme kommt durch das Mikrophon ganz anders herüber als meine Naturstimme.
Sie lesen ja auch Ihren Kindern vor - geben diese Ihnen ab und an auch mal Tipps, wie eine bestimmte Figur klingen sollte, oder verlassen sie sich dabei ganz auf das Können ihres Vaters?Meine Kids empfehlen mir Bücher, die ich als Hörbücher produzieren soll. Und meistens hatten sie den richtigen Riecher für Erfolg versprechende Stoffe.
Normalerweise sind Sie es gewohnt, auch bei Studioaufnahmen so zu lesen, als sei es ein Live-Vortrag, also keine Passagen zu überspringen, die dann später im Schnitt zusammengefügt werden. Ist der ständige Wechsel zwischen verschiedenen Stimmfärbungen nicht sehr anstrengend und Kräfte zehrend?Studio und Livebühne unterscheiden sich fast nicht. Natürlich werden meine Versprecher bei der Aufnahme später im Schnitt verbessert. Aber die Arbeit im Studio ist wie eine Liveperformance.
Bei der Arbeit zu Harry Potter VI sind Sie von dieser Methodik abgewichen und haben Abschnitte mit Horace Slughorn zunächst weggelassen. War diese Figur ein besonders schwieriger Charakter? Oder brauchte er einfach noch Zeit, sich in Ihrem Inneren zu entwickeln?Das stimmt, dass ich zum ersten Mal von einer chronologischen Reihenfolge der Aufnahme abgewichen bin, da mir der Charakter einer Figur nicht ganz klar war und ich mir dafür Zeit gelassen habe. Dieser Horace Slughorn ist eine zwielichtige Figur. Ist er sympathisch? Ist ihm zu trauen? Ich musste mir erst über seine Persönlichkeit klar werden, um dann das entsprechende sprachliche Idiom zu finden.
Im Verlag "Hörbuch Hamburg" gibt es eine Hörbuch-Reihe mit dem Titel "Edition Rufus Beck". Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit mit dem Verlag und zur Entstehung Ihrer eigenen Edition?Für Hörbuch Hamburg habe ich viele Produktionen gemacht, es hat sich angeboten, sich an dem Verlag zu beteiligen und mir eine Plattform zur Verfügung zu stellen, wo ich meine Vorstellungen von Hörbüchern adäquat umsetzen kann.
Können Sie uns schon Näheres über Hörbuch-Produktionen verraten, an denen Sie zurzeit arbeiten? Worauf darf der Hörer gespannt sein?Neue Produktionen sind: Von René Goscinny "Der Kleine Nick spielt Fußball?, von John Irving "Bis ich dich finde?, von Lemony Snicket "Der finstere Fels? und zusammen mit Hans Zischler "Heine Gedichte?. Aktuelles finden Sie aber auf meiner Website
www.rufusbeck.de.
Vielen Dank für das Interview, Herr Beck! Ich wünsche Ihnen sowohl für Ihre berufliche Karriere als auch Ihr Privatleben noch viel Erfolg in der Zukunft!