Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Fred Vargas gehört zu den erfolgreichsten Kriminalschriftstellerinnen Europas und ist vor allem durch ihre Romane um den kauzigen Kommissar Adamsberg und seine Truppe aus nicht minder skurrilen Persönlichkeiten bekannt. Adamsberg und sein engster Mitarbeiter und Gegenpol Danglard spielen ebenfalls zentrale Rollen in der vorliegenden Sammlung von drei Kriminalkurzgeschichten.
In "Salut et liberté" erhält Adamsberg anonyme Briefe, in denen offensichtlich ein Mörder mit seiner Tat prahlt und schließlich einen weiteren Mord ankündigt. Zugleich sind Adamsberg und Danglard irritiert durch einen seltsamen, armseligen alten Mann, der Tag für Tag mit eigenartigen Utensilien vor dem Polizeigebäude stundenlang auf einer Bank sitzt und gern bereit ist, mit den Polizisten zu philosophieren. In Adamsberg setzt sich der Gedanke fest, dass der Eigenbrötler etwas mit den anonymen Briefen zu tun haben könnte.
"Die Nacht der Barbaren", so nennt Adamsberg den Heiligen Abend für sich, denn in dieser Nacht geschehen eher mehr und grausamere Verbrechen als sonst. Sein Eindruck bestätigt sich, als zwei Tage nach Heiligabend die Leiche einer Frau in der Seine gefunden wird. Sie scheint am 24. Dezember gestorben zu sein. Adamsberg glaubt nicht an Selbstmord, doch die Ermittlungen kommen nicht voran. Darüber hinaus nervt auch noch ein lästiger Anzugträger in der Ausnüchterungszelle - der dann überraschend den entscheidenden Tipp gibt.
Die letzte Geschichte, "Fünf Francs das Stück" (die Währung legt nahe, dass die Geschichte schon ein paar Jahre alt ist), handelt von einem Obdachlosen, der in seinem Einkaufswagen zufällig gefundene faulige Schwämme zum Verkauf anbietet. Die Geschäfte laufen schlecht, und eines Nachts wird der Schwammverkäufer zu allem Überfluss einziger Zeuge eines Mordversuchs. Das Opfer gehört der Oberschicht an, und der Protagonist zeigt sich deshalb wenig kooperationswillig: Warum sollte er ihr durch seine Aussage helfen? Adamsbergs Geschick, sich in Ausgestoßene einzufühlen, könnte den Durchbruch herbeiführen.
Die drei Geschichten sind klug konzipiert und weichen teilweise auf interessante Weise vom klassischen Krimikonzept ab. So ist die Person des Täters in der dritten Geschichte völlig uninteressant, es geht nur um die raffinierten psychologischen Schachzüge Adamsbergs, die den Schwammverkäufer dazu bewegen sollen, seine Aussage zu machen, die zur Ergreifung des Täters führen wird. Bei der zweiten Geschichte handelt es sich eher um einen Klassiker, und hier kommt Kommissar Zufall im entscheidenden Augenblick zu Hilfe, als die Ermittlung ins Leere zu gehen droht. Die erste Geschichte ist einfach nur skurril, der Täter erweist sich letztlich als für die Geschichte selbst von untergeordneter Bedeutung, es zählt der zähe "Kampf" zwischen Adamsberg und Vasco da Gama, wie sich der rätselhafte alte Mann nennt, der ganze Tage vor dem Polizeigebäude verbringt und dann in sein Zuhause, eine überfüllte winzige Wohnung, zurückkehrt.
Fred Vargas setzt auch in ihren Romanen vor allem auf psychologische Effekte, zu atemlos packenden Showdowns kommt es nur ab und zu. In den drei Kurzgeschichten fehlen diese völlig. Es mangelt daher auch an der Spannung, die man den Romanen nicht absprechen kann. Wie bei Vargas-Romanen üblich, haben vor allem die erste und die dritte Geschichte eine ziemlich lange und fast ereignislose Einleitung. Das verzeiht man bei den Romanen, die Kurzgeschichten leiden jedoch darunter: Die eigentliche Handlung kommt einfach zu langsam in Gang, das Verhältnis Einleitung-Hauptteil stimmt nicht.
Abzuraten ist Vargas-Fans von den drei Kurzgeschichten trotzdem nicht, denn der typische, fast schon poetisch zu nennende Stil der Autorin und ihre Kunst, interessante, etwas rätselhafte Charaktere zu kreieren und zueinander in Beziehung zu setzen, prägen auch dieses Buch. Die Geschichten wirken gut durchdacht und haben durchaus ihre Höhepunkte, nur das Tempo ist zu schleppend, ein Defizit bei Kriminalgeschichten.