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Im Kalten Krieg ging es kaum anders zu als in den letzten paar Jahren: Russland beziehungsweise die Sowjetunion bedrohte den "guten" Westen, der doch, angeführt von der Schutzmacht USA, nur das Gute in die weite Welt tragen wollte und will. Davon jedenfalls ist er überzeugt - oder zumindest vermitteln es die Medien.
Damals wie heute gehören brutale Stellvertreterkriege zum Programm. Als das hier besprochene Buch 2014 als Hardcover erschien, stand dabei vor allem die Ukraine im Mittelpunkt, inzwischen ist bekanntlich die Situation in Syrien eskaliert.
Gleich im ersten Kapitel geht es um die Frage, wer denn nun eigentlich die "Guten" und die "Bösen" sind. Danach wird die Geschichte der Ukraine umrissen. In einigen der nachfolgenden Kapitel haben einige wichtige Akteure und Ereignisse im Zusammenhang mit der Ukraine ihren Auftritt, so die CIA mit ihren jahrzehntelangen dortigen Aktivitäten oder auch Präsident Poroschenko, der nicht nur, wie man den Medien entnimmt, ein Schokoladen-, sondern auch ein Rüstungsfabrikant ist, und nicht zuletzt das auf bestürzende Weise berühmt gewordene Flugzeug MH17. Auch beleuchten die Autoren den angeblich demokratischen Umsturz in der Ukraine kritisch. Weitere Themen sind vor allem die eigentlichen Streitpunkte zwischen den Supermächten: Öl, weitere Rohstoffe, Pipelines und militärische Verbündete. Das abschließende Kapitel mit dem Titel "Wer sind die Guten?" zieht Bilanz.
Wer vorsichtig äußert, dass er oder sie den ein oder anderen außen- und wirtschaftspolitischen Schachzug Russlands beziehungsweise Putins nachvollziehen könne, sieht sich meist mit dem Attribut "Putinversteher" gebrandmarkt, auch wenn laut Bröckers und Schreyer ein erheblicher Prozentsatz der Deutschen in Umfragen die Objektivität der medialen Berichterstattung anzweifelt. Vermutlich nicht offen, weil man ihnen dann das Unwort "Lügenpresse" in den Mund legten würde.
Die Autoren möchten keineswegs eine Lanze für Putin und sein Russland brechen, das sie durchaus nicht als eine Demokratie westlicher Lesart ansehen. Es geht ihnen jedoch darum, aufzuzeigen, dass die zurzeit von den westlichen Medien vorgenommene Schwarz-Weiß-Malerei ohne jeden Grauton schlicht Zusammenhänge unter den Tisch kehrt, die zum Verständnis der Vorgänge im Nahen und Mittleren Osten essentiell sind. Wenn wirtschaftliche Interessen Russlands jenen der Saudis und ihres engen Verbündeten USA zuwiderlaufen und ein Assad sich an seine Verträge mit Russland hält, werden Assad und Russland einseitig zu Dämonen hochstilisiert. Damit machen es sich, so der Tenor des Buchs, die "Hüter" der Deutungshoheit ein bisschen zu einfach.
Bröckers und Schreyer gehen vor allem detailliert auf den Ukraine-Konflikt einschließlich der komplexen Historie ein, Krim inklusive. Sie zeigen, dass sich der Vorwurf, Putin habe die Krim mal eben geraubt, so nicht halten lässt - und dass der vorgeblich demokratische Umsturz in der Ukraine, aus dem dann der Bürgerkrieg in der Ostukraine resultierte, keineswegs hauptsächlich von demokratischen Kräften der Ukraine vorgenommen wurde, sondern wesentlich mithilfe der USA. Dass Putins autoritärer Führungsstil auch damit zu tun haben könnte, dass die Russen selbst wohl den Ausverkauf ihrer Rohstoffquellen an amerikanische Firmen unter Putins Vorgänger Jelzin (der in mehr als einer Hinsicht kein so nüchterner Machtmensch war wie Putin) und die enorme Macht der sich bereichernden Oligarchen satt hatten, findet sich in den westlichen Medien jedenfalls nicht, dafür in Bröckers' und Schreyers Buch. Es wirkt aber, wenn man sich den Zusammenbruch der Sowjetunion um 1990 und seine fatalen Auswirkungen auf die Bevölkerung vor Augen hält, durchaus plausibel.
Auch für Leser, die sich nicht auf das Niveau der "Lügenpresse"-Schreier begeben möchten, dürften die Hinweise auf die Stiftungen und Netzwerke interessant sein, in denen die führenden Journalisten der bedeutenden Zeitungen Deutschlands organisiert sind. Einiges an der Medienlandschaft verwundert nach der Lektüre weniger. Allerdings scheint nun bei Erscheinen der Taschenbuchausgabe, Anfang 2016, etwas mehr Vielfalt Einzug gehalten zu haben - nach wie vor allerdings dann nicht, wenn es um Putin geht.
Es gibt recht viel starken Tobak in diesem Buch; das ist den Autoren offensichtlich auch bewusst, daher belegen sie ihre Aussagen, nicht zuletzt jene zu dem über der Ukraine abgeschossenen zivilen Flugzeug MH17, mit seriösen Quellen. Der Schreibstil ist klar, angenehm und bestens verständlich, die Argumentation stets nachvollziehbar. Nicht jeder Leser wird mit jeder im Buch vorgenommenen Interpretation eines Geschehens oder Verhaltens komplett einverstanden sein, zumindest aber ermutigt es zu einer differenzierten Sichtweise, konsequentem Hinterfragen und der Nutzung von Informationsquellen über die gewohnten Medien hinaus.
Ein Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.