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 Spielwelt Abenteuer: Der Ruf des Roten Raben


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Leitbarkeit


Das MuChanKwan-Kloster liegt in den westlichen Bergen des TsaiChen-Tals. Abseits leben die Mönche in einem Talkessel und seit eine Delegation, die zum Kloster geschickt wurde, nicht zurückgekehrt ist, gibt es Spekulationen, was dort Schlimmes vorgefallen sein mag. Hat eine Räuberbande das Kloster überfallen? Kam die Delegation vielleicht gar nicht an? Oder kann noch etwas Schlimmeres passiert sein?
Prekär wird die Lage dadurch, dass die Delegation von Tora Okame, einem Fürsten des TsaiChen-Tals ausgesandt wurde, damit alles für die Ankunft des Fürsten vorbereitet ist, wenn dieser das Kloster besucht. Was passieren wird, wenn keine Vorbereitungen getroffen sind, lässt sich leicht ausmalen. Die Adeligen des TsaiChen-Tals mögen es nicht, wenn ihren Wünschen nicht entsprochen wird.

Die Frau eines Mitglieds der Delegation hat nun Angst um ihren Mann, sie fürchtet zugleich aber auch um das Kloster. Somit bittet sie die Gruppe, doch einmal zum Kloster zu reisen und zu schauen, was dort vorgefallen sein mag.
Noch vor dem Kloster bietet sich die erste Überraschung, denn seltsame metallische Wesen wandeln zwischen den Mönchen umher. Solche Wesen hat man in ganz KanThaiPan noch nicht gesehen, aber sie müssen wohl friedlich sein, wenn die Mönche sie nicht weiter beachten.

Von den Mönchen ist nur zu vernehmen, dass diese Metallwesen die Boten einer neuen Zeit sind. Was mag das bedeuten? Und wieso kam die Delegation, so sagen die Mönche, gar nicht am Kloster an? Aber dies sind nicht die einzigen seltsamen Vorfälle. Der Abt des Klosters scheint einer schweren Krankheit zu unterliegen und wie lange er noch zu leben hat, kann niemand sagen. Außerdem wird die Pagode, in der die Bibliothek untergebracht ist, von diesen seltsamen Metallwesen bewacht. Und was ist das für ein Affe, der nachts durch das Kloster schleicht und dann wieder verschwindet?
Aber dies sind noch nicht alle seltsamen Ereignisse, denen die Gruppe auf die Spur kommen kann. Es gibt eine weitere Pagode, die von allen gemieden wird. Es heißt, dort drin würden Geister umgehen. Und schließlich ist da noch das Felsengrab, in dem eine Ahnentafel gefunden wurde, die Tora Okames Abstammung auf eine alte kaiserliche Linie zurückführen soll. Aber nun ist diese Tafel in der Bibliothek und anscheinend ist es nicht möglich, dort hinein zu gelangen.

Dieses Abenteuer, welches sich für Figuren mittlerer bis höherer Grade eignet, bietet eine interessante, aber auch komplexe Hintergrundgeschichte. Die Gruppe gelangt aus Versehen in seltsame Geschehnisse, die sich in dem Kloster abspielen und wird vor allerlei Rätsel gestellt. Doch das größte Rätsel ist es, diese Rätsel erst einmal zu erkennen. Es gibt nämlich keinen vorgeschriebenen Handlungsstrang, sondern nur jeweils einen kurzen Abriss über verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Die Gruppe kann in das Kloster gehen und dort Fragen stellen, sie kann aber auch heimlich in Kloster eindringen und dort Ermittlungen betreiben. An Hand der Metallwesen ist dies gar kein unwahrscheinliches Vorgehen. Man benötigt eine gewisse Flexibilität um dieses Abenteuer zu leiten, denn wie die Gruppe reagiert ist wahrscheinlich abhängig davon, wie der erste Blick auf das Kloster und der daraus resultierende erste Eindruck ist.

