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Ist es bei Hamlet noch der Staat Dänemark, in dem etwas faul ist, so haben in jüngster Zeit einige Skandale gezeigt, dass die Europäische Union stinkt. Nicht als Staatengemeinschaft an sich, sondern vom Kopf her: Während die EU-Politiker keine klare Linie für die Weiterentwicklung Europas vorweisen können, kassieren sie auf Kosten seiner Bürger ordentlich ab.
Hans Herbert von Arnim, dessen Name deutschen Printmedien-Lesern vom in den Medien entfachten Streit um das Abgeordnetenstatut bekannt wurde, befasst sich im vorliegenden Buch mit den Missständen in der Europäischen Union. Im ersten Teil ("Die europäische Pseudodemokratie") geht es um mangelhafte oder fehlende Möglichkeiten der Einflussnahme des Bürgers auf die europäische Politik und Verwaltung. Von Arnim arbeitet alle relevanten Bereiche der EU ab und untersucht sie unter dem Gesichtspunkt der Demokratie, unter anderem den Rat oder vielmehr das undurchsichtige Rätesystem, das Parlament und den Gerichtshof. Sein Fazit: Ihnen allen fehlt eine wirkliche demokratische Legitimierung. Die geringe Akzeptanz der Union durch die Bürger wurde durch die negativen Referenden aus Frankreich und den Niederlanden 2005 deutlich, doch sie lässt sich auch an der sehr geringen Beteiligung bei Europawahlen ablesen. Mangelnde Transparenz, Politiker, die sich aus der Verantwortung stehlen und diese Europa zuschieben, wobei sie sich kräftig aus der Kasse bedienen, eine groteske Agrar- und Struktur-Politik, Lobbywirtschaft - die Manko-Liste ist lang.
Die folgenden Abschnitte untersuchen die Selbstbedienungspraxis der Parteien in der EU, "Europabeamte im Schlaraffenland", die mangelnden Kontrollen der Gremien, die "Als-ob-Volksvertreter" im europäischen Parlament und schließlich das oben erwähnte Abgeordnetenstatut, das ursprünglich noch mehr Abzocke erlaubt hätte und vor allem den Abgeordneten aus den ärmeren Ländern zugute gekommen wäre. Der letzte Teil schildert die Medienschlacht, die von Arnim lostrat, als er die Zahlen öffentlich machte, und die Reaktion von EU-Parlamentariern, die mit allen Mitteln dagegen angingen, aber letztlich aufgrund der gründlichen Sachkenntnis des Autors scheiterten. Ein Schlusskapitel fasst die Chancen, vor allem aber die Missstände der Staatengemeinschaft kurz zusammen.
Das Buch mit seiner wissenschaftlich klaren, logischen Gliederung erläutert den gesamten Apparat der EU, sodass der Leser begreift, wie "Europa funktioniert". Aufgrund der fehlenden Öffentlichkeit vieler Gremien und Entscheidungen, oft auch aus mangelndem Interesse, haben die meisten EU-Bürger hierbei gravierende Defizite und können daher das Ausmaß des Sumpfes aus der Demokratie fernem Selbstzweck, Eitelkeiten, Blockaden aus nationalen Belangen, Lobbying, Kleptokratie und Spielarten der Korruption gar nicht erfassen. Der Jurist, Volkswirt und Hochschulprofessor Hans Herbert von Arnim vermittelt fachkundig die notwendigen Grundlagen und weist anhand von aktuellen Zahlen, nachvollziehbaren Rechnungen und anschaulichen Tabellen die teilweise haarsträubenden Mängel nach; Behauptungen werden in der langen Anmerkungen-Liste belegt. Der Autor beschränkt sich aber nicht auf Kritik, sondern er bietet zu jedem Problem diskussionswürdige Lösungsansätze. "Das Europa-Komplott" ist auch für Laien gut verständlich und durchaus packend, wenn man sich für das Thema interessiert. Die Darstellung der Medienschlacht gegen das Parlament mag nicht jedermanns Sache sein, weil sie stellenweise den Charakter einer - offensichtlich berechtigten - persönlichen Abrechnung annimmt. Auch kommt es häufig zu inhaltlichen, fast wörtlichen Wiederholungen, die allerdings von Vorteil sind, wenn der Leser lediglich gezielt einen Einzelaspekt nachschlagen möchte. Jeder Abschnitt ist in sich abgeschlossen.
Für Bürger mit politischem Interesse und einer gesunden Europa-Skepsis (die nicht mit pauschaler Ablehnung gleichgesetzt werden sollte) bietet dieses Buch reichlich höchst aufschlussreiche und aufwühlende Lektüre.