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Eigentlich muss man zu Fritz Simon nichts weiter sagen, als dass er intelligent, verständlich und mit viel Witz schreibt. Wer ein gutes Buch sucht, ist mit diesem bestens beraten. Der Gepflogenheit halber sei aber erwähnt, in welchem fachlichen Bereich dem Leser hier Lesevergnügen bereitet wird:
Simon ist Systemiker. Systemiker haben es erfahrungsgemäß nicht so mit Begriffen wie Intelligenz, Kompetenz und ähnlichem. Allemal sind sie einen Lacher gut und einer verdrehten Definition tauglich. So schrieb Niklas Luhmann einmal, Intelligenz sei die Bezeichnung für die Unfähigkeit, zu beobachten, wie Systeme ihre Probleme lösen. Intelligenz als Unfähigkeit, nicht als Fähigkeit, wohlgemerkt.
Um Intelligenz geht es auch dem Autoren hier, genauer um die Intelligenz von Märkten, Unternehmen und Managern. Simon geht davon aus, dass sich Systeme ihre eigenen Umwelten konstruieren. Die Umwelt des Systems ist nicht die Realität, sondern eine mögliche Konstruktion. Realität zeigt sich dort am stärksten, wo die Umwelt sich überraschend verhält. Wer bei Nacht durch die Alpen kraxelt und bei Sonnenaufgang feststellt, dass er dies mit Hilfe einer Karte der Pyrenäen geschafft hat, dürfte wohl leicht irritiert sein. Systeme in ihrer Umwelt verhalten sich ähnlich.
In fünfzehn Kapiteln untersucht Simon diese seltsame Beziehung eines Systems zu seiner Umweltkarte und zu den Störungen aus der Umwelt anhand von Unternehmens-, Management- und Marktprozessen.
Das erste Kapitel ist der Definition und der Problematik von Intelligenz gewidmet. Im zweiten Kapitel geht es um die Aufgaben von Führung. Hier definiert der Autor zunächst ganz schlicht, dass die Führung eines Unternehmens die Aufgabe habe, ein intelligentes Unternehmen zu schaffen. Soweit kann man noch zustimmen. Doch ist diese Definition zu abstrakt, um wirklich etwas auszusagen. Genauer geht es um Kommunikationsprozesse, die nicht im Vorhinein konfliktarm gestaltet werden. Führungspersönlichkeiten müssen nicht nur Konflikte aushalten können, sondern Widerspruch geradezu einfordern. Ansonsten gerät die Führung in Gefahr, nur noch ausgewählte, konfliktarme Informationen zugespielt zu bekommen, während sich hinter ihrem Rücken die Probleme mehr und mehr aufstauen.
Das dritte Kapitel erörtert die Funktion von Unternehmen. Diese seien, so Simon, magische Gebilde, die durch rituelle Zauberformeln ins Leben gerufen werden und dann sehr rasch ein Eigenleben entwickeln. Ein Hund, wer hier an Goethes Zauberlehrling denkt. Unternehmen entwickeln sich, indem die inneren Landkarten der Mitspieler abgeglichen werden, so dass die formalen und informellen Spielregeln zueinander passend gestaltet werden. Aufgrund einer Art kollektiven Wahns kann dann ein Unternehmen zum Beispiel Bio-Limonade anbieten und Käufer diese dann kaufen. Funktioniert die Marktplatzierung eines Produkts, entsteht eine Art produktive paranoide Phase.
Die alltägliche Arbeit des Managements besteht in der Kopplung von Aktionen und Akteuren. Diesen grundlegenden sozialen Prozess schildert der Autor im vierten Kapitel.
Die weiteren Kapitel behandeln – nacheinander – die Gründung von Familienunternehmen (fünftes Kapitel), die unbewusste Logik der Produktentwicklung (sechstes Kapitel), Teams als Gruppen zwischen familiären und unternehmerischen Strukturen (siebtes Kapitel) oder das Spannungsfeld von Mitarbeitern und einer Organisation (achtes Kapitel). Besonders ist hier auf die Logik der Produktentwicklung als umgekehrte Traumarbeit hinzuweisen, die spannende Entdeckungen zu einer konstruktiven Kreativität bereit hält, und die Definition einer polykontexturalen Kompetenz, die eine Art Schnittstelle zwischen persönlicher Identität und kulturellen Mustern bildet.
Das neunte und das zehnte Kapitel widmen sich den Führerpersönlichkeiten. Dabei werden zunächst einige Mechanismen der Komplexitätsbewältigung vorgestellt (neuntes Kapitel) und diese dann ausführlich an dem ehemaligen CEO von General Electric – Jack Welch – diskutiert. Gerade dieses Kapitel wirft ein extrem scharfes und teilweise recht bitter-vergnügliches Licht auf „den besten Manager der Welt“.
Die folgenden drei Kapitel beschäftigen sich mit dem Veränderungsmanagement. Beim Veränderungsmanagement geht es darum, die Struktur eines Unternehmens von innen heraus zu analysieren und umzukonstruieren. Dieses Ziel wirft Probleme auf. Simon beleuchtet diese, wiederum sehr pointiert, und gibt Rezepte, beziehungsweise Rahmenempfehlungen für diesen Prozess. Auch hier legt der Autor, wie für systemische Denker typisch, viel Wert auf Störungen und „Konflikte“. Simon konstatiert hier übrigens eine Theoriearmut „amerikanischer“ Methoden, die schon längst nicht mehr ein amerikanisches Problem sein dürfte. Interventionen zu organisieren, witzelt er, könne „jeder talentierte Schimpanse“ (wohl wahr!). Diese aber sozial und soziologisch zu verankern, mithin zu wissen, was man mit diesen anrichten kann (im Positiven wie Negativen), dazu bedürfe es der Theorie.
Das vorletzte Kapitel widmet sich noch einmal den Marktzyklen. Simon vergleicht diese mit dem manisch-depressiven Muster, wie dies durch die systemische Psychiatrie erforscht wurde. Auch hier liegt mehr als nur ein auf Märkte zugeschnittener Erkenntnisgewinn. Der Zusammenhang zwischen Narzissmus und Kausalität ist weit brisanter als nur für die Theorie entfesselter Märkte.
Ein letztes Kapitel erörtert das Verhältnis zwischen Management und (externen) Beratern.
Als 1967 das Buch
Les mots et les choses (Die Ordnung der Dinge) vom französischen Philosophen Michel Foucault erschien, wurde es zu einem Bestseller. Obgleich dieses Buch eine sehr begrenzte und nicht leicht verstehbare Ideengeschichte darstellt, traf es den Nerv seiner Zeit. Der Autor, Foucault, irritierte sich daran, dass er Menschen am Strand von St. Tropez antraf, die sein Buch als Ferienlektüre mitgenommen hatten.
Simons Bücher sind eine solche Ferienlektüre allemal wert. Natürlich gilt der Inhalt zunächst einem Fachpublikum. Doch, wie eingangs erwähnt, ist der Unterhaltungsfaktor enorm und die Aufklärung, die dieses Buch bietet, für jedermann interessant. Sie ist gerade durch die weltweite ökonomische „Krise“ so aktuell wie brisant. Das Wort Infotainment ist mittlerweile zu abgestumpft, zu inhaltsleer, um es auf dieses Buch anzuwenden.
Bleiben wir also dabei, dass Fritz Simon Humor und Wissen herausragend miteinander verknüpfen kann und dass er ein echter Antipode zu Millionären und Vollidioten samt deren Autoren ist. Definitiv genial!