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Von der prächtigen Insel Acacia aus herrscht seit zweiundzwanzig Generationen das Geschlecht der Akaran über ein gewaltiges Reich. König Leodan scheint ein weiser, güter Herrscher zu sein - aber er ist auch schwach, lässt in Wahrheit die Handelsgilden regieren, ist süchtig nach einer weit verbreiteten Droge, die sich "Nebel" nennt, und zerfressen vom Kummer über den Tod seiner Frau. Das einzige Licht in seinem Leben sind seine Kinder: seine älteste Tochter, die schöne Corinn und ihre Schwester, die kluge Meena sowie sein Erbe, der stolze Aliver, und der stets neugierige Dariel, sein jüngstes Kind. Dass diese Kinder in Frieden und Wohlstand aufwachsen, verdanken sie zum einen einem Verrat, zum anderen Sklaverei, Ausbeutung und einem schrecklichem Pakt mit einem geheimnisvollen Volk, das jenseits der bekannten Welt lebt, den Lothan Aklun. Dieser Pakt, der bereits vor vielen Jahren geschlossen wurde, beinhaltet die Zahlung eines Tributs an die Lothan Aklun - ein Tribut in Form von kleinen Kindern. Niemand weiß, was mit diesen nach der Übergabe geschieht, niemals ist eines von ihnen zurückgekehrt.
Die Akarankinder wissen nichts davon, denn Leodan tut alles, damit sie möglichst behütet aufwachsen. Als das unterdrückte Volk der Mein aus dem Norden des Landes gegen Acacia in den Krieg zieht und ein Attentäter den König ermordet, gerät die Welt der Erben des Königs aus den Fugen. Sie müssen Acacia verlassen und werden in alle Windrichtungen verstreut, während der Thron von den Mein okkupiert wird ...
"Acacia" ist das Fantasy-Debüt von David Anthony Durham, der in den USA schon einige erfolgreiche historische Romane publiziert hat.
Es ist äußerst schwer, den Inhalt dieses Buches zusammenzufassen, ohne zu viel oder zu wenig zu sagen, denn Durham hat so viel Plot in dieses eine Buch gebracht, dass andere Autoren vermutlich eine ganze Trilogie daraus gemacht hätten. Trotz der Fülle an Personen und Ereignissen ist es allerdings nicht sonderlich schwer, der Geschichte zu folgen, und hat sie den Leser erstmal gepackt, lässt sie ihn auch nicht mehr los. Das liegt unter anderem daran, dass die Welt, die Durham kreiert, extrem durchdacht und realistisch wirkt. Dieser Autor hat einfach ein unheimlich gutes Gespür für Politik, für Historie und gesellschaftliche Zusammenhänge. Magie und phantastische Wesen wird man hier allerdings nur in sehr geringen Dosierungen finden, Fans von "klassischer" Fantasy könnten somit schnell enttäuscht werden. Dafür werden Themen wie Verantwortung und Macht, Imperialismus, Sklaverei und natürlich Verrat behandelt.
Neben dem Weltkonstrukt beeindruckt vor allem Durhams Charakterzeichnung. In "Acacia" gibt es keine guten und bösen Charaktere, kein Schwarz und Weiß, sondern ambivalente, wiederum sehr real und glaubwürdig wirkende Persönlichkeiten. Jede Seite hat plausible Beweggründe und Motive für ihr Handeln, die der Leser früher oder später erfährt und die so manches Mal durchaus überraschend sind, jeder Charakter hat seine positiven und negativen Eigenschaften, entwickelt sich im Laufe der Geschichte und fasziniert den Leser. Die verschiedenen Erzählstandpunkte, die von den Königskindern bis hin zu den Thronokkupanten reichen, tun dabei ihr Übriges, damit man die Charaktere aus immer verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten kann. Dadurch, dass es keine wirklichen "Helden" und "Bösen" in Durhams Werk gibt, kann man sich auch nie sicher sein, wer am Ende eines Kampfes überlebt - was den Spannungsgrad extrem erhöht.
Sprachlich ist "Acacia" ebenfalls überdurchschnittlich gut, Durham hat eine starke Erzählstimme, schreibt atmosphärisch dicht und versteht es, mittels Worten eine gewisse Dramatik aufzubauen. Dies wurde in der Übersetzung von Norbert Stöbe nicht immer gut eingefangen - wer gern englischsprachige Originale liest, sollte dies hier unbedingt tun, da hilft auch die schöne Aufmachung von Blanvalet nicht viel, das Original liest sich einfach weitaus besser.
Neben all den positiven Aspekten - und davon gibt es noch eine Menge weiterer - hat der erste Teil der "Acacia"-Trilogie dennoch das Manko, dass sich vereinzelte Plotelemente und Charaktere in Richtungen entwickeln, die nicht komplett unlogisch, aber doch sehr unwahrscheinlich oder nicht ganz nachvollziehbar erscheinen.
Auch Leser, die Probleme mit vielen verschiedenen Handlungssträngen haben, sollten gut überlegen, ob sie sich "Acacia" zumuten, obwohl alle diese Stränge fesselnd sind und von Durham letztlich auf meisterhafte Weise wieder zusammengeführt werden.
Fazit: "Acacia" ist eines der besten epischen Fantasybücher der letzten Jahre und kann sich mit so populären Reihen wie "Das Lied von Eis und Feuer" von George Martin durchaus messen. So brillant das Buch stellenweise aber auch ist, es wird nicht für jeden zugänglich sein, denn es erfordert aufmerksames Lesen und Mitdenken. Wer dazu bereit ist, kann sich auf eine einnehmende Welt, facettenreiche Charaktere und eine interessante Handlung freuen.
Der erste Band dieser Reihe kann durchaus für sich allein stehen, die Handlung ist relativ abgeschlossen, wenngleich viele Frage offen bleiben, die hoffentlich im 2009 in Amerika erscheinendem Folgeband geklärt werden.