Der größte Teil des Buches beschreibt das Kloster und die einzelnen Räume und Gebäude. Es gibt eine Gesamtkarte des Tals, zwei Karten des Klosters und mehrere Teile des Klosters noch einmal einzeln abgebildet. Das Kartenmaterial ist somit recht umfassend und für dieses Abenteuer ausreichend.
Die Beschreibungen der Örtlichkeiten sind, sofern sie im Kloster angesiedelt sind, auch genügend, wobei eine Beschreibung des Tals schön gewesen wäre, sodass rund um das Kloster auch etwas Leben entstehen kann. Es gibt ein paar Erwähnungen was sich dort befindet, diese sind aber sehr knapp. Vor allem fehlen mir aber Hintergrunderläuterungen zu den einzelnen Elementen im Kloster. Welche Funktion hat der Kleiderraum im Heiligtum? Warum werden in diesem Ankleideraum die Kleidungsstücke eines gefürchteten Zauberers aufbewahrt? Ein wenig Hintergrund zu der Bedeutung der einzelnen Örtlichkeiten im Leben des Klosters wären sehr schön gewesen, denn ansonsten verkommt das Kloster leicht zu einem gewöhnlichen Ort. Außerdem wären Informationen über das Klosterleben interessant gewesen. Was machen die Mönche den ganzen Tag? Wie oft sind sie im Heiligtum? Wie sieht ihre Lehre genau aus? Wenigstens in Bezug auf letzteres wären einige kurze Informationen interessant gewesen, um dem Kloster einen ganz eigenen Flair zu geben. Interessant wäre es auch gewesen zu wissen, wann Mönche in welchen Räumen sind. Leider fehlen solche Informationen aber, sodass man als Spielleiter selbst noch einiges an Arbeit in das Abenteuer stecken muss.
Ein weiteres Manko ist, dass viele Informationen über das ganze Buch verteilt sind und man es entweder sehr gut kennen muss oder häufig blättern darf. Der Aufbau ist also nicht so gut gelungen, wie er hätte sein können. So finden sich die Informationen zum Erdgeschoss der Bibliothek an ganz anderer Stelle als die Informationen zu den Obergeschossen, aus dem Grund, dass die Ebenen einzeln beschrieben sind. Es wäre aber sinnvoller gewesen, statt die Ebenen separat zu beschreiben, lieber die Gebäude zu separieren, dafür aber an einer Stelle vollständig zu beschreiben.
Wenn ich schon bei der Kritik bin, dann möchte ich die Anzahl an magischen Gegenständen und an Wertgegenständen ansprechen. Zum Beispiel gibt es einen Raum, in den die Gruppe potentiell gelangen kann, indem sich alleine Gegenstände im Wert von 15000 Goldstücken befinden. Stilistisch mag dies passend sein, aber es gibt weitere Räume, in denen sich ebenfalls noch einmal viele tausend Goldstücke finden lassen. Magische Gegenstände sind auch sehr zahlreich. Man sollte also als Spielleiter schauen, dass man seine Gruppe davon abhält mehr mitzunehmen, als einem passt oder direkt die Anzahl regulieren. Die Gefahr, dass alle Gegenstände und alles Gold mitgenommen wird, ist zwar gering, wenn die Gruppe ein wenig Moral besitzt und nicht plündernd durch ein Kloster zieht. Aber das, was die Gruppe bedenkenlos einstecken kann, führt ihr schon eine Menge Gold und eine größere Anzahl magischer Utensilien zu. Es wäre also eine gute Überlegung, ob man dies, je nachdem was man für akzeptabel hält, nicht einfach vorher abschwächt.

Ansonsten gefällt mir das Abenteuer sehr gut. Die Geschichte ist komplex und kann erst spät durchschaut werden. Leider hat sie wieder mit den Schwarzen Adepten zu tun, was bei den wenigen existierenden TsaiChen-Tal-Abenteuern wohl immer der Fall zu sein scheint. Aber hier ist der Schwarze Adept diesmal nicht der eigentliche Drahtzieher des Unglücks, sondern nutzt einen Fehler aus, der zu einer Verschiebung der Sphären führte und ihm eine glänzende Möglichkeit für die Durchführung seiner eigenen Pläne bot. Es gilt aber diese nicht einfach nur zu durchkreuzen, sondern sie erst einmal zu erkennen. Besonders letzteres dürfte nicht so leicht sein und erfordert einige Ermittlungen im Kloster. Dazu warten aber auch andere offene Fragen. Ein Beispiel wäre der Schwarze Mönch, der als Geist in der Grabanlage umherwandelt und nach dem Roten Raben sucht. Es liegt nun an der Gruppe, ob sie dem Geist helfen kann, den Roten Raben zu finden.

