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Arkham Horror - Das Grauen auf Arkhams Strassen geht weiter. Ein Gespräch mit dem Heidelberger Spieleverlag
Interview mit Heiko Eller
"Arkham Horror" hat sich im Lauf der letzten Jahre eine ordentliche Fangemeinde erarbeitet, darunter viele feste Spielgruppen, die sich regelmässig auf Arkhams Strassen begeben. Hand aufs Herz - wie oft wird im Heidelberger Spieleverlag "Arkham Horror" gespielt ... und mit welchen Erweiterungen?

Heiko Eller: Tatsächlich sind wir ja nur eine kleine Runde in unserer Redaktion, insgesamt würde ich bei uns im Verlag drei echte Arkham-Fans ausmachen. Und da wir nicht zum Ausgrenzen neigen, beziehen wir meist unseren etwas weiteren Verlagskreis mit ein, um uns mit den Großen Alten zu messen. In Zeiten, wo viele Projekte auf uns warten, kommen wir fast gar nicht dazu (also eigentlich traditionell Oktober bis Dezember). Während des restlichen Jahres vertraue ich hier auf unseren offenen Spieleabend zwei mal im Monat, bei dem auch Arkham immer mal wieder auf dem Tisch landet.

Wie erklärst du dir die Faszination - und den Erfolg - dieses ja nicht unbedingt leichten Brettspiels? Liegen kooperative Brettspiele allgemein im Trend?

Heiko Eller: Das mit Sicherheit! Arkham hat natürlich noch einige andere Punkte, die Spieler reizen, kann ich mir denken. Ich brauche nur an mich selbst zu denken, welche Faktoren bei mir bestimmen, ob ich Lust auf eine Partie habe. Manchmal habe ich einfach Lust auf “Story im Spiel” statt abstraktem Spielen, dafür ist Arkham eine sichere Bank und ich mag die teilweise zynischen Horrortexte sehr gerne. Dann ist natürlich noch die Skurrilität der Lovecraftschen Welt an sich, die eine ganz eigene Faszination mit sich bringt und dann noch das ansprechende Artwork, welches diese brillant darstellt, wie ich finde.

Spätestens mit der zuletzt erschienenen Erweiterung "Kingsport Horror" nimmt die Anzahl der Zusatzspielbretter zu. Dies wirft die Frage auf, wie gut sich eigentlich die verschiedenen Erweiterungen miteinander kombinieren lassen. In diversen Foren raten viele davon ab, mehr als einen Zusatzschauplatz zu verwenden (also entweder Kingsport, Dunwich oder Innsmouth) und diesen lieber mit reinen Kartenerweiterungen zu ergänzen. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht, und welche Kombinationen empfiehlt ihr?

Heiko Eller: Insgesamt habe ich die Erfahrung gemacht, das zuviel nicht gesund ist, gerade was Spielbretter und Zusatzregeln angeht. So kombiniere ich höchstens eine große mit einer kleinen Erweiterung auf einmal. Während Gegenstände, Begegnungen usw. gar nicht genug drin sein können, um Abwechslung zu schaffen. Hierbei muss man natürlich ein wenig schauen, dass man nicht die Gegenstände integriert, die eigentlich die Zusatzregeln voraussetzen (also wenn man diese weglassen möchte). So gesehen, kann ich den Foren-Fans nur zustimmen! Außerdem kommt es bei uns oft vor, dass auch Arkham-Neulinge mit nur einmaliger Spielerfahrung mitmachen, und diese würden von dieser Flut an neuen Regeln sicherlich überfordert.

Vor allem die amerikanischen Fans schwärmen von der neuen Erweiterung "Innsmouth Horror", die bald auch in Deutschland erscheinen soll. Ist sie wirklich so gut, und was macht sie so besonders? Vor allem - wann ist es soweit? Wann dürfen wir die deutsche Version in den Händen halten?

