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Den Golem - die unheimliche Sagenfigur aus der jüdischen Kabbala - kennen die meisten wohl aus dem bekannten Roman von Gustav Meyrink, der im Prag des frühen 20. Jahrhunderts spielt. Tatsächlich ist der Golemmythos natürlich viel älter und zugleich eine der wirkungsvollsten jüdischen Legenden. Er ist zugleich Dreh- und Angelpunkt für die oft vergessenen - oder nur verzerrt wahrgenommenen - magischen und mystischen Traditionen, die das Judentum im Mittelalter begleiteten.
Abseits von Klischee und romantischer Verklärung widmet sich der israelische Kultur- und Mythoswissenschaftler Moshe Idel der Figur des Golem. Er beginnt mit antiken Überlieferungen, aus denen die Kabbala vermutlich den aus Lehm geformten Kunstmenschen entlehnt hat. Denn es gibt zahlreiche antike Parallelen, etwa in der ägyptischen Magie. Idel verfolgt diese Spuren dann bis ins Mittelalter, beschäftigt sich dabei auch immer wieder mit der symbolischen Deutung des Mythos, mit ihren psychologischen und theosophischen Anklängen. Es folgen weitere Ausführungen zur Renaissance, vor allem zu den Schriften des Kabbalisten Moses ben Jacob Cordovero, der ein magisch-energetisches Konzept auf dem Golemmythos aufbaute. Erst im vorletzten Kapitel, das sich mit den Nachklängen der Golemfigur in der Frühen Neuzeit und der Moderne befasst, kommt Idel auch auf den Prager Golemmythos zu sprechen. Das abschließende Kapitel widmet sich dann speziellen Fragestellungen, etwa einer semantischen Untersuchung des Worts Golem.
Moshe Idel hat wohl das umfassendste Werk zu dem jüdischen Mythos verfasst. Es bietet eine Reflexion auf höchstem Niveau über den Golem, wobei immer wieder Fragen der Philosophie, Psychologie, Biologie und Soziologie gestreift werden. Denn die Vorstellung eines künstlichen Menschen berührt immer auch gesellschaftliche Fragen und gerade der Golemmythos, der eng mit der realen Geschichte der Juden im Mittelalter und in der Neuzeit verknüpft ist, mit all den Verfolgungen, Ausgrenzungen und Ohnmachtsgefühlen, legt eine umfassende Deutung dieser Figur nahe. Wer Gustav Meyrink verschlungen hat, kommt an diesem Buch nicht vorbei.