Als ein kampfbetontes Abenteuer sollte man den Ruf des Roten Raben nicht spielen, denn die Gegner können sehr zahlreich und schwer werden. Es empfiehlt sich, hier heimlich und geschickt vorzugehen. Kämpfer können dann immer noch auf ihre Kosten kommen. Denn Gefahren sind in diesem Abenteuer reichlich vorhanden. Aber noch mehr Rätsel sind zu lösen und viele von ihnen können die Gruppe in tödliche Gefahren bringen. Gerade diese Vermischung verschiedener Elemente, Kampf, Untersuchung eines Gebäudekomplexes und Detektivarbeit, macht dieses Abenteuer interessant. Für die Spieler mag es zwar an vielen Stellen verwirrend erscheinen, was in dem Kloster passiert, aber alles passiert vor einem passenden Hintergrund, der mit etwas Glück auch am Ende aufgeklärt werden kann.

Einige Stellen gibt es an dem Abenteuer zu kritisieren, dies habe ich auch schon getan, dennoch würde ich es empfehlen, sofern man als Spielleiter Interesse hat, viel Eigenleistung in das Abenteuer zu stecken. Gewiss hätte man mehr aus dem Abenteuer machen können, als es in der vorliegenden Form geschehen ist. Nicht nur das, zumindest mir fehlen einige Informationen, die dem Abenteuer ein schöneres Flair gegeben hätten, manche Räumlichkeiten hätten auch besser in das Spiel eingebunden werden können, wie zum Beispiel der Klostergarten. Aber da kann man als Spielleiter selbst improvisieren, wenn man es möchte. Ansonsten hat man aber ein sehr interessantes Gerüst, welches dieses Abenteuer bieten, das man mehr oder weniger noch ausschmücken kann. Sollte man jedoch ein einfach zu leitendes Abenteuer haben wollen, welches übersichtlich geschrieben und ausreichend ausgearbeitet ist, dann kann ich von diesem nur abraten. Alle anderen Spielleiter, die keine solche Abenteuer verlangen, dürften mit dem Roten Raben viel Spaß haben.

Geschrieben ist das Abenteuer noch nach den alten Midgardregeln. Die Umstellung dieser Regeln auf das neue Format machen momentan insoweit noch Probleme, als dass die landestypischen Fertigkeiten noch nicht durch die bisherigen neuen Publikationen gedeckt sind. Aber mit dem Erscheinen des neuen Quellenbuchs zu KanThaiPan wird auch dieses Problem behoben sein. Der Besitz des KanThaiPan-Quellenbuchs empfiehlt sich für das Abenteuer, da auf zahlreiche Informationen aus dem Buch Bezug genommen wird. Die Spielfiguren müssen jedoch nicht aus KanThaiPan stammen, doch empfiehlt es sich, dass zumindest eine der Figuren KanThaiTun lesen und schreiben kann, da zahlreiche Schriftstücke in dem Abenteuer von Bedeutung sind. Einige von ihnen hätte man sehr gut als Handout dem Buch beifügen können wie zum Beispiel den Brief der Vorgesetzten des Schwarzen Adepten an diesen. Der Brief wird erwähnt und hat eine große Bedeutung, sein Inhalt wird aber nie genauer dargestellt. Aber der phantasievolle Spielleiter wird auch diese Situation zu meistern wissen.

Für Spieler andere Rollenspielsysteme ist vielleicht noch interessant, dass sich dieses Abenteuer auch leicht in einer anderen Rollenspielwelt ansiedeln lässt, wenn man den Glauben der Mönche als den einer Sekte hinstellt, die isoliert in den Bergen lebt. Meiner Meinung nach lässt sich das Abenteuer ganz gut in verschiedenste Welten transferieren, ohne zusätzlichen Aufwand zu machen.

Jens Fleischhauer



Softcover | Erschienen: 01. Januar 1993 | ISBN: 3924714185 | Preis: 11,95 Euro | 74 Seiten | Sprache: deutsch

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