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 Daumier und sein Paris


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
In Deutschland wenig bekannt, gilt der Franzose Honoré Daumier als Begründer der modernen Karikatur. Anfang des 19. Jahrhunderts in bescheidenen Verhältnissen geboren, wird Daumier zu einem der bekanntesten und sozialkritischsten Künstlern seiner Zeit. Das Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts in Baden-Baden hat ihm 2010/2011 eine Ausstellung gewidmet, zu der als Ergänzung der Ausstellungsband "Daumier und sein Paris" herausgegeben wurde. Die Ausstellung wie der Band widmen sich einer Reihe von Themen, die mit Daumier und der Kunst der Karikatur zusammenhängen: der Geschichte Frankreichs im 19. Jahrhundert wie auch der Technikgeschichte und der Pariser Stadtgeschichte sowie natürlich der Kunstgeschichte. Daher dürfte der Band für viele Menschen interessant sein.

Das 256-seitige Buch mit vielen farbigen Abbildungen und einer Menge abgedruckter Karikaturen von Daumier enthält neun Aufsätze von verschiedenen Autoren zu unterschiedlichen Themen, beispielsweise zur Technik der Lithographie, dank der überhaupt erst die Karikatur zu einer verbreiteten Kunstform werden konnte, zur Pariser Stadtgeschichte, zur Biographie Daumiers und zu einigen weiteren Themen.

Zwischen den Aufsätzen finden sich eine Anzahl kürzerer, rein informativer Texte, die historische Hintergründe und Fakten zur Arbeit Daumiers liefern. In den meisten Texten wird auf abgedruckte Bilder und Karikaturen beispielshaft verwiesen.

Der Band "Daumier und sein Paris" ist durchaus gelungen. Die Texte geben in ihrer Gesamtheit ein einführendes Bild von Honoré Daumier, seiner Arbeit und seiner Zeit. Das Konzept des Bandes, mehr oder weniger wissenschaftliche Aufsätze mit rein informativen Texten abzuwechseln, macht das Buch sowohl für Laien als auch Experten lesenswert. Das reichhaltige Bildmaterial ist sowohl interessant als auch unterhaltsam. Wer sich die Karikaturen Daumiers ansieht, bekommt schnell Lust, sich weitere von ihm anzuschauen.

Sehr schön ist auch der konsequente Versuch in allen Texten das abgedruckte Bildmaterial zu nutzen. In jedem Text wird auf die angesprochenen Bilder und Karikaturen verwiesen, so dass der Leser die Argumentation der Autoren nachvollziehen kann. Nicht immer gelingt es so konsequent Bild- und Textteile miteinander zu verbinden in solchen Bänden.

Allerdings fängt hier auch die Kritik an, die so einschneidend ist, dass die Gesamtbewertung stark darunter leidet. So informativ viele der Texte auch sind, so unverständlich sind manche Thesen, die geäußert werden, wenn der Leser sie tatsächlich mit den angegebenen Karikaturen vergleicht. Ein Beispiel von vielen: In einer Karikatur fragt eine Kundin in einem der im 19. Jahrhundert in Paris gerade entstandenen großen Einkaufshäusern (Grand Magasins) nach einer bestimmten Ware. Als Antwort bekommt sie eine lange und komplizierte Wegbeschreibung, auf die sie erwidert, dass sie leider ihr Taxi draußen gelassen habe. Im Hintergrund erstreckt sich das Innere des Kaufhauses in gigantischen Ausmaßen. Die Pointe ist auch dem heutigen Betrachter ohne weitere Erklärung klar. Daumier verspottet die für seine Zeit überdimensionalen Ausmaße moderner Kaufhäuser. Doch einer der Autoren vermag noch mehr zu sehen in dieser vielleicht nur dem Laien zu einfach erscheinenden Szene. Er spekuliert, dass der Verkäufer vielleicht mit dem Taxifahrer unter einer Decke stecke, um die arme Dame auszunehmen ...

Der Leser könnte solche abstrusen Thesen in dem Buch einfach übergehen, kämen sie nicht zu häufig vor. Leider scheint es für die Autoren nur zwei Möglichkeiten zu geben, wenn sie sich daran machen Karikaturen zu interpretieren: Entweder sie schreiben einfach nur, was der Leser auch selber sehen kann, oder sie übertreiben es mit seltsamen und für die weitere Erkenntnis oftmals sinnlosen Spekulationen. Bei ersteren fragt sich der Leser meistens, warum der Autor hier auf der rein deskriptiven Ebene bleibt, bei zweiterem ärgert er sich einfach nur solchen Unsinn lesen zu müssen.

Auch kritisch ist anzumerken, dass die Autoren sich hin und wieder sehr weit vom eigentlichen Thema, nämlich Daumier, Paris und Karikaturen, entfernen. Dies betrifft vor allem den Aufsatz von Philipp Kuhn "Von Paris nach Berlin", in dem es darum geht, wie moderne Kunstrichtungen es um 1900 schafften sich ihren Weg von Frankreich nach Deutschland zu bahnen. Der sicher kunsthistorisch interessante Aufsatz verliert sich seitenweise derart in deutscher Kunstgeschichte, dass der Leser schon fast vergisst, dass es irgendwie doch auch um Daumier gehen sollte.

Dennoch ist das Buch durchaus zu empfehlen. Für Kenner Daumiers ist es sicher ebenso interessant wie für interessierte Laien, die noch gar nichts von ihm wissen. Auch wenn viele Textstellen an chronischer Überinterpretation leiden, bekommt der Leser doch eine gute Einführung zu Daumiers Leben und Werken. Und viel mehr als die Autoren des Bandes hat Honoré Daumier es verdient sich mit ihm zu beschäftigen. Lust auf mehr machen die vielen Karikaturen in dem Band in jedem Fall, was allein schon eine Empfehlung wert ist.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 14. September 2010 | ISBN: 978-3868281804 | Preis: 28,00 Euro | 256 Seiten | Sprache: Deutsch

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