Heiko Eller: Das ist Timing, gerade am heutigen Tage haben wir unsere Daten für die deutsche Umsetzung von Innsmouth Horror mit Namen “Schatten über Innsmouth” hoch geladen. Daher habe ich mich in den letzten Wochen sehr intensiv mit dieser Erweiterung beschäftigt. Zum einen ist diese Erweiterung sehr umfangreich (z.B. 16 neue Charaktere) und zum anderen bringt sie die in meinen Augen beste Story von Lovecraft auf den Spieltisch. Die düstere, ablehnende, verfallene Stadt Innsmouth mit ihrem finsteren Geheimnis ist ein sehr dichter und atmosphärischer Standort und ich freue mich, dass es FFG gelungen ist, dies im Spiel festzuhalten. Die Texte sind gewohnt stimmig, ich kann die Begeisterung absolut nachvollziehen. Dazu kommt ein sehr tolles Spielelement hinzu. Die Ermittler werden alle mit “persönlichen Hintergründen” ausgestattet, also eine Art Ziel, welches auf ihrer Vergangenheit beruht. Erfüllen sie dies, bekommen sie permanente Boni, wenn nicht dann Abzüge. Auch diese Hintergründe (die übrigens für alle Ermittler, die bisher erschienen sind, enthalten sind), sind sehr stimmig gemacht und geben dem eigenen Charakter mehr Spieltiefe. Manche Spieler neigen dazu, den Charakter nur als Vollzieher zu betrachten, aber ich neige sehr dazu, mich mit meinem Liebling “Harvey Walters” zu identifizieren. Dieses neue Spielelement hilft den Mitspielern, sich ein wenig darauf zu besinnen.

Nun zu den Kartenerweiterungen. Für den Februar 2010 ist "Schwarze Ziege der Wälder" angekündigt, für den Mai die englische Fassung von "Das Ding auf der Schwelle". Was haben wir von diesen zwei Kartenerweiterungen zu erwarten?

Heiko Eller: Die “Schwarze Ziege der Wälder” ist leider etwas verspätet, sie wird in der ersten Märzwoche erscheinen. Sehr ärgerlich, immerhin hatten wir diese bereits im Oktober letzten Jahres erwartet, aber es gab hier wohl Produktionsprobleme. Sowas passiert leider immer mal wieder. “Das Ding auf der Schwelle” oder auch "The Lurker at the Threshold" wird im Mai erstmal auf Englisch erscheinen. Eine Deutsche Fassung hat FFG mit uns für November geplant, aber dies steht noch nicht fest. Ich bin hier nach der letzten Geschichte mit “Schwarze Ziege der Wälder” etwas defensiver geworden.

Ist es eigentlich geplant, auch die bisherigen Erweiterungen mit neuen Ortskarten zu bestücken? Gerade bei "Dunwich" wiederholen sich die Begegnungen recht rasch, wenn man die Erweiterung ein paar Mal gespielt hat.

Heiko Eller: Soweit ich weiß, hat FFG dies nicht in Planung. Der Einwand ist natürlich berechtigt, aber ich fürchte nicht, dass wir hierzu mehr erwarten können.

Immer wieder begeistert die tolle Übersetzung der Karten, die angesichts ihrer Menge sicher nicht immer einfach ist. Wie läuft dieser Prozess genau ab - sitzt da eine Handvoll Leute an einem düsteren Schreibtisch, umgeben von Englisch-Lexika und dem Lovecraft-Gesamtwerk?

Heiko Eller: Tja... sollte ich das wirklich verraten? Während die ersten Übersetzungen (Grundspiel und Fluch des Schwarzen Pharao) seinerzeit noch in großer Hast erfolgen mussten, haben wir heute natürlich mehr Zeit. Prinzipiell achte ich darauf, dass wir Lovecraft-affine Übersetzer haben. Je nach Zeitdruck machen wir dann jedoch Teile der Übersetzung im Haus, das betraf z.B. zumeist die Begegnungen in Arkham und in Anderen Welten. Schlussendlich fällt es dann aber tatsächlich mir zu, die Texte auf Lovecraft-Kompatibilität zu prüfen. Hier werden Texte umformuliert und Begriffe angepasst, die ich als nicht passend oder ungenau übersetzt erachte. Und tatsächlich liegen hier diverse Lovecraft-Romane und ein ledergebundenes Call of Cthulhu Rollenspiel-Regelwerk auf meinem Schreibtisch, damit ich ggf. nachschlagen kann. Manchmal haben wir uns auch mit externen Hilfen beholfen, z.B. hat uns Pegasus eine Liste der Zauber aus dem Cthulhu RPG zur Verfügung gestellt o.ä., jedoch bleibt es letztendlich doch zumeist bei mir. Und daher kommt es natürlich trotz aller Bemühung auch wieder zu kleinen Fehlern, denn in der Fülle des Materials kann man dann doch auch Dinge übersehen. Meist bauen wir auch die Errata von FFG ein (wenn diese schon bekannt sind), die ja durchaus auch nicht perfekt sind.

