Media-Mania.de: Hallo Frau André,
danke, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem neuen Roman "Schamanenfeuer"?Martina André: Das Ereignis von Tunguska hat mich schon als Jugendliche interessiert. Diese Explosion jährte sich am 30. Juni 2008 zum 100. Mal. Ich fand es sehr spannend, daraus eine Geschichte zu machen. Also habe ich einiges recherchiert und sehr viele Bücher gelesen - unter anderem von Peter Krassa "Tunguska, das Jahrhunderträtsel". Leider ist der Autor bereits verstorben. Darüber hinaus habe ich etliche Theorien studiert, die entsprechende Möglichkeiten bieten, was es gewesen sein könnte. Faszinierend ist ja, dass bis heute nicht feststeht, was die Ursache dieser gewaltigen Explosion war. Unter anderem wird spekuliert, dass es ein Meteor oder ein Komet gewesen sein könnte. Es gibt sogar renommierte Wissenschaftler, die tatsächlich eine Ufo-Havarie für wahrscheinlich halten. Während meiner Recherche stieß ich auf enorm viele Widersprüche, sodass es auch etwas ganz anderes gewesen sein könnte. In diese Richtung habe ich dann mein Buch verfasst.
Media-Mania.de: Was waren denn die meisten Thesen, die Sie bei Ihren Recherchen gefunden haben?Martina André: Die meisten Thesen sind geophysikalischer oder geologischer Natur: wie ich schon sagte - man denkt, es könnte ein Meteor oder ein natürlicher Himmelskörper gewesen sein. Aber es gibt auch Spekulationen, die besagen, dass es Spiegelmaterie aus dem Weltall gewesen sein könnte, die die Erde gestreift hat, oder Antimaterie oder aktuelle Theorien in Richtung Quantenphysik. Es ist schon witzig, wie abstrus manches davon klingt. Ich habe allerdings eine ganz andere Richtung verfolgt, die im Nachhinein sogar recht realistisch klingt. Mir war wichtig, keine Science-Fiction-Elemente - wie beispielsweise Raumschiffe - einzubauen. Stattdessen habe ich zwei mir plausible Theorien herausgesucht. Das waren zum einen die Schamanen, zum anderen eine natürlich- unnatürliche Erklärung. (lächelt)
Media-Mania.de: Wie lange haben Sie dann von der Idee bis zum fertigen Buch gebraucht?Martina André: Wenn ich es genau betrachte, wurde die Idee im Juni/Juli 2007 geboren. Die Absprache mit meinem Verlag fand dann auf der Frankfurter Buchmesse 2007 statt und danach hatte ich circa sieben bis acht Monate Zeit, um das Projekt zu verwirklichen. Also inklusive Recherche, was für mich aber nicht so schwierig ist, da ich gewöhnlich parallel recherchiere und schreibe.
Media-Mania.de: Wie sind Sie auf das Thema Tunguska überhaupt aufmerksam geworden?Martina André: Aufmerksam geworden bin ich auf das Thema schon viel früher, weil ich mich bereits als Jugendliche für mystische Dinge mit wissenschaftlichem Hintergrund interessiert habe. Ich habe schon immer gerne Sachbücher zu solchen Themen gelesen - war/bin aber auch z.B. leidenschaftliche P.M.-Leserin. Obwohl sicherlich nicht alles wissenschaftlich erwiesen ist, was dort geschrieben steht, liefern viele Beiträge einen gewissen Ideen-Pool und interessante Gedankenansätze für spannende Romane. Meist sind es Themen, auf die ich schon vorher aufmerksam geworden bin und dann lese ich nochmal etwas darüber, und mein neuerliches Interesse wird geweckt.
Bei Tunguska beeindruckte mich zum Beispiel, dass es unmittelbar nach der Explosion in Paris drei helle Nächte gab, sodass man sogar nachts die Zeitung lesen konnte, und Paris ist ja nun von Sibirien ein gutes Stück weit entfernt. Was mich dann auch wieder faszinierte und zu der Idee des Buches inspiriert hat, war die Feststellung, dass das Zarenregime trotz der Explosion offensichtlich keinerlei Untersuchungen zu dem Unglück angestellt hat. Man stelle sich vor, Russland war mit Japan im Krieg. Die Russen hatten den Krieg 1905 verloren, die Feindschaft bestand nach wie vor und dann findet 1908 mitten im Land eine solch gewaltige Explosion statt und niemand interessiert sich dafür. Möchte ich als Zar nicht gerne wissen, wer oder was dieses Ereignis zu verantworten hat? Aber in den Archiven und im Internet findet sich nichts, aus dem man schließen könnte, dass der Zar ein Interesse daran gehabt hätte, herauszufinden, was in Sibirien geschah. Erst 1921 bis 1928 gab es Expeditionen ins Landesinnere und Forscher haben Untersuchungen hinsichtlich der möglichen Ursachen angestellt. Ist es nicht spannend, zu spekulieren, welcher Grund dahinter stecken könnte, dass der Herrscher eines so großen Landes nicht wissen möchte, wer oder was mitten in seinem Territorium eine solche Explosion zu verantworten hat. Noch dazu, wenn er sich immer noch in einer kriegerischen Auseinandersetzung befindet und das Ereignis als Erdbeben bis nach Uppsala aufgezeichnet wurde oder sogar in Paris als Lichtphänomen zu bemerken war.
