Media-Mania.de: Guten Tag Frau Graser, erst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Sie waren 15 Monate in der Antarktis. Was war für Sie der schönste Moment in dieser Zeit?
Nora Graser: Das ist immer eine schwierige Frage. Natürlich ist die Natur und alles drumherum unheimlich beeindruckend, aber es gab auch sehr viele schöne Momente mit der Gruppe. Ich könnte nun nicht einen speziellen Moment als den schönsten herausstellen, sondern eigentlich war es die Gesamterfahrung.
Media-Mania.de: Sie haben in Ihrem Buch ausgiebig geschrieben, welche Angst Sie hatten, beim Packen für das Abenteuer Antarktis etwas zu vergessen. Wenn Sie Ihren Nachfolgern einen Tipp geben sollten: Was braucht man unbedingt in der Antarktis und was sollte man eher zu Hause lassen?
Nora Graser: Das ist individuell unterschiedlich. Im Nachhinein ist das natürlich immer schwierig festzustellen. Ich hätte wahrscheinlich noch ein paar Dinge mitgenommen, die ich besonders gern habe. Zum Beispiel ganz spezielle Süßigkeiten hätte ich vielleicht noch mitgenommen. Sonst weiß ich nicht, ich habe eigentlich nichts vermisst. Ich hatte eher zuviel dabei, da ich Angst hatte, etwas zu vergessen. Man sollte Sachen mitnehmen, womit man sich beschäftigen kann. Zum Beispiel eine neue Sprache zum Lernen oder sowas.
Media-Mania.de: Als Sie wieder nach Hause kamen, gab es dann beim Koffer-Auspacken etwas, wovon Sie gesagt haben: "Das habe ich die letzten Monate überhaupt nicht gesehen."?
Nora Graser: Ja, genug Bücher. Die hatte ich zwar ins Regal gestellt, aber ich habe nicht alle gelesen.
Media-Mania.de: Sie beschreiben in dem Buch auch offen und ehrlich, dass es für Sie Momente gab, in denen Sie am liebsten alles hingeworfen hätten und Kleinigkeiten Sie genervt haben. Wie haben Sie sich in diesem Momenten wieder aufgemuntert, weiter zu machen?
Nora Graser: Ich war mir immer bewusst, dass man zu Hause genau dieselben Probleme hat. Da hat man auch Phasen, in denen man einfach keine Lust hat und dann macht man ja auch weiter. Ich habe nie gedacht, dass ich nun überhaupt keine Lust mehr habe und alles hinwerfe. Man weiß ja, dass diese Phasen vorbeigehen und man dann wieder in den normalen Trott reinkommt.
Media-Mania.de: Während Ihrer Zeit in der Antarktis haben Sie zusammen mit Ihren Kollegen an einer Langzeitstudie über Menschen, die in Isolation leben, teilgenommen. Können Sie uns über die Studie berichten?
Nora Graser: Da weiß ich gar nicht so genau, was dabei herausgekommen ist. Das waren immer Gewichtskontrollen und Untersuchungen des Blutbilds. Es gibt angeblich Veränderungen. Jetzt bei uns haben beispielsweise mehrere Leute etwas zugenommen im Winter und im Frühjahr wieder abgenommen, aber ich weiß jetzt nicht, ob das wirklich relevant ist. (lacht)
Media-Mania.de: Wie würden Sie einschätzen, dass die 15 Monate Sie persönlich verändert haben?
Nora Graser: Vom Grundwesen her habe ich mich nicht verändert, aber ich bin ein bisschen ruhiger geworden. Man ist zufrieden mit dem, was man hat und nicht immer denkt, man müsse mehr haben, oder ich bin jetzt mit etwas unzufrieden, was überhaupt keine Rolle spielt.
Media-Mania.de: Welche Eigenschaften sollte man Ihrer Meinung nach mitbringen, um in der Antarktis überwintern zu können?
Nora Graser: Ich bin der Meinung, man muss einfach nur flexibel und tolerant sein und vielleicht nicht unbedingt irgendwelche ganz schrecklichen Macken haben. Aber im Grunde genommen, wenn man immer die anderen so akzeptiert wie sie sind, dann ist das als Gruppe kein Problem.
Media-Mania.de: Sie hatten ja auch Regeln, wie nahe man beispielsweise an Tiere herankommen durfte. Auf der anderen Seite beschreiben Sie am Ende des Buches, wie zwei Pinguine zu Besuch auf die Station kamen. Wie, denken Sie, verändert so etwas die Tiere?
