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Überall liegen tote deutsche Soldaten, als sie wieder aus den Bunkern kommen. Halina ist schrecklich kalt und sie fürchtet sich. Wenig später ist sie schwer krank. Die Angina schlägt auf die Gelenke und das junge Mädchen darf das Bett nicht mehr verlassen. Doch die Krankheit wird immer schlimmer. Niemand kann ihr helfen und sie ist für den Rest ihres vielleicht nur noch kurzen Lebens todkrank.
Als Folge dieser Krankheit ist ihr Herz schwer geschädigt worden und von nun an fühlt sie jeden einzelnen Herzschlag. Wie ihr Herz sich abmüht, wie es ihr den Atem nimmt, wie es Halina nicht mehr gehen, stehen und lernen lässt. Sie liegt fast immer im Bett, nichts kann sie tun, ohne dass ihr Herz anfängt wie wild zu schlagen, ihre Brust einschnürt und schmerzt. Sie geht doch so gerne spazieren.
Wenige Wochen nur hat sie eine Schule besucht, fast immer ist sie alleine. Unzählige Krankenhäuser lernt sie kennen, helfen kann ihr niemand.
Mit achtzehn Jahren lernt sie
ihn in einem der vielen Sanatorien kennen. Der Professor hält ihre Liebe für Selbstmord. Alleine sind sie gefährdet, aber es besteht immerhin Hoffnung - zusammen müssen sie seiner Meinung nach sterben. Aufregung, die Not des anderen, die Sorge, die Nähe - alles bringt sie um. Dennoch heiraten die beiden. Halina liebt ihn und stirbt lieber mit ihm gemeinsam, als den Rest ihres Lebens im Dunkeln an die Wand zu starren. Nur zwei Jahre dauert ihr anstrengendes, gefährliches Glück, dann stirbt er.
Sie ist wieder allein, wandert von einem Krankenhaus zum nächsten, im Nachkriegspolen kann man ihr nicht helfen. Ihre ersten Gedichte wecken die Aufmerksamkeit vieler Polen und sie beginnen, für die junge Frau eine Reise in die USA zu planen. Sehr viel Geld muss zusammenkommen, viele Stellen überzeugt werden, unzählige Steine aus dem Weg geräumt werden, um ihr eine Reise in die USA und eine Operation am offenen Herzen zu ermöglichen. Sie wagt kaum zu hoffen, dass es ihnen gelingen wird und sehnt dennoch den Tag ihrer Abreise herbei.
Ihr ein einziger, lieber Freund, dem sie diese Zeilen - das ganze Buch - schreibt, ist verzweifelt, glaubt sie für immer zu verlieren. Sie liebt ihn nicht, aber er ist ihr Spiegel, ihre Heimat, ihr einziger Vertrauter, den sie noch hat. Und doch hofft sie, ihn verlassen zu können, ihn zu enttäuschen und zu leben. Denn das einzige, was sie will, ist leben.
Im Jahre 1968 erschien dieses Buch in Polen, ein Jahr nach dem Tod der Autorin Halina Poswiatowska. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Berühmtheit. Vier ihrer Lyrikbände gelten als das beste, was im Polen der Nahkriegszeit entstanden ist. Das Schicksal der Autorin bewegte ganz Polen, ihr posthum erschienener Roman ist ein moderner Klassiker geworden. Dennoch dauerte es über 30 Jahre, bis dieses einmalige Werk in deutscher Sprache erscheinen konnte.
Die kühle Sprache, die unnachahmlich direkte Art dieser Frau lässt den Leser erschauern. Ihr Schrei nach Leben, mit Wärme, Anteilnahme und sicherem Gespür für den Moment, für die wirklich wichtigen Dinge, liest sich spannender als ein Krimi. Er bewegt, lässt erbeben, hoffen und verzweifeln.
Diese Autorin ist ein Juwel der polnischen Literatur, vielleicht der Weltliteratur. Ihre Lyrik hat Halina Poswiatowska bereits unsterblich werden lassen - dieser Roman ist mit Sicherheit ein ebenso einmaliges Werk. Ohne Selbstmitleid, ohne den Blick zurück und ohne mit ihrem Schicksal zu hadern, schildert diese junge Frau, welche Gier auf ein "normales" Leben in ihr besteht und wie sie diesem Schrei nachzukommen gedenkt. Widerstände gibt es für sie nicht, Hindernisse nimmt sie nicht wahr. Einzig den nächsten Tag erleben, das nächste Buch zu lesen und sich erneut zu verlieben ist ihr Ziel.
Dank ihrer knappen, melancholisch-klaren Sprache, ihrer Versiertheit in der Darstellung von Gefühlen und dem sicheren Blick auf ihre Mitmenschen fasziniert diese Frau.
Das Gefühl eines großen Verlustes, den ihr früher Tod gerissen hat, macht sich im Leser breit. Die Leere, die diese junge Frau, die man nach der Lektüre dieses Buches zu kennen glaubt, hinterlässt, ist erstaunlich. Fast bedauert man, keine weiteren Romane von ihr lesen zu können und ist traurig, dass ihre Lyrik-Bände entweder nicht ins Deutsche übersetzt oder vergriffen sind. Der Ruf, den Halina Poswiatowska in Polen genoss und bis zum heutigen Tag genießt, dringt nicht über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus. Auch fast vierzig Jahre nach ihrem Tod versuchen Gönner, Freunde und Anhänger immer noch dies zu ändern. Der vorliegende Band ist ein markanter Wegstein auf dem Weg zu einem europaweiten, vielleicht sogar weltweiten Siegeszug ihrer Lyrik und dieses Romans.