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Georg Seeßlen, angesehener Kulturkritiker und einer der produktivsten deutschen Filmjournalisten, hat sich bereits in den 1970er Jahren des Projektes einer Buchreihe zu den "Grundlagen des populären Films" angenommen. Einige der so entstandenen Monografien zu einzelnen Genres sind bereits mehrfach neu aufgelegt worden, so zum Beispiel der
Band zum Western, zuletzt 2010. Zur gleichen Zeit ist auch sein Buch zum Detektivfilm bei Schüren in einer aktualisierten Neufassung erschienen.
Die Detektive, die das Kino bevölkern, sind meist nicht dessen Erfindung: Das Genre steht vielmehr in besonders enger Verbindung zu literarischen Vorbildern. Daher zeichnet Seeßlen in "Filmwissen: Detektive" auf den ersten 50 Seiten erst einmal verschiedene Stationen der Detektiv-Literatur nach, bevor er sich in den folgenden drei Hauptkapiteln den filmischen Detektiven der klassischen Ära von 1902 bis 1974, der Phase der "Nostalgie, Parodie und Revision" von 1975 bis 1998 und des "Vanishing Hero" nach der Jahrtausendwende annimmt.
Als Vater der Detektivgeschichte, wie wir sie uns noch heute in ihrer klassischsten Ausprägung vorstellen, kann wohl Edgar Allan Poe gelten. Mit seinen zunächst scheinbar nur durch übersinnliche Kräfte zu erklärenden und schließlich doch sehr logisch auflösbaren Mordfällen befand er sich im 19. Jahrhundert genau im Herzen des Übergangs von der Romantik zum Rationalismus und rückte einen Ermittler ins Zentrum, der kraft seiner logischen Schlussfolgerungen Licht ins Dunkel von Schauergeschichten brachte. Herausragende analytische Fähigkeiten und häufig etwas eigene Charakterzüge werden in der Folge auch die zahlreichen Detektivfiguren bestimmen, die aus der Feder verschiedener europäischer Autoren entspringen: Sherlock Holmes, Pater Brown, Lord Peter Wimsey, Kommisar Maigret, Hercule Poirot. Sie wiederum finden Nachfolger in den USA, wo ein entscheidender Einfluss bei Figurenentwicklung des typischen
private eye jedoch noch aus einer anderen Richtung kommt: Die fiktionale Figur des amerikanischen Privatdetektivs, wie sie vor allem Dashiell Hammett und Raymond Chandler entworfen haben, schreibt nämlich häufig den Mythos des Westerners fort – er will zugleich der Zivilisation entfliehen und sie moralisch neu begründen, dabei wandelt er gezwungenermaßen häufig auf der Grenze des Gesetzes.
Vielleicht ist es dieser
hardboiled detective, wie ihn beispielsweise Humphrey Bogart in zahlreichen Films Noirs verkörperte, der – obwohl ebenfalls nach literarischen Vorbildern geformt – am schnellsten als typischer Film-Detektiv ins Gedächtnis kommt. Doch auch die anderen literarischen Schnüffler fanden allesamt den Weg ins Kino und zu einem breiten Publikum: Sherlock Holmes sogar schon 1902 in einer der ersten 'Literaturverfilmungen' überhaupt – nun ja, wenn man den Streifen mit einer Gesamtlänge von 30 Sekunden so nennen kann.
Georg Seeßlen offeriert dem Leser nicht nur eine Parade aller möglichen Detektivfiguren und Detektivfilme. Er liefert zugleich filmwissenschaftlich interessante, doch nie abgehobene Analysen, und er zeichnet nach, wie die unterschiedlichen Phasen des Genres mit verschiedenen Strömungen der Filmkunst und auch mit ihren soziokulturellen Kontexten zusammenhängen. Wer eine umfassende und unterhaltsame Gesamtdarstellung zum Thema Detektivfilm sucht, der ist mit Seeßlens Buch bestens bedient. Ein Augenschmaus ist es allerdings nicht: Anders als in früheren Auflagen wird leider völlig auf Abbildungen verzichtet. Eine Verbesserung ist es hingegen, dass inzwischen zusätzlich zu den meist englischsprachigen Originaltiteln im Register und bei der Erstnennung auch die deutschen Verleihtitel angegeben sind.