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Sach- und Lehrbücher über die Evolution gibt es viele. Von Dawkins, Reichholf und Wuketits bis Ernst Mayr beschäftigen sich unzählige Beiträge in den letzten zehn Jahren mit verschiedensten Evolutionstheorien. Doch den Menschen nehmen nur sehr wenige Wissenschaftler in den Blick und noch weniger ins Zentrum ihrer Betrachtungen.
Eine Ausnahme bildet das schmale Bändchen von Thomas Junker. Der in Tübingen lehrende Professor versucht in einem kurzen Essay - ein Lehr- oder Fachbuch über Evolution will das Buch offensichtlich nicht sein - ausdrücklich und nur die Evolution des Menschen zu betrachten, oder besser gesagt die Entwicklung des Homo sapiens aus seinen verschiedenen Vorformen.
In neun kurzen Kapiteln nähert sich Junker der Frage nach der momentanen Bedeutung von Evolutionsmechanismen im Hinblick auf Aussehen und Verhalten des heutigen Menschen. Nach der Ergründung der Ursprünge vor circa sieben Millionen Jahren stellt Junker die Frage aller Fragen: Was hat den Vorfahren der Menschen dazu bewogen, die Wälder zu verlassen und welche Mechanismen haben zu den einschneidenden Veränderungen geführt, die die Entwicklungslinien von Affen und Menschen hat auseinander driften lassen?
Immer streng an den Fakten, die eine Artbildung ermöglichen (oder erzwingen) entlang hangelnd, versucht Junker darzulegen, inwiefern das große Gehirn dem Menschen Vorteile gebracht hat. Kein Entwicklungsschritt in der Evolution geschieht, ohne dass es dem Individuum Vorteile im Hinblick auf seine Fitness und seinen Fortpflanzungserfolg bringt. Nichts verändert sich, ohne dass die Gene des Trägers stärker Verbreitung finden als andere. Wo liegt der Vorteil eines größeren Gehirns, das im Falle des Säuglings bis zu 60 Prozent der Energieressourcen des Körpers verbraucht? Wo die Vorteile für die Frau, wo für den Mann? Warum ist der Eisprung der Frau (oder ihres Vorfahren) nicht mehr durch Schwellung der Sexualorgane (wie beim Affen) oder anderer Signale für das Männchen sichtbar? Wo liegt der Vorteil einer monogamen Beziehung und der Tendenz, durch Seitensprünge diese Beziehung zu umgehen? Wo der Vorteil der Sesshaftigkeit, des aufrechten Ganges, der kleinen Hoden und des überproportional großen Penis des Mannes (und seiner Affen-Vorfahren)? Was hat der Cro Magnon-Mensch, also der direkte Vorfahre des modernen Menschen, von der Hinwendung zur Kunst - die doch eben definiert ist durch ihre Sinnlosigkeit - im Hinblick auf einen Fortpflanzungsvorsprung? Was hat der Mensch von seiner "Leonardo’schen Intelligenz", was von der "Machiavelli’schen"?
Junker schlüsselt in einfacher, leicht verständlicher Sprache, immer aber auf wissenschaftlichem Fundament, auf, wie sich der Mensch entwickelt hat, warum er diese Richtung einschlug und was die biologischen Vorteile dieser menschlichen Evolution sind. Nie spekuliert er, nie greift er andere Theorien an. Er schildert sachlich, wie die Forschung was herausgefunden hat, welche Bedeutung die Molekularbiologie für diese Beweislage hat und inwieweit viele Theorien eben genau das sind: Theorien und keine feststehenden Aussagen.
Dieser Beitrag erhellt wesentlich genauer die Evolution des Menschen als alle anderen Bücher der letzten Jahre zu diesem Thema. Junker ist es zu verdanken, die Evolution des Menschen auf eine sichere, verifizierte Basis gestellt zu haben. Er vermittelt dem interessierten Laien sehr klar, wo die Wissenschaftler sich heute (und das heißt nach 2005) in der Diskussion sicher sind und klare Belege für ihre Theorien haben und wo die offenen Fragen sind und Fallstricke lauern. In jeder Zeile ist "Die Evolution des Menschen" ein intellektuell faszinierender Text, der überaus klar und mit Verve verdeutlicht, wo wir stehen und wohin wir uns (vielleicht) entwickeln.