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 Mao und seine verlorenen Kinder

Chinas Kulturrevolution


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Gesamt ++++-
Anspruch
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Preis - Leistungs - Verhältnis
Nachdem Maos "Großer Sprung nach vorne" zu einer Hungerkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes geführt hatte, schien der chinesische Diktator in Richtung Abstellgleis zu verschwinden. Doch es gelang ihm so etwas wie ein "Comeback", und er festigte seine Macht, indem er seine möglichen Konkurrenten gegeneinander ausspielte und dafür sorgte, dass das gesamte Land im Chaos versank. Dieses entstand durch die sogenannte Kulturrevolution in der Tat – mit weitreichenden Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft.

Frank Dikötter hat sein Buch über die Kulturrevolution in vier Abschnitte gegliedert: Auf das Vorwort, eine kurze Chronologie und eine Karte Chinas folgt zunächst Teil eins "Die frühen Jahre (1962-66)", woran sich Teil zwei "Die roten Jahre (1966-68)", Teil drei "Die schwarzen Jahre (1968-71)" und Teil vier "Die grauen Jahre (1971-76)" anschließen.
Ein umfangreicher Anhang rundet das Werk ab.

Mit "Maos großer Hunger" hat der in Hongkong lebende und lehrende Historiker Frank Dikötter bereits einen Band zur neueren chinesischen Geschichte vorgelegt, der sich mit den Jahren befasst, die der Kulturrevolution vorausgingen. In seinem neuen Buch betrachtet er die Jahre von 1962 bis zu Maos Tod 1976, die das Land wirtschaftlich noch einmal zurückwarfen und die Gesellschaft nicht nur spaltete, sondern in ein grenzenloses Chaos stürzte.
In groben Zügen hat wohl jeder potenzielle Leser die Kulturrevolution kennengelernt, zumindest als Thema im Schulunterricht: wie in eine Bewegung, die zunächst Schüler und Studenten dazu brachte, ihre Lehrer und Professoren und schließlich alle vielleicht in irgendeiner Form konterrevolutionären Mitbürger zu diffamieren, schikanieren, drangsalieren und foltern, letztlich so gut wie alle Bevölkerungsgruppen hineingezogen wurden. Arbeiter, Bauern und Armee folgten auf die jungen Menschen. Es entlud sich eine schwer nachvollziehbare massenhafte sadistische Gewalt, die ihresgleichen sucht. Und eine Generation junger Leute wurde um Bildung und einen gesunden Weg in die Erwachsenenwelt betrogen – Maos verlorene Kinder.

Dikötter versucht sich an einem schwierigen Spagat, der ihm durchaus gelingt: Der rote Faden in Form der Kette der Hauptereignisse in Beijing geht nie ganz verloren, auch wenn dem Leser immer wieder Seitenblicke in andere große Städte oder auch in die Provinz ermöglicht werden. Eine übergeordnete, auf Archivmaterial basierende Perspektive wechselt sich mit persönlichen Erfahrungen Einzelner ab, die mit ganz unterschiedlichen sozialen und familiären Hintergründen die Kulturrevolution durchlebt haben. Zu diesen gehört zum Beispiel Jung Chang, die die Geschichte ihrer Familie über drei Generationen ergreifend in "Wilde Schwäne" vorgestellt hat und auch im Buch "Mao" die Vergangenheit aufarbeitet.

So entstand ein Buch, das sehr lebendig und spannend wirkt, und zwar chronologisch die historisch relevanten Vorgänge beleuchtet, das den Leser jedoch auch immer wieder unbarmherzig mit den Schwächen der menschlichen Natur und ihren verstörenden Auswirkungen konfrontiert, gerade bei den Kindern und Jugendlichen der Roten Garden, die einen für Außenstehende unbegreiflichen Sadismus und massive Zerstörungswut entwickelten. "Kinder an die Macht"? Bloß nicht, hofft der Leser nach der Lektüre und empfindet doch tiefes Mitleid mit dieser missbrauchten, entwurzelten Generation.

Ein Nachteil dieser Art der Darstellung ist allerdings die Fülle an oft sehr ähnlich anmutenden Namen, mit denen der Lesende konfrontiert wird. Dies kann schon einmal verwirren. Übrigens hätte ein etwas umfangreicherer Fotoblock dem Buch auch gutgetan. Diese Kritikpunkte sind jedoch marginal gemessen an dem auf fesselnde Weise vermittelten Wissen, das der Autor vermittelt - Fakten und Zusammenhänge gemeinsam mit subjektiven Erfahrungen.

Einen Blick ins Buch bietet die Verlagsseite.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 13. März 2017 | ISBN: 9783806233841 | Preis: 39,95 Euro | 414 Seiten | Sprache: Deutsch

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