Die Karibik wird durch ein Erbeben erschüttert, das nicht natürlichen Ursprungs ist und das seltsame Folgen hat: In den Piratenhäfen werden Kinder geboren, die ein magisches Talent entwickeln. Sie sind fähig, über das Wasser zu laufen!

Doch über die Jahre hat sich die Zahl dieser Kinder dezimiert. Die junge Jolly, ein Piratenmädchen, glaubt deshalb, dass außer ihr keine Wellenläufer mehr existieren. Ihre Fähigkeiten nutzt sie, um den Piraten der Mageren Maddy beim Kapern fremder Schiffe zu helfen. Captain Bannon ist für sie wie ein Vater, die Piraten sind ihre Familie. Doch eines Tages tappt die Besatzung der Maddy in eine Falle. Jolly kann entkommen, sie wird an den Strand einer isolierten Insel gespült und begegnet dort Munk - der auch auf dem Wasser gehen kann! Munks Eltern haben ihn fern von allem aufgezogen, was ihm schaden könnte. Keine Menschen arbeiten auf den Plantagen der Insel, sondern Geister. Doch das ist nicht das einzig Komische, denn Munk kann nicht nur auf dem Meer laufen, er kann auch die uralte Muschelmagie wirken.
Die beiden Jugendlichen verbindet ein düsteres Schicksal. Ein gewaltiger Mahlstrom inmitten des Atlantik bringt unheimliche Kreaturen hervor, die Jagd auf die Wellenläufer machen, und nur Jolly und Munk sind in der Lage, den Strudel zu schließen.

Nicht erst seit "Fluch der Karibik" sind Piratengeschichten beliebt. Kai Meyer hat mit seiner "Wellenläufer"-Trilogie eine Reihe geschaffen, die geschickt reale Kulissen und historische Ereignisse aufgreift und diese mit Mythologie und Fantasy-Elementen verquickt. Dabei erkennt der Leser mithin vielfältige Einflüsse, die Meyer in "Die Wellenläufer" eingearbeitet hat. Während man bei Protagonisten, die über das Wasser gehen können, zuerst an die Bibel denken mag, erinnern Namen, Schauplätze, Figuren und Kreaturen an so unterschiedliche Autoren und Bücher wie Wilhelm Hauff, Edgar Allen Poe, die bekannten Hornblower-Romane von Forester sowie zahlreiche Piratenfilme. Das soll nicht heißen, dass der Roman lediglich aus bekannten Versatzstücken bestehen würde, gar abgekupfert wäre. All diese bekannten Bezüge dienen nur dazu, eine dichte Atmosphäre zu schaffen, eine anschauliche Kulisse, die Meyer mit vielen eigenen, wunderbaren Ideen bereichern kann und vor der er seine spannenden Abenteuer, die alles andere als uninspiriert oder verbraucht wirken, ansiedelt.

Meyer hat bereits viele starke, junge Heldinnen geschaffen und Jolly gehört sicher zu seinen gelungensten. Mit der "Quappe", wie man die Wellenläufer auch nennt, können sich junge Leserinnen wunderbar identifizieren. Sie ist stark, gutherzig und mutig, hat aber auch viele Schwächen und Fehler, was sie umso sympathischer macht. Natürlich ist auch der männliche Protagonist, Munk, ein vielschichtiger Charakter, der im Laufe der Geschichte gewaltige Veränderungen durchmacht - und nicht immer positive, nicht immer wächst er an Herausforderungen. Auch dies ist eine der positiven Eigenschaften der Bücher von Kai Meyer: Sie sind unvorhersehbar, nie kann man voraussagen, wie eine Geschichte endet.

Der Spannungsbogen in "Die Wellenläufer" wird kontinuierlich aufrecht erhalten, das Erzähltempo der Geschichte ist straff, da es neben der aufreibenden Spannung aber auch immer wieder emotionale, ruhige oder komische Momente gibt, wirkt sie nie gehetzt. Meyers Sprache ist eher schlicht, aber trotzdem sehr schön und flüssig, für ein Jugendbuch genau richtig.

Fazit:
Ein wunderbares Jugendbuch, das den Leser in eine phantasievoll ausgestaltete Karibikwelt entführt. Kai Meyer ist eine überzeugende Mischung aus klassischem Piratenabenteuer und spannender Fantasygeschichte gelungen, die von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln vermag.