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Diese Spanier
leben in einem der sonnigsten und schönsten Länder Europas und fabrizieren dennoch mit schöner Regelmäßigkeit ebenso düstere wie wegweisende Horrorfilme. Ob dies als Trotzreaktion auf die guten klimatischen und geographischen Umstände geahndet werden kann? Oder mag vielleicht doch die eigene, nicht immer unblutig vonstatten gegangene Vergangenheit daran Schuld sein? Ganz gleich, ob und wie man es auch wendet - längst gehört Spanien zu DEN Topadressen weltweit, wenn es darum geht, Horrorthematiken anspruchsvoll und innovativ auf Zelluloid zu bannen. Und zwar nicht erst seit "REC", "Darkness", "The Others" oder "Pans Labyrinth". Schon in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts legte der schonungslose und lange Zeit auf den deutschen Index verbannte Streifen "Ein Kind zu töten
" den Beweis dazu ab, dass spanische Filmemacher einfach gut mit Horror können.
Schon die Anfangsminuten des Streifens sorgen für Beklommenheit und Gänsehaut, zeigt Regisseur Narciso Ibáñez Serrador unverhohlen, wozu Menschen im wahren Leben fähig sein können. Ob im Zweiten Weltkrieg, Korea oder Vietnam: Meist waren es vor allem die Kinder, welche unter den Gräueltaten am meisten zu leiden hatten. Drastischer kann man das Ende der Unschuld wohl kaum beschreiben. Dem steht im völligen Kontrast das junge englische Pärchen gegenüber, welches den eigentlichen Mittelpunkt des Filmes bildet: ein sympathischer Biologe und seine hochschwangere Frau, die gemeinsam ein paar unbeschwerte Tage in der spanischen Provinz verbringen möchten. Dabei führt sie ihr Weg schließlich auf die kleine Fischerinsel Almanzora, doch präsentiert sich der eigentlich idyllische Fleck seltsam verwaist. Lediglich eine Handvoll Kinder sind bei der Ankunft zugegen, von Erwachsenen fehlt jegliche Spur. Dem schockierenden Grund kommt Biologe Tom eher per Zufall auf die Schliche, als er unfreiwillig Zeuge wird, wie ein alter Mann zu Tode geprügelt wird - von einem kleinen Mädchen! Die Kinder und Jugendlichen haben den Spieß umgedreht; aus potenziellen Opfern sind gnadenlose Täter geworden, die auch keinen Halt vor den beiden Neuankömmlingen machen
"Ein Kind zu töten
" ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Das fängt schon bei den hellen, zumeist sehr freundlich wirkenden Aufnahmen an. Statt Düsternis und Verfallenheit wie so oft bei den heutigen Genrestreifen dominieren hier strahlender Sonnenschein und Postkartenidylle. Nichtsdestotrotz verliert die von Anfang an dominierende, Unbehagen hervorrufende Atmosphäre nichts von ihrer Intensität; im Gegenteil. Gerade durch diesen Kontrast bezieht der Film seine Stärke, welche von den vereinzelten, stellenweise bis ins Mark dringenden Schockszenen noch verstärkt wird. Doch wird hier Gewalt nicht rein um der Gewalt willen gezeigt. Vielmehr sind die Taten der Kinder - und letztlich auch der Erwachsenen - Teil der grandiosen Story, welche vor exakt dreiunddreißig Jahren unter dem reichlich dümmlichen Titel "Tödliche Befehle aus dem All" in den deutschen Kinos lief. Neben den groben Holzhammermethoden bedient sich Regisseur Serrador jedoch auch immer wieder äußerst einfacher, ja fast schon subtil erscheinender Mittel und setzt diese meisterhaft ein. So kann in diesem Alptraum selbst das Klingeln eines Telefons eine sehr rasche Beschleunigung des eigenen Herzschlags bewirken
Nicht weniger bedeutsam ist sicherlich auch die subtile, aber ganz eindeutig vorhandene Botschaft, die der Film konsequent und bis zum Schluss beibehält: dem Ende der Unschuld. Denn letztlich gibt es keine Unschuldigen mehr. Ebenso wenig wie eine rationelle Erklärung für das Verhalten der Kinder. Eine Feststellung, die unter die Haut geht - auch heute noch.
Die DVD selbst kann nur als vorbildlich erachtet werden. Neben dem sechzehnseitigen Booklet, das sich intensiv mit der Rolle des Filmes auseinandersetzt, gibt es Bonusmaterial in Form von Interviews, einen Trailer und Bildgalerien. Auf der Zusatz-CD befindet sich der Soundtrack des Films, eine gelungene Mischung aus Melodischem und Experimentellem und womöglich auch eine Antwort darauf, woher der Oscar-nominierte Filmkomponist Javier Navarrete seine Inspiration für den Soundtrack von "Pans Labyrinth" bezogen hat! Ton und Bild sind durchgehend einwandfrei, wobei man natürlich anhand des Alters keine stechend scharfen Bilder und Dolby Surround zu erwarten hat. Doch wurde diese Herausforderung bestmöglich gelöst.
Fazit: Ein ganz klares Muss für Freunde des intelligenten Horror-Kinos. "Ein Kind zu töten
" ist eine kleine Genre-Perle, die nichts von ihrer Sogwirkung verloren hat und damit zugleich einen Großteil der modernen Produktionen hinter sich zurücklässt und außerdem aufweist, dass Stephen King, Guillermo del Toro oder Eli Roth sich sicherlich auch mal mit dem Film befasst haben müssen.