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 Medien/Kultur, Band 3: "Welchen der Steine du hebst"

Filmische Erinnerung an den Holocaust


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
"Welchen der Steine du hebst" – unter dieses auf ein Gedicht von Paul Celan anspielendes Motto stellen die drei Herausgeberinnen ihren Sammelband zu den filmischen Erinnerungen an den Holocaust. Damit verweisen sie sowohl auf die Erinnerungen, die hervortreten, wenn die Steine, welche metaphorisch für die Zeugen der Vergangenheit stehen, aufgehoben werden, als auch auf die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind.
Spezifiziert wird dies in 23 Aufsätzen und einer einführenden Darstellung, in denen die Autorinnen und Autoren die unterschiedlichsten Aspekte der filmischen Erinnerung an den Holocaust beleuchten. Dabei erfolgt eine erfreulich weite Auslegung des Begriffs "Holocaust", welche nicht auf den Aspekt der Judenvernichtung eingeengt wird, sondern auch andere Opfergruppen wie beispielsweise Sinti und Roma mit einschließt. Vielfältig sind weiterhin die Perspektiven der Annäherung, die sowohl einzelne Filme in den Blick nehmen (z.B. "Undzere Kinder"), Zeitabschnitte ("Die Sexualisierung des Holocaust im italienischen Kino zwischen 1969 und 1985"), Motivgruppen (z.B. die Darstellung von Sinti und Roma in Tatorten) oder übergreifende (theoretische) Aspekte der filmischen Erinnerungsarbeit (z.B. "Worte, Blicke, Bilder. Verschiedene Wege, die Geschichten des Holocaust zu erzählen"). Selbst gescheiterte Projekte wie Stanley Kubricks "Aryan Papers" oder Jerry Lewis' "The day the clown cried" werden thematisiert. Auch die zeitliche Spanne der in den einzelnen Beiträgen herangezogenen Filme berücksichtigt ein breites Spektrum und reicht von der unmittelbaren Nachkriegszeit (alliierte Dokumentarfilme) bis in die nähere Gegenwart (Tatort "Brandmal" aus dem Jahre 2008).

In dieser dargelegten Vielfalt liegt sowohl die Stärke als auch die Schwäche des Sammelbandes. So gelingt es, durch diese Vielfalt beispielsweise einer monokausalen Betrachtungsweise vorzubeugen und stattdessen der Komplexität der filmischen Erinnerungsarbeit an den Holocaust gerecht zu werden. Denn die Erinnerung an den Holocaust erschöpft sich eben nicht in populären Spielfilmen wie "Schindlers Liste" oder "Der Pianist", sondern schlägt sich auch in Dokumentarfilmen und kommerziell weniger erfolgreichen Filmen nieder. Allerdings sollte eine Beschäftigung mit der filmischen Erinnerungsarbeit an den Holocaust – wie in dem Sammelband leider geschehen – populäre Spielfilmproduktionen auch nicht außer Acht lassen. Zudem führt die Vielfalt des Bandes dazu, dass sich die einzelnen Beiträge selbst in Einzel- bzw. Randerscheinungen verlieren, ohne eine übergeordnete Perspektive ausreichend zu berücksichtigen.
Kritisch ist außerdem anzumerken, dass der Bezug zur übergreifenden Thematik – der filmischen Erinnerungsarbeit an den Holocaust – nicht immer bei allen Beiträgen ausreichend berücksichtigt wird. So wird beispielsweise die im Titel des Bandes erwähnte "Erinnerung an den Holocaust" bei Julia Roths Beitrag "Ein Volk von roten Unterröcken. Doing Gypsy, Doing Gender in Spielfilmen und der Krimiserie Tatort seit 1989" auf eine Analyse des filmischen Umgangs mit Stereotypen zu Sinti und Roma verkürzt bzw. aufgelöst, so dass allenfalls das Fortschreiben bzw. die Dekonstruktion von Stereotypen durch die behandelten Filme thematisiert wird, keineswegs aber die Erinnerungsarbeit dieser Filme an den Holocaust ausreichend in den Blick gerät. Lediglich im untersuchten Tatort "Armer Nanosh" scheint auf der inhaltlichen Ebene des Films dieser Bezug zum Holocaust noch auf, wenngleich die Erinnerungsleistung zu wenig thematisiert wird.
Auch der Beitrag "In der Dunkelkammer. Überlieferung und historische Wahrheit in Atom Egoyans Spielfilm Ararat" leistet auf den ersten Blick keine Analyse der filmischen Erinnerung an den Holocaust, sondern an den Völkermord an den Armeniern. Allerdings gelingt es hier dem Verfasser Sven Kramer überzeugend, eine Brücke zum Holocaust zu schlagen, da er die Herangehensweise in "Ararat" als mustergültiges Beispiel anführt, wie filmische Erinnerungsarbeit aussehen könnte, wenn keine lebenden Zeitzeugen mehr zur Verfügung stehen. Er thematisiert damit ein Problem, welches in naher Zukunft auch auf die filmische Erinnerungsarbeit an den Holocaust zukommt, und zeigt mit der Analyse von "Ararat" eine konkrete Lösungsmöglichkeit auf, wie dieser Schwierigkeit begegnet werden kann.
Trotz der teilweise kritischen Anmerkungen bleibt festzuhalten, dass viele Beiträge des Sammelbandes interessante Einblicke in einzelne Teilaspekte der filmischen Erinnerung an den Holocaust bieten, wenngleich einschränkend bemerkt werden muss, dass die thematische Verzahnung der Einzelstudien von wenigen Ausnahmen abgesehen zu kurz kommt.

Matthias Jakob Schmid



Softcover | Erschienen: 1. Januar 2012 | ISBN: 978-3865053978 | Preis: 29,90 Euro | 366 Seiten | Sprache: Deutsch

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