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 Die Tote im Badehaus

Autoren: Sujata Massey
Verlag: Piper

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Rei Shimura hat sich eine Woche Urlaub in Shiroyama gegönnt. Ihr tristes Leben als Englischlehrerin in Tokio möchte sie für das Neujahrsfest hinter sich lassen. Sie hat einen japanischen Vater und eine amerikanische Mutter und ist aus Amerika und dem goldenen Käfig, den ihre Eltern ihr erbaut hatten, entflohen. Nun teilt sie eine winzige Wohnung mit einem homosexuellen Freund und weigert sich, Hilfe von ihren Eltern anzunehmen. Sie ist dank ihres eher japanischen Aussehens dem erhöhten Misstrauen der Einheimischen ausgesetzt.
In der Pension sind mehrere Mitglieder einer japanischen Elektronikfirma, ein großer, hübsch anzusehender Schotte, eine ältliche Amerikanerin und ein junges Ehepaar zu Gast. Die Hausherrin ist streng und mag auf Anhieb die "Ausländer", vor allem Rei nicht.
Am nächsten Morgen findet Rei im Schnee hinter dem Haus die Frau des reichen höheren Angestellten der Firma tot im Schnee. Sie ist splitternackt.
Die Polizei verhört Rei und verpflichtet sie zwangsweise als Übersetzerin für die Verhöre der anderen Gäste. So erfährt Rei viele Einzelheiten, ist aber entsetzt, als der Fall sehr schnell als Selbstmord zu den Akten gelegt wird. Neugierig versuchen Rei und der Schotte Huge Glendinning herauszufinden, was wirklich geschah. Ein Mordanschlag auf sie und plötzliches Misstrauen Huge gegenüber lässt sie nach Tokio fliehen. Am liebsten will sie von dem Fall nichts mehr hören, aber der ihr zugespielte Obduktionsbericht und die Übersetzungshilfe ihres Onkels lassen sie nicht zur Ruhe kommen. Widerwillig ermittelt sie weiter.

Der Krimi der 41-jährigen Autorin ist eigentlich eher ein Roman über das Leben in Japan, vor allem über das Leben einer Halb-Japanerin in Japan und die Probleme dieser verschlossenen und Fremden gegenüber nur vordergründig entgegenkommenden Gesellschaft.
Zahlreiche Sprachbeispiele, kulturelle Schilderungen und eine ausführliche Auseinandersetzung mit der japanischen Moral und Handlungsweise verdecken die eigentliche Krimihandlung fast völlig. Nur sehr langsam kommt Spannung auf, eigentlich immer nur in der inneren Haltung der Rei Shimura. Der Verlauf der Geschichte selber ist eher Reisebericht und Sachbuch über Japan.
Nur mit viel Geduld erschließt sich dem Leser der eigentliche Wert dieses Romans: Die Entfremdung der Individuen von der Gesellschaft, im besonderen Maße der japanischen Gesellschaft, die grundsätzlich durch Etikette und starre Handlungsabläufe diese Entfremdung und Vereinsamung des Einzelnen erleichtert und teils als Ideal sieht.
Schreibweise und Komplexität des Satzbaus erschweren zwar den Genuss, aber die Person Rei wächst einem so sehr ans Herz und ist so facettenreich und wahrhaftig geschildert, dass sie diesen Roman mit Leichtigkeit trägt und zu einem Vergnügen werden lässt. Fast unmerklich weicht die Unlust an dem Sujet der inneren Spannung, wie es der Hauptdarstellerin ergehen wird.
Da die Autorin selbst indisch-amerikanische Wurzeln hat und lange in Japan lebte, nimmt man ihr diesen Charakter und ihren Werdegang als halb autobiografisch ab und verzweifelt fast an der Sturheit und unnachgiebig verfolgten inneren Unabhängigkeit, nach der die Heldin Rei strebt.
Nach dem etwas enttäuschenden Ende des Romans ertappt man sich tatsächlich bei dem Gedanken, sofort einen weiteren Roman der Autorin und der Heldin Rei Shimura zu kaufen - aber das ist wohl eher ein Lob für diesen "seltsamen" Kriminalroman.

Stefan Erlemann



Taschenbuch | Erschienen: 01. Juni 2000 | ISBN: 3492230628 | Preis: 9 Euro | 462 Seiten | Sprache: Deutsch

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