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Von einer unglückseligen Vergangenheit getrieben, zieht Aigolf Thuranson seit rund zwanzig Jahren durch Aventurien und macht Jagd auf Sklavenhändler, die er aus persönlichen Gründen hasst. Er kennt fast jeden Fleck auf der Landkarte, aber im Dschungel war er noch nicht.
Dorthin verschlägt es ihn jedoch, als er im verruchten Al?Anfa den jungen Waldmenschen Túan vor ein paar Sklavenjägern beschützt und anschließend erst einmal mit ihm aus der Stadt fliehen muss. Túan wollte die Welt jenseits der Grenzen des Urwaldes kennen lernen, wurde versklavt und hat nun festgestellt, dass Seinesgleichen dort nichts verloren hat. Doch zurück in seinem Dorf, will man nichts mehr mit ihm zu tun haben und verbannt ihn. Zudem erfahren die beiden Gefährten, dass Túans Mutter bei dem Versuch, den Jungen zurück zu holen, ebenfalls in die Hände der Sklavenfänger gefallen ist. Aigolf findet heraus, dass sie mit einem Sklaventreck zur Oase Keft in der Khomwüste gebracht werden soll. Die Beiden machen sich auf den Weg, sie zu befreien, und erleben dabei eine Menge Abenteuer, durch die Túan die ihm fremde Welt der Weißen immer besser kennen lernt. Ihr Weg führt sie schließlich bis ins Mittelreich. Unterwegs treffen sie auf Elfen, Zwerge, Novadis, aber auch Khomgeier und anderes Gezücht, und schließlich auf eine junge hübsche Diebin namens Anadis ...
Der zweite Roman der DSA-Reihe präsentiert ein weitaus größeres Stück Aventurien als Kiesows "Der Scharlatan". Jedoch wird man, wenn man sich in dieser Fantasywelt ein wenig auskennt, das Gefühl nicht los, dass Uschi Zietsch sich da ihr eigenes kleines Aventurien ausgedacht hat: Man trifft auf den vermutlich
badocsten aller Elfen, ein tönendes Raubein, das in Port Corrad einen Krämerladen führt, in dem es nach unzähligen Gerüchen stinkt, ohne dass das seiner Elfennase zuwider wäre; man lernt die Oase Keft, dieses Zentrum des Rastullah-Glaubens, als einen auch für Zwölfgöttergläubige sehr gastlichen Ort kennen, was man gar nicht glauben möchte; man kann sich nahezu überall auf Garethi unterhalten; ein gestandener Krieger kann sich offen zu seiner opportunistisch-hinterhältigen Ader bekennen und dennoch auf Rondras Beistand hoffen; Pferde springen aus einer Menge heraus über die Köpfe der Menschen hinweg; Aventurien scheint ein Dorf zu sein, wenn Túan sogar weiß, was Elfen und Zwerge sind, und Aigolf in beinahe jeder Stadt irgendwen kennt; und ein langer Marsch durch den Dschungel und ein weiter Ritt durch die Khomwüste scheinen zwar anstrengend, aber nicht wirklich gefährlich zu sein. Ach ja, nicht zu vergessen Aigolfs frustrierter Ausruf "Bei Hesthoth, dem Schwarzen!", eine Dämonenanrufung, die wohl nur deshalb ohne Konsequenzen bleibt, weil die Niederhöllen
diesen Krieger vermutlich ohnehin bekommen werden. Aber letztlich will die Autorin ja keinen Reiseführer, sondern ein Reiseabenteuer bieten, da seien ihr die Schwächen ihrer Aventuriendarstellung verziehen.