Media-Mania.de: Vielleicht eine etwas ungewöhnliche Frage, aber wie schreiben Sie einen Roman? Es gibt Autoren, die fangen bei der ersten Seite an und hören bei der letzten Seite auf, andere wiederum arbeiten mit Kärtchen. Wie machen Sie das?Martina André: Also, ich arbeite vollkommen chaotisch, nämlich wirklich nur rein aus dem Kopf heraus. Ich mach mir keine Notizen. Nachher beim Schlusslektorat schreibe ich mir die Kapitel oder Seiten auf, um alles zu organisieren und die richtige Reihenfolge zu überprüfen. Ich schreibe auch ganz spontan. Natürlich, schaue ich während des Schreibens, welche Recherche ich benötige. Manchmal komme ich an einen Punkt, an dem ich z.B. noch zu wenig über die historischen Hintergründe recherchiert habe, dann setz ich mir eine farbige Markierung und weiß, dass ich zu diesem Punkt noch etwas nachholen muss. Inzwischen schreibe aber schon einmal an einem anderen Kapitel, wo ich die Informationen bereits habe oder schon weiß, wie es weiter gehen soll. Das ist sicher eine sehr chaotische, unorganisierte Form Geschichten zu schreiben, die bei mir aber nachher - was ich selbst sehr interessant finde - immer zu einem logischen Zusammenspiel kommt und einen Rhythmus erkennen lässt. Diese Erkenntnis überrascht mich meist erst zum Schluss, wenn ich das Buch Korrektur lese.
Media-Mania.de: Sie haben nun drei Romane in zwei Jahren veröffentlicht. Wie schaffen Sie das als Bundesbeamtin und mit Ihrer Familie?Martina André: Das ist eine Frage, die man meinem Mann stellen sollte. (lacht herzhaft)
Seitdem ich professionell schreibe, bügelt er die Wäsche, backt Brot, kocht Kaffee und so weiter. Er engagiert sich sehr, obwohl er selbst Beamter ist, also auch arbeiten muss. Das passiert bei uns im Team. Wir mussten natürlich schauen, wie wir die Hausarbeit und alles Weitere organisieren, und das geht selbstverständlich nur, wenn man sich untereinander auch hilft. Zum anderen ist es so, dass ich sehr diszipliniert arbeite. Ich habe nur einen Teilzeitjob mit 25 Stunden und die restliche Freizeit wird dann eben fürs Schreiben verwendet. Wenn ich in einer Schreibphase bin, sitze ich jeden Tag drei bis fünf Stunden an meinem Projekt, am Wochenende dann auch mal mehr. Das ist auch der Unterschied zum reinen Hobbyautoren. In dem Moment, in dem man einen Vertrag unterzeichnet, spürt man eine gewisse Verantwortung. Man sieht wie viel Geld ein Verlag in das Projekt zu investieren bereit ist. Sieht das Marketing und die Arbeitskräfte, die daran hängen. Und nicht zuletzt die LeserInnen, die bereit sind ihr gutes Geld für die Bücher auszugeben und die man natürlich nicht enttäuschen möchte. Das ist eine völlig andere Geschichte, als zu der Zeit, in der ich nur für mich selbst geschrieben habe.
Media-Mania.de: Auf Ihrer Website erwähnen Sie, dass Sie bereits im jugendlichen Alter schriftstellerische Ambitionen hatten. Wie hat sich das denn geäußert?Martina André: Mit 16 Jahren habe ich meinen ersten Science-Fiction-Roman geschrieben. Ich war ein ganz begeisterter Fan von Star Trek/Raumschiff Enterprise und was es noch so alles gab. Meine erste Geschichte war schon ein Vorläufer von E.T., ein Außerirdischer, der auf die Erde kommt und nicht wieder zurückkehren kann. Das war also mein erstes Manuskript. Damals hat es meine Deutschlehrerin gelesen und fand es so toll, das sie meinte, sie müsse einzelne Kapitel vor der Klasse zum Besten geben. Das war mir furchtbar peinlich und hat mich dann so geschockt, dass ich überhaupt nicht mehr darüber nachgedacht habe, Schreiben zu meinem Beruf zu machen.