Nora Graser: Das sind natürlich nur ganz wenige Tiere, die da mal hoch kommen und ich denke eigentlich nicht, dass es sie verändert, da wir genügend Abstand halten. Die Tiere sind normalerweise auf Meereis und die Station ist auf Schelfeis, also die müssen erst einmal da hoch kommen und das ist eine ziemlich weite Strecke, die die Tiere zurücklegen müssen. Somit ist es eher sehr selten, dass sie zu Besuch kommen. Die Tiere sind natürlich aber auch neugierig, denn im Normalfall ist dort ja nichts außer weiß und plötzlich stehen da drei Container herum. Dann gehen sie natürlich auch mal schauen, was dort ist. Aber insgesamt kommen vielleicht zehn von etwa 5000 Tieren, die in einer Kolonie sind, mal vorbei. Die schauen und gehen dann auch wieder, ich denke, das ist nicht weiter tragisch.
Media-Mania.de: Die Station ist auf Schelfeis. Das treibt ja immer gen Norden. Was bedeutet das denn für die Station?
Nora Graser: Die Station bewegt sich quasi mit dem Eis in Richtung Norden und sie liegt nun schon relativ weit unter dem Eis. Es wird nun auch an einer neuen Station gebaut. Die Röhren der alten Station unter dem Eis sind auch schon deformiert und ein bisschen zusammengequetscht. Im Grunde genommen bedeutet es keine Gefahr für die Station und es dauert auch noch viele Jahrzehnte, bis diese dann vorne quasi ins Meer fällt.
Media-Mania.de: Welche Vorteile hat denn die Positionierung der Station im Schelfeis? Dem Laien erscheint es ja eigentlich sinnvoller, eine Station auf Stein zu bauen, wie es von anderen Ländern betrieben wurde.
Nora Graser: Ich weiß gar nicht genau, warum die Station ursprünglich dahin gebaut wurde. Es gibt da immer solche Gerüchte, dass es damals einfach am günstigsten war, sie dorthin zu bauen. In dem Umfeld, in dem die Station liegt, ist auch nur sehr wenig freier Fels, wo man sie hätte errichten können. Genau weiß ich es jedoch leider nicht.
Media-Mania.de: Die ganze Welt spricht von der Erderwärmung. Wie wirkt sich das auf die Antarktis aus und welche Anzeichen gab es dafür in der Zeit, in der Sie dort waren?
Nora Graser: Ich bin natürlich kein Klimaforscher, deswegen halte ich mich in dem Bereich immer sehr bedeckt. In der Antarktis ist es so, dass man unterscheiden muss zwischen der Halbinsel und dem Kontinent. Die Neumayer-Station liegt ja eigentlich auf dem Kontinent und bei den Messungen, die unsere Meterologin gemacht hat, und bei denen, die im letzten Jahr durchgeführt wurden, ist eigentlich kein Temperaturanstieg zu vermerken, allerdings gab es an der Halbinsel solche Messungen, wo es sehr stark zu sehen war.
Media-Mania.de: Ihre Gruppe wurde im Endeffekt zusammengewürfelt. Sie sind zusammen mit acht anderen Forschern in die Antarktis gereist, um zu überwintern. Wie ist denn nun der Kontakt zu den anderen?
Nora Graser: Sehr gut. Wir treffen uns wahrscheinlich in zwei Wochen wieder einmal und auch so sind nun vier von uns in Bremerhaven. Die meisten sind in Norddeutschland und da trifft man sich sehr oft, telefoniert und so weiter.
Media-Mania.de: Was hat Sie dazu bewegt, dieses Buch zu schreiben?
Nora Graser: Das war eigentlich mehr oder weniger ein Zufall. Ich habe eine Kolumne in der Süddeutschen Zeitung geschrieben und wurde dann gefragt, ob ich ein Buch darüber schreiben möchte. Ich habe mich darüber natürlich sehr gefreut, mal so etwas machen zu können und zu dürfen. Es hat mir dann auch sehr viel Spaß gemacht.
Media-Mania.de: Wie geht es nun für Sie nach der Antarktis weiter?
Nora Graser: Also ich bin seit dem 1. August wieder hauptberuflich einfach als Physikerin tätig. Somit gehe ich quasi meinem normalen Beruf wieder nach und bin kein hauptberuflicher Forscher geworden.
Media-Mania.de: Vielen Dank für das Interview!