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Die Bionik ist die Wissenschaft der Nachbildung natürlicher Systeme. Diese künstlichen Systeme gleichen in charakteristischen Eigenschaften den natürlichen oder sind ihnen analog.
Die Definition wurde 1958 erstmals dargelegt, und zwar bezeichnenderweise von einem Militär. Denn in den Anfängen und erst recht in der modernen Bionik sind die Militärs meist die Auftrag- und Geldgeber.
So sind Untersuchungen an natürlichen Oberflächen (Kapitel I, S. 27-78) auf vielfältige Weise interessant. Die Nachbildung der Oberflächenstruktur von Mottenaugen etwa ist eine Möglichkeit, deren sehr geringe Reflexion technisch einzusetzen. Beispielsweise werden transparente Abdeckungen von Autoprojektoren dadurch entspiegelt (die 8% Reflexion einer Glasscheibe werden auf unter 1% reduziert). Mit Hilfe der Nachbildung der Oberflächen einer Lotus-Pflanze können Behälter mit klebrigsten Flüssigkeiten restlos entleert werden.
Neben zahlreichen Beispielen die Welt der Oberflächen betreffend, werden die tierischen Sinne und ihre Möglichkeiten für technische Errungenschaften ausführlich erläutert (Kapitel II, S. 79-108).
Weitere Schwerpunkte des Buches sind gewachste Oberflächen (Kapitel III, S. 109-158) sowie das Phänomen des Fliegens und ihre Umsetzung und Nutzung (Kapitel IV, S. 159-194) - wir lernen Beispielsweise, was ein Pelikan mit einem Airbus gemein hat.
Es folgen die technischen Verbesserungen, die durch die Erforschung des Schwimmens in der Natur möglich sind (Kapitel V, S. 195-236) und die Robotik, also die Nachbildung von tasten, krabbeln und laufen durch technische Apparate (Kapitel VI, S. 237-258).
Abschließend geben die Autoren einen Ausblick der verschiedenen Forschungszweige der Bionik (Kapitel VI, S. 259-262).
Im Anhang finden sich Kurzportraits der drei Buchautoren, ein Verzeichnis weiterführender Literatur und ein Register. Eine Auflistung nebst Erläuterung der zahlreichen Fachwörter sucht man allerdings vergebens.
Das Buch, geschrieben von Zdenek Cerman, Wilhelm Barthlott und Jürgen Nieder, will nicht weniger als einen Überblick über die Bionik geben.
Diese Übersicht ist hochinteressant und sehr ausführlich, gerät aber immer wieder zu einer hochwissenschaftlichen und schwierigen Abhandlung. Dem Laien sind Reynolds-Zahlen (für den Luftwiederstand von Flugmodellen und deren Verwendung in Windkanälen unabdingbar) schwer zu vermitteln und deren Herleitung eher uninteressant. Zahllose spannende Beispiele aus der Natur werden durch ein Zuviel an Erklärung und wissenschaftlicher Definition zu komplex und für den Laien unverständlich.
Dies ist sehr schade, denn sowohl das Forschungsgebiet als auch seine Anwendung im Alltag des Lesers sind mit wunderbaren Beispielen dokumentiert. Doch fast in jedem Fall wollen die Autoren zu viel. Es entsteht ein Fachbuch für den Wissenschaftler angrenzender Fachgebiete oder den interessierten und bewanderten Laien, keinesfalls aber ein Lesebuch für den Unkundigen. Auch als Lernstoff ist es pädagogisch nicht sinnvoll aufgebaut - es wird einfach zuviel vorrausgesetzt.
Des Weiteren sind die wenigen Grafiken zu klein, zu undeutlich und schwarzweiß. Sie sind zur Erhellung des Textes weniger geeignet. Größere und deutlich mehr Grafiken, eventuell koloriert, hätten dem Fachbuch sehr gut getan.
Sehr lobenswert ist die Darstellung des militärischen Einflusses auf die Bionik. Dieses eher unrühmliche Kapitel dieser Wissenschaft wird klar und deutlich zur Sprache gebracht und begründet. Einer Wertung entziehen sich die Autoren allerdings, für sie ist es schlicht Fakt, dass Militärs in diesem Forschungsgebiet "den Ton angeben".
Fazit: Diese wissenschaftliche Abhandlung zum Fachgebiet Bionik ist komplex und setzt einen gehörigen Willen des Lesers voraus, sich mit der Materie auseinander zu setzen. Dann aber erschließen sich wahre Fundgruben der alltäglichen Nutzung natürlicher Systeme und Methoden. Dies ist spannend und lehrreich dargestellt, doch einfach ist dieses Buch und sein Fachgebiet nicht.
Dennoch möchte ich es empfehlen, denn hier wird Wissenschaft an vorderster Front dokumentiert, und prägnant wird dargestellt, in welche Bereiche des Alltags diese Forschungsergebnisse fast unmittelbar eingreifen.