Seit einigen Jahren veröffentlicht Tom Wolf seine humoristischen Preussenkrimis rund um den alten Fritz, in denen der wohlbeleibte französischstämmige Hofküchenmeister Honorè Langustier diverse Fälle löst und nebenbei die Wunderlichkeiten des preussischen Staates erkundet. Mit diesem ungewöhnlichen Sujet hat Wolf offenbar ins Schwarze getroffen: ingesamt sieben Bände umfaßt die Reihe bereits, die ersten zwei wurden als Hörspiele vom DeutschlandRadio umgesetzt, und auch eine Filmumsetzung ist geplant. Zeit also, noch einmal zum ersten Preussenkrimi aus Wolfs Feder zurückzukehren: "Königsblau".
Darin wird im Jahr 1740 der königliche Flügeladjutant Adelbert von Falckenberg mausetot im damals noch recht wilden Tiergarten zwischen Berlin und Charlottenburg aufgefunden. Schnell stellt sich die Frage, ob der Adlige standesgemäß im Duell starb oder Opfer eines Mordkomplotts wurde ... und wenn ja, warum? Fest steht, dass einiges faul ist im Preussenstaat, wo seit Jahresmitte der Thronfolger Friedrich II., später genannt "Der Große", regiert und bereits tüchtig mit dem Säbel rasselt, um ein halbes Jahr später in den Schlesischen Krieg gegen Österreich zu ziehen. Mehr aus Liebe zum Ungewöhnlichen denn aus kriminalistischer Neigung beginnt sich der Hofküchenmeister Honoré Langustier für den Fall Falckenberg zu interessieren, sekundiert von seiner Familie und dem Polizeichef Jordan, zwischen dampfenden Kochtöpfen und brutzelnden Pfannen ...
Zugegeben, der kriminalistische Faden, der sich durch "Königsblau" zieht, ist eher simpler Natur und dient mehr als Handlungsrahmen denn als tatsächliches Futter für Krimifans. Weitaus spannender ist Wolfs Darstellung der Ära um Friedrich den Großen, die er mit großem Augenzwinkern und Wohlwollen betrachtet, ohne allerdings die Schattenseiten des Militärstaates Preussen auszublenden. Friedrichs "Lange Kerls" und die demütigenden Rituale des Preussenheers, seltsame (und etwas planlos agierende) Freimaurerlogen, dezente Anspielungen auf Friedrichs Homosexualität und auf die Skandale der Oberschicht - all dies macht "Königsblau" zu einem großen Lesevergnügen. Auch der Hauptprotagonist Langustier - ein stark übergewichtiger, verheirateter, neugieriger Meisterkoch - ist so originell gezeichnet, dass es eine Freude ist, seinen Ermittlungen zu folgen. Die Dialoge orientieren sich dabei am damaligen Jargon und beweisen immer wieder eines: dass sich Tom Wolf hervorragend mit der Zeit und seinem Metier auskennt. Trotzdem schrammt "Königsblau" gelegentlich nur haarscharf am Preussenkitsch vorbei, auch wenn Wolf deutliche Worte für den blutigen Expansionskriegs Friedrichs findet.
Alles in allem ein großer Lesespaß und Auftakt einer der originellsten Krimireihen der letzten Jahre. Unbedingt reinschnuppern!