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Schultze war sein Leben lang Bergarbeiter. Jetzt wird Schultze mit seinen beiden Freunden Manfred und Jürgen in den Vorruhestand geschickt. Keiner von den dreien weiß so recht, was er neben Stammkneipenbesuch und Angeln machen soll. Da hört Schultze eines Tages im Radio seltsame Musik. Amerikanische Musik. Musik, die Schultze irgendwie gefällt und die er auch gleich auf seinem Akkordeon nachspielt.
Die Musik gefällt Schultze sogar so gut, dass er sie im örtlichen Musikverein vorspielen will. Doch da will keiner die "Negermusik" hören. Also entschließt sich Schultze, nach Amerika zu fahren. Er kann zwar fast kein Wort Englisch, aber vielleicht findet er da trotzdem jemanden, der ihn versteht.
Wenn das Regiedebüt von Michael Schorr, "Schultze gets the Blues", irgendwas aussagen möchte, dann vor allem das: Wir Deutschen sind bieder. Bieder und alt.
Schultze als Titelfigur des Films ist demnach sowas wie der Ur-Deutsche. Er ist alt und bieder, hat einen dicken Bierbauch, verhält sich stets korrekt, mag Volksmusik und poliert regelmäßig seine Gartenzwerge. Deutscher gehts nicht. So verbringt Schorr mehr als die Hälfte des Films damit, die biedersten Ecken der immer älter werdenden Bevölkerung Deutschlands zu zeigen - machen wir uns nichts vor, irgendwoher muss die Begeisterung für Volksmusik ja kommen - und ganz sanft zu charakterisieren. Denn der klassische Deutsche, den Schultze repräsentiert, liebt zwar seine Gartenzwerge, sein Traditionsbewusstsein, seine Ordnung, sein Bier und seine Musik, aber er wird dabei immer einsamer. Dabei ist er schon dermaßen borniert, dass ein plötzliches Gefallenfinden an schlimmer "Negermusik" umgehend mit einem Arztbesuch quittiert wird, welcher einem erst mal versichern muss, dass man nicht etwa krank ist. Veränderung wird im großen deutschen Biedertum also behandelt wie eine Krankheit - so drückt es auch der Titel des Films herrlich zweideutig aus.
Von daher ist uns Schultze, der stille Held dieses stillen Films, auch ungemein sympathisch in dem Versuch, aus seiner eintönigen, grauen Welt der Blümchentapeten auszubrechen. Und was muss er in Amerika entdecken? Dort zeichnen die Amerikaner in speziellen Bars und Festhallen ein hyperreales, überdrehtes Bild von genau dem deutschen Alltag, dem er zu entkommen versucht. Und wir Deutschen schämen uns des Eindrucks, den wir in anderen Kulturen hinterlassen. Zusätzlich werden sämtliche Amerikaner als freundlich und zuvorkommend dargestellt, das Land wird in einer Warmherzigkeit porträtiert, die dem unseren im Film fehlt.
"Schultze gets the Blues" ist einer der langsamsten und stillsten Filme, die je in deutschen Landen gemacht worden sind. Kamera- und Regiearbeit sind dabei jedoch äußerst bemerkenswert. Die erste Hälfte des Films besteht nahezu ausschließlich aus völlig statischen, unbewegten, minutenlangen Einstellungen, die Kamera steht wie ein vergessenes Möbelstück mitten im Raum, Schultze ist meist weit von der Linse entfernt. Personen stehen im Bild und verdecken teilweise die Sicht. Schultze wirkt isoliert, der Zuschauer fühlt sich isoliert und sich nicht richtig ins Geschehen einbezogen. Doch nach und nach kommt Bewegung in die Kamera. Hier mal ein kleiner Schwenk, dort ein weiterer, vielleicht sogar eine Kamerafahrt - so wie in Schultzes Leben Bewegung kommt, bewegt sich die Kamera mit. Selten zwar und ohne es zu übertreiben, aber spürbar im Vergleich zum Anfang. Trotzdem beherrscht die statische Einstellung den Film bis zum Schluss - schließlich kann sich auch Schultze nicht voll und ganz von seiner biederen Art trennen.
Diese technischen Spielereien machen den Film zu einem ganz kleinen meditativen Kunstwerk, schließlich ist von einer richtigen Story nicht die Rede, bewegt sich "Schultze gets the Blues" im Zeitlupentempo voran, zeigt häufig in dokumentarähnlichem Charakter irrelevante Dinge, Landschaften und Handlungen und baut so seine melancholische Stimmung auf, die immer mal wieder von schrulligem Humor durchzogen ist.
Horst Krause liefert dabei eine ganz tolle, absolut glaubwürdige Performance als Schultze ab, seine Kollegen sind ebenfalls sehr gut in ihren ebenfalls subtil charakterisierten Rollen. Nur einigen Nebenrollen merkt man schnell an, dass sie mit Laien besetzt wurden - was die dargestellte Biederkeit eigentlich nur noch unterstreicht.
Fazit:
Ein Film über deutsches Biedertum, der gerade wegen seiner Biederkeit ungemein sympathisch ist - vorausgesetzt, man lässt sich darauf ein.
Die DVD ist genauso bieder ausgestattet wie der Film selbst. Drei Trailer und ein Audiokommentar sind die einzigen Extras, die dem Film beigelegt wurden - aber bei einem so kleinen Streifen darf man wahrscheinlich auch nicht mehr erwarten.
Dafür bietet die Scheibe einen relativ guten 5.1-Surround-Sound, der die wenigen Effekte angemessen dynamisch rüberbringt, es aber versäumt, die hinteren Kanäle zu verwenden, wenn dies möglich gewesen wäre. Das Bild ist recht blass, was im Sinne des Dokumentarstils sein mag, aber ansonsten ebenfalls ordentlich.