Vor ein paar Jahren bin ich eher zufällig wieder zum Schreiben zurückgekehrt. Als reines Hobby und weil es mir Spaß machte, meinen eigenen Roman zu verfassen. Durch eine Autoren-Kollegin, die bereits veröffentlicht hatte und mich an ihren Agenten weiterempfohlen hat, bin ich dann zu einem großen Publikumsverlag gekommen. Zuerst befand mein Agent das Manuskript mit 900 Seiten als zu dick für eine Erstlingsautorin - es handelte sich dabei um meinen später veröffentlichten Roman "Das Rätsel der Templer". Dann sollte ich zunächst etwas anderes schreiben und bekam den Auftrag für "Die Gegenpäpstin", und da habe ich erst gedacht: "Das mach ich nicht", weil es ein Kirchenthriller sein sollte und ich mir ein solches heikles Projekt zunächst nicht zugetraut habe. Aber dann meinte mein Mann, es sei doch eine einmalige Chance und warum ich es nicht versuchen wollte. Ich war selbst erstaunt, als die "Die Gegenpäpstin" dann als Buch und Hörbuch ein regelrechter Bestseller wurde. Dabei war die Veröffentlichung für mich selbst ein ziemlicher Schritt, den ich aber mittlerweile glücklicherweise überwunden habe.
Media-Mania.de: Wie handhaben Sie das dann mit Lesungen?Martina André: Ich selbst lese nicht so gerne vor Publikum. Was aber weniger an den Zuhörern liegt, als an meinen eigenen Ansprüchen. Ich lese leider nicht so gut wie eine studierte Schauspielerin. Anja Bilabel, sie ist Schauspielerin und hat "Die Gegenpäpstin" gelesen, hilft mir bei anstehenden Lesungen manchmal aus. Gestern erst hatten wir eine Lesung, bei der sie vorgelesen hat und ich habe die Fragen des Publikums beantwortet (was mir überhaupt nicht schwer fällt) - es war ein voller Erfolg. Sie ist perfekt und wir haben nun ein neues Konzept, dass sie vorliest und ich die Bücher signiere und etwas zum Entstehungsprozess und zur Recherche erzähle. Es ist wirklich toll und ich denke, wir werden zugunsten des Publikums in diese Richtung weiter planen.
Media-Mania.de: Ihre ersten beiden Bücher "Die Gegenpäpstin" und "Das Rätsel der Templer" sind nun als Hörbücher erschienen. Wird "Schamanenfeuer" ebenfalls als Hörbuch erscheinen?Martina André: Ja, das ist bereits in Planung. Gestern auf der Lesung, die wir hatten, wurde "Schamanenfeuer" schon vorgelesen, ganz, ganz beeindruckend, ich hatte richtig Gänsehaut-Feeling dabei und ich denke mal, im November wird es noch eingelesen und kommt dann im Februar 2009 auf den Markt.
Media-Mania.de: Welche weiteren Projekte haben Sie für die Zukunft geplant?Martina André: Ich hatte heute ein Gespräch mit meinem Agenten, wir haben zwei Projekte in Planung: ein ganz neues, das wieder total anders sein wird als alles, was ich bisher geschrieben habe, aber natürlich wieder ein Mystery-History-Mix mit vielen Spannungsmomenten. Wenn?s klappt, würde die Reise eventuell nach Schottland gehen, in diese Richtung habe ich auch bereits recherchiert. Das Zweite wäre - aber das muss mit dem Verlag noch abgeklärt werden - eine Fortsetzung von "Das Rätsel der Templer", weil viele Fans sich das gewünscht haben. Aber es ist immer auch eine Frage des Verlags und der Situation am Markt. Natürlich muss vorab geprüft werden, ob ein entsprechendes Interesse vorhanden ist. Wie auch immer, ich bin auf alles vorbereitet.
Media-Mania.de: Dann wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg. Vielen Dank für das Interview!Martina André: Danke!
Rezension zum Buch "Schamanenfeuer"Rezension zum Hörbuch "Das Rätsel der Templer"
Das Interview wurde auf der Frankfurter Buchmesse 2008 von Vera Schott geführt.