Seit 2006 gibt es für den englischen Sprachraum den Band "Tierphysiologie", der die wichtige integrative Darstellung dieser Biowissenschaft erstmals anbot. Die deutsche Ausgabe erschien 2008 für fast neunzig Euro bei Pearson Studium. Unverändert kann man dieses für diesen Fachbereich wichtige Buch seit Dezember 2010 für unter fünfzig Euro als "Bafög-Ausgabe" erwerben.

In zwei Kapiteln versuchen die Autoren Christopher D. Moyes und Patricia M. Schulte einen möglichst kompletten Überblick über alle Aspekte der Tierphysiologie zu geben. Teil I bietet auf zweihundertsiebzig Seiten "Die zellulären Grundlagen der Tierphysiologie". Im Einzelnen gehen die Autoren auf Zellstoffwechsel, Hormone und Signalübertragung, neuronale Struktur und Funktion und Zellbewegung und Muskeln ein.
Teil II widmet sich den "integrierenden physiologischen Systemen". Dies sind "Sensorische Systeme", "Funktionelle Organisation des Nervensystems", "Kreislaufsysteme", "Atmungssysteme", "Ionen- und Wasserhaushalt", "Verdauung", "Fortbewegung", "Thermoregulation" und "Fortpflanzung".
Der Anhang listet "Mathematische Grundlagen", ein ausführliches, kapitelweise geordnetes Literaturverzeichnis und ein Indexverzeichnis auf.

Studierende der Biologie, sei es Bachelor, Master, Lehramt oder Diplom, stehen, wenn sie den Wahlbereich Tierphysiologie ausgesucht haben oder den Grundvorlesungen zu diesem Thema lauschen, vor dem Problem, eine zusammenhängende Darstellung zu finden, die das Gehörte zusammenfasst oder im besten Fall vertieft. Kein Buch kann dies leisten, der Umfang würde leicht ein- oder gar zweitausend Seiten erreichen und jeden Studenten – zumal jeden Anfänger – überfordern.

Der Band "Tierphysiologie" von Moyes/Schulte (und hunderten weiteren Gutachtern) versucht, diese Eier legende Wollmilchsau zu generieren, wohl wissend, wie unmöglich ein derart ehrgeiziges Unterfangen ist.
Doch bereits der erste Teil, der die Grundlagen mehr knapp als zufriedenstellend darstellt, führt zunächst zur Ernüchterung: Hier ist alles zu kurz und zu hastig aneinandergereiht, um zu überzeugen.
Zwar sind Grafiken, Tabellen, der sehr gute Text und viele Bilder vorhanden, die den Zugang erleichtern. Doch pendelt das Buch zwischen chronischer Über- und Unterforderung hin und her und es ist nicht leicht, den Zusammenhang wirklich immer zu erkennen, der die einzelnen Kapitel zum Teil dieses Buches macht.
Doch dann folgt Teil II. Und hier liegt die eigentliche Stärke dieser integrativen Darstellung vieler tierphysiologischer Aspekte. Vor allem "Verdauung", "Thermoregulation" und "Fortpflanzung" können überzeugen. Denn nicht nur die vielfältigen Lernhilfen, die Zusammenfassung am Schluss jedes Kapitels und die weiterführenden Fragen und Informationen sind gelungen, vor allem der Schreibstil der Autoren ist gut lesbar und verständlich. So werden komplizierteste Sachverhalte, wie beispielsweise "Nierenbau- und Funktion" oder die "Photoelektrische Transduktion bei Wirbellosen und Wirbeltieren", eingängig erklärt.

Für diesen Preis und dank der exzellenten Darstellung vieler komplexer Zusammenhänge ist "Tierphysiologie" eines der wenigen erhältlichen ganzheitlichen Konzepte, das für den Studierenden der Biologie nahezu unverzichtbar ist. Ein wenig enttäuscht zwar der erste Teil des Buches, doch die "Integrierenden physiologischen Systeme" in Teil II sind mehr als gelungen und machen dieses Buch zu einem echten Hilfsmittel für Anfänger und Fortgeschrittene.