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Die Welt im Jahr 2058: Zachary Buzz, genannt Zack, macht sich auf den weiten Weg in die legendäre Megapole Myjoy, um dort als Polizist für Recht und Ordnung zu kämpfen. Myjoy ist nicht nur gigantisch groß und überbevölkert, es ist auch "der letzte Ort in der Galaxie, an dem man Spaß hat!". Hier locken zahllose Zerstreuungen, Spiele und Ablenkungen für Jung und Alt. Zwei Wochen im Jahr darf jeder Bürger in Myjoy verbringen, um sich seine Wünsche erfüllen zu lassen und einen fantastischen Urlaub zu erleben.
Doch für Zack, das schwergewichtige "Landei" mit echten Idealen und einem viel zu weichen Kern, erweist sich Myjoy als riesiger, vergnügungssüchtiger und verwirrender Moloch, in dem die Polizisten nicht wirklich die Opfer von Verbrechen beschützen, sondern ihr Leben in für Touristen inszenierten Verbrecherjagden aufs Spiel setzen - und wo überdies grausame Morde geschehen. Bagatelldelikte werden hingegen nicht von den Polizisten selbst, sondern von dem elektronischen Kontrollsystem A.L.I.C.E., das die Stadt kontrolliert, geahndet. Als Zack die Nähe zu einer jungen Frau sucht, macht er die schmerzhafte Bekanntschaft mit den Regeln, die in Myjoy gelten ...
"Urban: Die Spielregeln" ist der Auftaktband einer spektakulären neuen Serie von Luc Brunschwig (Texte) und Roberto Ricci (Zeichnungen und Farben), die insgesamt drei Bände umfassen wird. Das Autor/Zeichner-Duo hat eine fesselnde Dystopie entworfen, die den Betrachter von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann zieht und ihn tief berührt, während er Zacks Ankunft und seine ersten Schritte in der gigantischen Vergnügungsmetropole Myjoy verfolgt. Die böse Zukunftsvision enthält einen guten Schuss Brazil, einen Hauch Bladerunner, eine Portion Running Man, ein wenig Brave New World - und dennoch wirkt die Geschichte nie wie ein Abklatsch, sondern sorgt durch die stimmig-düstere Atmosphäre, viele originelle Einfälle und massenhaft liebevoll integrierte Details für eine ganz eigene Stimmung.
Der naive, gutherzige und körperlich wie emotional unbeholfene Zachary Buzz ist der perfekte Antiheld, durch dessen Augen der Leser Myjoy entdeckt - oberflächlich betrachtet ist die Stadt ein riesiger Vergnügungspark, in dem alle Wünsche wahr werden, aber bei näherem Hinsehen entpuppt Myjoy sich als zynisches Irrenhaus, in dem Unrecht und Unmenschlichkeit vorherrschen. All dies ist verpackt in eine schrille, von grellen Werbeschildern erleuchteten Kulisse, durch die die Vergnügungssüchtigen streifen. Und über all dem thronen die Herren über das pervertierte Wunderland: die elektronische Eminenz A.L.I.C.E. und der Hase Springy Fool, der Myjoy erfunden hat.
Die feinen, sehr sorgfältig kolorierten Zeichnungen von Roberto Ricci heben sich insgesamt sehr angenehm vom Mainstream ab und sind durch ihren Detailreichtum immer einen zweiten und auch dritten Blick wert. Die Kolorierung passt wunderbar zu der hier erzählten Geschichte und straft die "lustige" Atmosphäre Lügen: Obwohl Myjoy sich dem absoluten Spaß verschrieben hat, sind die Szenen oft grau und drückend, matschfarben und trostlos, die Gesichter der Passanten vor Gier verzerrt oder schrecklich verlebt.
"Urban: Die Spielregeln" zeigt eine faszinierende und schreckliche Zukunftsvision und erzählt eine packende Geschichte, deren Protagonist Zack Buzz das Herz des Lesers sofort erobert. Selten sind Texte und Zeichnungen gleichermaßen gut - hier wurde alles richtig gemacht. Am Ende kann man es kaum abwarten, den zweiten Band "Die zum Sterben Verdammten" in den Händen zu halten - denn erst hier geht die Geschichte wahrscheinlich richtig los.
Eine Leseprobe gibt es hier auf der Website des Splitter Verlags.