Die Widerstandsgruppe um Stauffenberg, die den Anschlag vom 20. Juli 1944 plante und durchführte, ist weithin bekannt. Neben dieser Gruppe verblasst der so genannte Kreisauer Kreis um Helmuth James von Moltke und Peter Yorck von Wartenburg unverdienterweise ein wenig. Nun liegt eine Monographie aus dem Rowohlt-Verlag vor, die sich mit den Persönlichkeiten und Aktivitäten dieser Gruppe befasst.
In den ersten Kapiteln geht es um Moltke und Yorck, "Kopf und Herz" der Kreisauer - Kreisau war übrigens das Gut der Grafen von Moltke, wo drei wichtige Treffen der Gruppe stattfanden - sowie um jene Mitglieder, die das besondere Vertrauen der beiden besaßen.
Weitere Kapitel informieren darüber, wie die durchaus sehr heterogene Gruppe zusammenfand und sich positionierte, indem sie ein detailliertes Programm zur Neuordnung Deutschlands nach dem Ende des Naziterrors aufstellte, das in der Monographie teils wortgetreu, teils zusammengefasst präsentiert wird.
Anschaulich beschreibt der Autor zudem den schwierigen Spagat der Widerstandskämpfer zwischen unauffälliger beruflicher Pflichterfüllung und ihren Untergrundaktivitäten, zum Teil auch im Ausland, die vergeblichen Versuche, die westlichen Alliierten zur Zusammenarbeit zu überreden, und Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen.
Moltke wurde Anfang 1944 verhaftet, weil er einen anderen Regimekritiker vor der Gestapo gewarnt hatte. Zunächst erging es ihm in der Haft nicht sonderlich schlecht, und er wäre, wie der Autor aufzeigt, möglicherweise freigekommen, wenn nicht nach dem 20. Juli 1944 im Zuge zahlreicher Festnahmen, darunter eben auch etliche Kreisauer, Verbindungen zu Stauffenbergs Gruppe erkenntlich geworden wären.
Der Autor beschreibt die einzelnen Schicksale bis hin zu den Prozessen und Hinrichtungen und schließt noch ein Kapitel über das "Vermächtnis der Kreisauer" an - die Bemühungen der Überlebenden, das Nachkriegsdeutschland von Nazi-Gedankengut zu reinigen und die Erinnerung an den Widerstand wachzurufen.
Der Anhang enthält eine Fülle nützlicher Informationen.

Ein so kurzes Büchlein kann natürlich nicht alle biografischen und geschichtlichen Details rund um den Kreisauer Kreis (ein Begriff, der nach dem 20. Juli 1944 von den Nazis geprägt wurde) enthalten. Die Monographie schließt jedoch eine Lücke, denn wenn sie auch die beiden zentralen Figuren der Gruppe, Moltke und Yorck, angemessen präsentiert und würdigt, so vermag sie doch aufzuzeigen, dass die Gruppe zahlreiche andere bedeutsame Mitglieder hatte, die mit unterschiedlichstem sozialem und politischem Hintergrund aufwarteten: etwa Linksliberale wie Moltke selbst, Konservative wie Yorck, überzeugte Sozialdemokraten wie Carlo Mierendorff und Julius Leber sowie Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen.
Umso erstaunlicher scheint es angesichts dieser Meinungsvielfalt, wie die Gruppe ihr Programm entwickeln konnte, das der Autor in ausreichendem Umfang vorstellt; weniger verwundert die Vielzahl an Kontakten, die dank einzelner Kreisauer möglich wurden und theoretisch manche Perspektive eröffneten. Der Autor arbeitet vorzüglich Gemeinsamkeiten und Differenzen mit anderen Widerstandsgruppen heraus, etwa mit jener um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler, die von den Kreisauern als zu reaktionär eingestuft wurde, und eben jener um Stauffenberg.
Ganz besonders aber kommen die charismatischen Persönlichkeiten Moltkes und Yorcks zur Geltung, insbesondere anhand von Auszügen aus Moltkes erhaltenen und sehr lesenswerten Briefen sowie Aussagen ihrer Witwen.
Wie bereits erwähnt, kann das mit vielen Fotografien und Faksimiles illustrierte Büchlein nicht in jeder Hinsicht ins Detail gehen, es vermittelt jedoch wichtige und vielseitige Eindrücke von den bedeutenden Persönlichkeiten des Kreisauer Kreises, deren Aktivitäten und der Bedeutung der Gruppe im Widerstand. Manchen Leser wird es zu weiterführender Lektüre animieren, die im Anhang des Buchs angeboten wird.
Diese Monographie ist ein bemerkenswerter Beitrag zur zeitgeschichtlichen Allgemeinbildung und eignet sich auch gut für den schulischen Geschichtsunterricht.