Eine kurze Nachfrage noch zu zwei Ermittlern aus "Kingsport Horror", die in verschiedenen Foren zu heftigen Diskussionen geführt haben: Daisy Walker und Lily Chen. Erstere wird im Verlauf des Spiels sehr stark, vor allem in Kombination mit dem Livre d'Ivon. Ist es wirklich korrekt, dass das Livre bei Benutzung nur verbraucht und nicht abgelegt wird? Auch Lily Chen erscheint mit ihrer Fähigkeit "Yin und Yang" und "Kampfsport" nahezu übermächtig ...

Heiko Eller: Puh... aus dem Gedächtnis? Hier würde ich gerne auf eine allgemeine Antwort zurück greifen. Bei dieser Fülle kann es natürlich passieren, dass sich sehr starke Kombinationen ergeben. Jetzt schaue ich aber zumindest noch mal auf die Charaktere... Meinem Empfinden nach sind diese beiden Beispiele nicht so schlimm. Daisy Walker hat zwar die Möglichkeit, sich über diese Kombination viele Zauber zu erarbeiten, jedoch muss sie immer 2 Bewegungspunkte ausgeben und ich habe festgestellt, dass viele Zauber alleine auch nichts nützen ;-) Und bei Lily Chen ist der Fokus der einschränkende Faktor. Ich möchte ja nicht ausschließen, dass manche Charaktere stärker sind als andere, aber das ist ja auch das Gute... es ist ein kooperatives Spiel, und da ist das nicht so schlimm ;-)

Welche Ermittler sind eigentlich die Lieblingsfiguren Eures Verlags?


Heiko Eller: Da kann ich nur sagen: Harvey Walters. In unserem Verlag ganz klar die Nummer Eins. Wobei ich auch Jenny Barnes, die Dilettantin sehr gerne spiele. Jim Culver, der Musiker aus der Dunwich-Erweiterung fällt mir da noch ein. Wie gesagt, suche ich mir ja mehr den Charakter aus, als die Fähigkeit... In Innsmouth sind einige spannende neue Charaktere drin...

Seit neustem gibt es spezielle Arkham-Horror-Würfel, die man über den Heidelberger Spieleverlag beziehen kann. Was gibt es über sie zu erzählen? Und sind in Zukunft weitere Gimmicks dieser Art - z.B. stabilere und schönere Ermittlerfiguren - geplant?

Heiko Eller: Die Würfel sind natürlich nicht besonderes, da sie ja nur die etwas arg schlichten W6 aus dem Grundspiel ersetzen, aber mir persönlich gefällt es, mit den cthulhoid anmutenden schwarz-grünen Würfel zu spielen. Es passt einfach besser zum ganzen Erscheinungsbild. Die darauf abgebildeten Älteren Zeichen wachen beim Werfen über mich, wie ich hoffe! Ursprünglich wollte FFG dieses Jahr bemalte Plastikminiaturen der Ermittler in 2er-Sets veröffentlichen, doch der Sturm der Entrüstung aus der Fangemeinde hat diesen Plan gekippt. Das war den Fans zu teuer. Ich glaube die Idee ist nicht ganz vom Tisch, aber wenn, dann wird sie in anderer Form passieren. Außerdem hat FFG dieses Jahr noch eine weitere Bombe in der Arkham-Schublade, aber darüber kann ich momentan noch nichts Genaueres sagen.

Schon im letzten Interview hatte ich mich erkundigt, ob nicht irgendwann eine "Heidelberg Horror"-Expansion erscheinen wird. Die damalige Ausrede ("nicht zu viele Erweiterungen") gilt anno 2010 nicht mehr ...

Heiko Eller: Hust... nunja. sagen wir mal so, die Fans sind ja inzwischen sehr aktiv mit eigenen Ideen und auch FFG bietet online einiges an Extramaterial, wie z.B. die Arkham League an. Eine eigene Erweiterung ist sicher nicht in Planung, aber vielleicht wird der Heidelbär irgendwann mal seinen Auftritt als Großer Alter haben, darüber haben wir uns durchaus schon Gedanken gemacht... Insgesamt haben wir vor, mehr Storymaterial zum Download für Arkham herauszubringen.

Wir danken herzlich für das Interview und die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben.
Geführt von Hagen Hoffmann am 22.02.2010