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Ist man erst dann Alkoholiker, wenn man seinen Job verliert, keine Rechnung mehr bezahlen kann und als Penner auf der Straße lebt? Nein, Alkoholismus ist eine schleichende Krankheit, die lange für das Umfeld unerkannt bleiben kann. Doch der soziale und körperliche Abstieg ist dem Alkoholiker sicher. Es ist ein Fahrstuhl, der in den Abgrund stürzt. Eine Rettung besteht nur für den, der noch frühzeitig abspringt.
Die Amerikanerin Caroline Knapp beschreibt in ihrer Autobiografie "Alkohol. Meine gefährliche Liebe" ihr Leben als "funktionierende Alkoholikerin". Sie ist erfolgreiche Journalistin, hat Freunde, Männerbekanntschaften und kommt aus einer gutbürgerlichen Familie. Knapp ist weit entfernt von furchtbaren Geschehnissen in der Vergangenheit, wie Vergewaltigung, Schlägen oder einer schweren Krankheit, die ihre Sucht "erklärbar" und damit für die Gesellschaft verständlich machen, frei nach der Devise: "Bei einem solchen Schicksal ist ja klar, dass die Person xy zur Flasche greifen muss." Die Autorin ist schlicht und einfach Alkoholikerin wie Millionen andere Menschen auf der Welt, bei denen sich auch ohne eine dramatische Kindheit der Alkoholkonsum vom Genussmittel zur Sucht entwickelte.
Zwanzig Jahre lang gehörte Caroline Knapp zu diesen "funktionierenden Alkoholikern": Niemals hat sie bei der Arbeit getrunken, nie ihre Pflichten vernachlässigt oder gar ihren Job verloren - es ist ein scheinbar geordnetes, beruflich erfolgreiches Leben als Journalistin. Doch hinter der Fassade gibt es dieses andere, zweite Leben, das einzig und allein vom Alkohol bestimmt ist.
Knapp beschreibt ihre Beziehung zum Alkohol als eine Liebe - ähnlich wie eine Beziehung zu einem Liebhaber: "Es geschah folgendermaßen: Ich verliebte mich, und als die Liebe alles zerstörte, was mir lieb und teuer war, musste ich mich von ihr befreien." Das Trinken beginnt also allmählich alles, auch ihre Beziehungen, zu zerstören. Als sie schließlich im Rausch beinahe die Kinder ihrer besten Freundin umbringt, wird ihr klar, dass diese Liebe zum Alkohol nur tödlich enden kann. Eindringlich und mit schonungsloser Offenheit erzählt dieses Buch die Geschichte einer Sucht, mit all ihren Höhen und Tiefen, den persönlichen Hintergründen, psychischen Ursachen und deren Überwindung. Scharfsinnig geht Caroline Knapp der Frage nach, was es mit der Faszination Alkohol besonders für Frauen auf sich hat, zum Beispiel die Angst vor Sexualität und die Unsicherheit, sich gegenüber Männern zu behaupten.
Durch dieses Buch können Alkoholiker den Mut fassen, ihren Absprung aus der Sucht frühzeitig in Angriff zu nehmen, bevor sie tatsächlich eines Tages ihren Job verlieren, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können und als Obdachloser auf der Straße leben. Angehörigen und Freunden offenbart Knapps Geschichte das Innenleben eines Alkoholikers mit seiner krankheitstypischen Scheinlogik und zeigt ihnen, dass sie den Alkoholiker fallen lassen und ihm Hilfe verweigern müssen, um ihm helfen zu können, weil er sich nur mit professioneller Hilfe und eigenem Willen von seiner Krankheit befreien kann. Insgesamt verdeutlicht das Buch auch, wie einfach in einer Gesellschaft, in der Alkohol eben "dazu gehört", der Weg zum Alkoholiker ist.
"Alkohol. Meine gefährliche Liebe" ist eine spannende und informative Biografie, in der eine mutige Autorin viel über ihr privates Leben preisgibt und damit anderen Betroffenen - den Abhängigen sowie den Co-Abhängigen - helfen kann. Caroline Knapp starb leider schon im frühen Alter von 42 Jahren im Juni 2002 an Krebs.