Die Story ist mit ihrem einen Handlungsstrang recht einfach gestrickt: Ein Sklave sucht seine Mutter und verfolgt ihre Häscher quer durch den Kontinent, erhält dabei Unterstützung von einem verbitterten Krieger und erfährt am Ende seine wahre Geschichte. Das ist nicht nur schlicht, sondern bisweilen auch langweilig. Erst gegen Ende kommt mit Anadis Farbe ins Spiel. Für den Handlungsverlauf ist sie eigentlich nicht von Belang, aber sie bringt einen Schwung in die Erzählung, den man sich schon viel früher gewünscht hätte, die Szenen mit ihr sind die besten im ganzen Buch. Das führt zugleich zu der Erkenntnis, dass diese weibliche Figur eigentlich der interessanteste Charakter ist - ach, hätte Frau Zietsch ihr Buch doch "Anadis die Diebin" genannt!
Die beiden männlichen Hauptfiguren werden als Meister und Lehrling dargestellt, was auf Dauer nervt. Aigolf hat immer einen klugen Spruch auf Lager, er weiß, kennt und kann fast alles, und was er nicht weiß, kennt oder kann, das lernt er sehr schnell. Er kennt sich nach zwanzig Jahren auf Wanderschaft fast überall aus, findet den Weg durch die Wüste mit traumwandlerischer Sicherheit, hat scheinbar für jede Gelegenheit das richtige Artefakt und den richtigen Zauberstaub dabei, ist vermutlich der beste Schwertkämpfer aller Zeiten, unerschütterlich, unbesiegbar, er hat mit allem Recht, was er sagt und prophezeit, und leider begreift man als Leser all das viel zu früh, denn die Autorin wird nicht müde, ihren Helden alle paar Sätze aufs Neue in ein perfektes Alleskönnerlicht zu setzen. So ist keine der gefährlichen Situationen wirklich spannend. Bedeutet: Das ganze Buch ist nicht spannend. Das Erstaunlichste aber ist, dass dieser Krieger mit allen Merkmalen eines stolzen Thorwalers ausgestattet ist - der Name, rote Haare, Zöpfchen und Bart, hünenhafte Statur, rauer Umgangston, Überheblichkeit -, aber aus dem Bornland kommt. Aigolf spielt auch in dem späteren Roman "Der Drachenkönig" die Hauptrolle.
Túan, die eigentliche Hauptfigur, ist da schon differenzierter gestaltet, auch wenn man sich noch ein bisschen mehr Weltfremdheit wünscht - jedoch ist hier die Selbstverständlichkeit, mit der er manchen Dingen in der Welt der Weißen begegnet, am Ende nachvollziehbar, und das Aufeinanderprallen zweier Kulturen wird ausreichend dargestellt. Doch wirklich in die Tiefe geht auch seine Darstellung nicht.
Der Autorin gelingt es nur selten, ein wenig Dschungel-, Wüsten- oder Großstadt-Flair auf den Leser zu übertragen. Ihr Schreistil ist bemüht, aber nicht elegant und teilweise nachlässig - da befindet man sich in einer Zwergensiedlung unter Tage und sie wird nicht ein kleines Bisschen beschrieben. Die Szenen, die sie beschreibt, könnten sehr schön sein, wenn sie die richtigen Worte dafür fände, aber so bleibt alles ein wenig verwunschen und romantisch und träge.
Das Buch verfügt über dasselbe Aventurien kurz beschreibende Vorwort wie "Der Scharlatan" und über gleich zwei Aventurienkarten, beide am Anfang und einmal über eine, einmal über zwei Seiten verteilt - niedlich: Das große Punin ist da nicht drauf, aber das vergleichsweise kleine Lowangen schon. Am Ende des Buches folgt der obligatorische Glossar aventurischer Begrifflichkeiten.
Fazit: Das Buch von Uschi Zietsch hätte dringend eines (DSA-)kompetenten Lektorats bedürft, das diverse Schnitzer aufgrund ihrer scheinbar mangelhaften Aventurienkenntnis hätte ausbessern müssen. Ansonsten ein bemühtes und romantisiertes, aber belangloses kleines Stück phantasiearmer Fantasy mit einer schlichten Story, schlichten Charakteren und schlichtweg fehlendem Spannungsbogen.