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Bereits mit „Freaks“ macht Joey Goebel deutlich, dass er ein großes erzählerisches Talent besitzt, mit dem er eine breite Leserschaft anzusprechen vermag. Mit „Heartland“, das im amerikanischen Original unter dem Titel „Commonwealth“ veröffentlicht wurde, legt der Autor nun wieder ein sehr umfangreiches Buch vor.
Im ländlichen Amerika ist die Welt noch in Ordnung. Außer dem Besuch der monatlichen Wrestling-Veranstaltung oder eines Monstertruckrennens und dem täglichen Überstehen der Schicht bei WalMart gibt es nicht viel zu tun für die zumeist eher mittellosen Bürger von Bashford, einer kleinen Stadt im mittleren Westen der USA. Doch eines Tages ändert sich alles: Es ist Wahlkampf! Plakate werden geklebt, Veranstaltungen, wohin man auch schaut, und Stimmenfang über das Telefon – keine Frage, die Maschinerie rollt. Und mittendrin der Clan der Mapothers, jene traditionsreiche Familie, die das ortsansässige Tabakunternehmen führt und den, von Angstattacken geplagten, Junior in den Kongress hieven will. Mithilfe seines jüngeren Bruders Eugene, der ein Leben in einem Trailerpark und einen Job bei WalMart dem Lebensstil seiner Familie vorzieht, will John Mapother die Wrestling- und Monstertruckfans seines Bezirks erreichen. Denn, und das ist ja kein Geheimnis, jede Stimme zählt. Doch das neu gefundene Familienglück ist nicht von langer Dauer, denn dunkle Wolken und ein gut gehütetes Familiengeheimnis begleiten den Wahlkampf ...
Auf über siebenhundert Seiten breitet Joey Goebel pointiert und bisweilen sehr bissig die Familiengeschichte der Mapothers vor dem Leser aus. Hierbei gelingt es ihm in einer fast beiläufigen Erzählung den Werdegang von Eugene zu schildern, der seinen spießigen Namen schon früh ablegte und ein Leben in der vermeintlichen Freiheit einer Trailerparksiedlung wählte. Beim Lesen lassen sich viele Parallelen zum kürzlich beendeten Wahlkampfmarathon in den Vereinigten Staaten von Amerika ziehen. Ebenso gut könnte die Geschichte um das dunkle Familiengeheimnis der Mapothers auch eine Episode einer beliebigen US-Soap sein. Mit viel Witz, charmanten Dialogen, aber auch vielen hintergründigen Informationen zum Wahlverhalten der Menschen in Kleinstädten, Wahlkampf im 21. Jahrhundert und einer Reihe sozialer Themen gelingt es Goebel den Leser zu fesseln. Bei annähernd 720 Seiten gibt es natürlich ein paar Längen und nicht jedes Detail der Handlung bringt diese auch wirklich weiter – doch dieser Umstand hemmt den Lesefluss nicht nachhaltig.
Das Buch aus dem Diogenes-Verlag liegt in einer gebundenen Ausgabe mit Schutzumschlag vor. Entgegen der allgemeinen Modeerscheinung erhält der Leser hier nicht ein aufgeblähtes, geklebtes Hardcover, sondern stattdessen ein angenehm unscheinbares, in Leinen gebundenes Buch.
Mit „Heartland“, dem dritten Roman von Joey Goebel, der in deutscher Übersetzung vorliegt, kann der Autor überzeugen. Ihm gelingt es miefigen Kleinstadtcharme und die gnadenlose Marketingmaschine, die als Wahlkampf verkauft wird, in einer lesenswerten Rahmenhandlung einzubetten, die den Leser ständig mit neuen – zum Teil sehr skurrilen – Einfällen bei Laune hält. Die kritischen Untertöne und die sarkastischen Anspielungen runden die Erzählung ab und verhelfen zum guten Gesamteindruck.