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Um was es in Wagners Lohengrin geht? Naja, um einen Kerl namens Lohengrin, der ... Ja, worum geht es nur? Das wissen oft nicht einmal die Leute, die sich gerade in einer Aufführung dieser Oper befinden. Entweder weil das die Aufführung begleitende Textgut zu hochgestochen oder zu langweilig geschrieben ist - oder weil diese Bücher zu viel kosten. Und was die da auf der Bühne singen und tun ... Wissen das die Sängerinnen und Sänger überhaupt selber?
Wo informiert man sich also, ohne aus lauter Langeweile aufzugeben? Da kommt Wolfgang Körners "einzig wahrer Opernführer" gerade recht, und gegenüber der Originalausgabe von 1985 wartet die Neuausgabe von 2007 der erweiterten Fassung von 2003 nicht nur mit 69 Opern, sondern auch mit 43 Operetten und 41 Musicals auf.
Diese werden jeweils Alphabetisch und mit einer Einleitung versehen dargestellt, angefangen mit allgemeinen Informationen zu Oper, Operette oder Musical, der der Inhalt folgt. Dieser wird erst ausführlich dargestellt, wobei die Absurdität so mancher Musikschauspiele offenbar wird, und dann in einem "Kurztext für sehr Nervöse" nochmals in wenigen Sätzen zusammengefasst. Da die meisten Werke Überlänge und deshalb eine Pause haben, bietet Körner außerdem jedes Mal einen "Tipp für Pausengespräche", in dem er vorschlägt, wie man sich in der Halbzeitpause vor anderen Kulturkonsumenten als Kenner profilieren kann, auch wenn man doch eigentlich eher Banause ist. Abgeschlossen wird jede Werkdarstellung von einer Aufzählung der besonderen Hits, von denen die Opern eher wenige, die Operetten und Musicals dafür umso mehr aufzuweisen haben. Hat man das Buch durchgelesen, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass es sich mit dem Niveau genau andersherum verhält.
Da man, zumindest gilt das für die Oper, tendenziell ja weniger wegen der Aufführung ins Opernhaus geht, sondern um gesehen zu werden - behauptet jedenfalls Körner -, hat der Autor "Ein notwendiges Nachwort" über "Die Kunst, im Opernhaus nicht unangenehm aufzufallen" beigefügt. Außerdem ist der Text immer wieder von amüsanten Illustrationen von Klaus Meinhardt zu den jeweiligen Werken unterbrochen.
Nur so viel zu den Illustrationen: Wer das Original von 1985 nicht kennt, wird sich an Meinhardts Zeichnungen erfreuen können, auch wenn man sie manchmal nur dann wirklich versteht, wenn man die dazugehörige Oper oder das Musical kennt, sprich, einmal in irgendeiner Form gesehen hat. Damals stammten die Illustrationen noch von Manfred Limmroth und waren um einiges besser.
Das ist aber kein Grund, sich die alte Version zu kaufen, denn dann entgehen einem die wertvollen Ausführungen zu Operetten und Musicals. Körner hat hier seinen witzigen und bisweilen bissig-gehässigen Stil bewahrt. Er entlarvt so manches Werk als Volksverdummung, zieht immer wieder sarkastische Vergleiche zu gegenwärtigen Gesellschaftsumständen, wobei vor allem bei den beiden neu hinzugekommenen Bereichen Wiedervereinigung und Mauerfall immer wieder mit Seitenhieben bedacht werden. Außerdem lästert er freimütig über das Hauptthema der meisten Operetten und vieler Opern und Musicals: die Ehe, der auf welche Weise auch immer zu verfallen Körner als das schlimmste Schicksal darstellt, das einer Oper(ette)nfigur widerfahren kann. Auf ähnliche Weise karikiert der Autor auch andere typische Handlungsmuster wie etwa die ständigen Verwechselungsszenarien, die laut Körner nicht passieren würden, wenn die Figuren hin und wieder zum Augenarzt gingen.
Eins ist dieser Opernführer definitiv: Unterhaltsam. Wem das kulturelle Gehabe von Besuchern einer Opernaufführung schon immer suspekt vorkam, der wird hier bestens mit einer bissigen und manchmal unbedarft flapsigen Darstellung bedient. Möchte man diese andere Welt selber einmal betreten und ein wenig musikalische Hochkultur tanken, ist dieser Opernführer sehr hilfreich bei der Wahl des richtigen Stückes, weil informativ, kritisch, kurzweilig und dabei auch noch preisgünstig. Echten Opernfans ist abzuraten, es könnte sich eine gewisse Empörung über den Umgang mit Kulturgütern einstellen. Aber auch als reine Unterhaltung für zwischendurch eignet sich dieser Opernführer ausgezeichnet. Denn generell gilt, dieses wunderbare Büchlein mit Humor zu lesen. Und Fans von Operetten und Musicals sollten eigentlich von Natur aus genug davon haben.