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 Demenz

Der person-zentrierte Ansatz im Umgang mit verwirrten Menschen


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Demenzerkrankungen sind keine Seltenheit. Am häufigsten kommt die Alzheimer-Erkrankung vor, die auch in der Bevölkerung am besten bekannt ist und hin und wieder als Synonym für Demenzerkrankung im Allgemeinen benutzt wird. Neben dem Morbus Alzheimer gibt es jedoch auch andere Demenzformen, wie beispielsweise vaskuläre Demenzen.

Aufgrund der demographischen Verschiebung und der höheren Lebenserwartung nimmt die Häufigkeit von Demenzen zu, denn das Risiko an einer Demenz zu erkranken steigt mit zunehmendem Lebensalter. Doch es ist nicht nur die Häufigkeit von Demenzen, die sie zu einer gefürchteten Krankheit macht. Vor allem die Tatsache, dass es bisher keine wirksame Therapie gibt, dass sie also unheilbar ist, verbreitet Angst beim Gedanken an die Symptome: Die kognitiven Leistungen verschlechtern sich fortschreitend bis zu einem Punkt, an dem der Patient schließlich auf dauerhafte Hilfe und Unterstützung angewiesen ist. Viele Menschen sehen in der Demenz eine Art geistigen Tod, der den Körper lebend zurücklässt. So werden Patienten dann auch an einigen Orten behandelt: als ein Körper, der versorgt wird; als ein Objekt, dessen körperliche Funktionen erhalten werden.

Dass die Demenz für die Betroffenen tragisch ist, ist auch Tom Kitwood klar, doch die fatalistische Sichtweise des geistigen Tods will er nicht teilen. So ist das Ziel seines Buches, einen neuen Blick auf die Demenz zu etablieren - einen, der den Patienten als Person in den Vordergrund stellt und nicht seine Erkrankung, der das Personsein nicht an kognitive Leistungen knüpft, sondern an alles, was einen Menschen ausmacht, und das sind nicht zuletzt seine Emotionen. Direkt mit der neuen Sichtweise verknüpft ist der Umgang mit Demenzpatienten. Aufgrund bestimmter Ethik- und Moralvorstellungen natürlich, aber auch weil es sich nachweislich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt, liegt Kitwood viel an einem respektvollen Umgang mit den Kranken. Das bedeutet, ihnen in einer Ich-Du-Beziehung zu begegnen und somit als Subjekt und nicht als Objekt wahrzunehmen. Diese Sichtweise hat direkte Auswirkungen auf die Pflege der Patienten, die im gängigen biomedizinischen Modell sträflich vernachlässigt wird. Auch darum ist nach Kitwood das Bild, das die Medizin von Demenzen zeichnet, nicht geeignet, Demenzerkrankungen und ihren Verlauf umfassend beziehungsweise hinreichend zu erklären. Kitwood stellt den medizinisch-biologisch-neurowissenschaftlichen Erklärungsansätzen sozialpsychologisch-psychotherapeutische Ansätze zur Seite, um schließlich zu einer "Dialektik der Demenz" zu gelangen, zu einem umfassenderen Blick, der die Umwelt mit einbezieht und ihre immense Bedeutung für den Verlauf berücksichtigt.

Kitwoods Buch ist eine Zusammenfassung von 12 Jahren Forschung und Praxis. Er beginnt mit Erläuterungen zum Personsein, um im Anschluss das biomedizinische Modell und dessen Erklärungsansätze hinsichtlich der pathologischen Prozesse zu erklären. Drei folgende Kapitel befassen sich mit dem Untergraben und Erhalt des Personseins und dem Erleben von Demenz. Die letzten vier Kapitel besprechen pflegerische Aspekte, die Anforderungen an Betreuungspersonen ebenso umfassen wie die für- und versorgenden Organisationen.

Kitwoods Buch richtet sich an all die verschiedenen Menschen, die im Umfeld einer Demenz anzutreffen sind: unmittelbares Pflegepersonal ebenso wie Ärzte, leitendes Pflegeteam ebenso wie Angehörige. Der Leser wird hier recht umfassend informiert, denn sowohl die biomedizinische Sicht mit ihrem Interesse an pathologischen Prozessen wird erläutert als eben auch positive und negative Verhaltensweise von Betreuenden aufgezählt. Ist der Leser vorwiegend an der Pathologie von Demenzen interessiert, wird ihm die hier gebotene Einführung allerdings viel zu kurz sein. Für Laien und Angehörige ist die Einführung ausreichend und das Buch insgesamt als Einladung zu verstehen, sich mit der demenziellen Erkrankung des Familienmitglieds auf ganzheitliche Weise auseinanderzusetzen. Außerdem setzt es der hoffnungslosen, tristen Diagnose Demenz eine etwas hoffnungsvollere, lichtere Zukunft entgegen, indem es dem nicht aufzuhaltenden Fortschreiten eine Umwelt gegenüberstellt, die Fähigkeiten erhalten, Ressourcen nutzen und zu mehr Wohlbefinden führen kann. Kitwoods verständliche und lockere Sprache, die vielen Beispiele und seine Subjektivität, der viel Raum gegeben wird, machen dieses Buch auch für Laien zu einer geeigneten Lektüre. Für Pflegekräfte und Ärzte sollte das Buch Pflicht sein.

Heute, 10 Jahre nach dem ersten Erscheinen von Kitwoods Buch, ist das Verständnis der Demenz komplexer: Sie wird nicht nur als biologische Erkrankung gesehen, sondern es wird die Interaktion zwischen Pathologie und Umwelt anerkannt. Trotzdem erhält die medizinische Sichtweise noch immer eine stärkere Gewichtung. So oder so, Tom Kitwoods Buch zum person-zentrierten Ansatz ist noch immer aktuell. Einziger Kritikpunkt könnte sein, dass Kitwood sehr schwerwiegenden Demenzen nicht genügend Raum gibt, Betreuende in diesem Fall nicht genügend unterstützt. Leider verstarb Kitwood im Jahr 1998, sodass sein Ansatz nur von anderen weiterentwickelt und angepasst werden kann.

Katja Maria Weinl



Taschenbuch | Erschienen: 01. Februar 2008 | ISBN: 9783456845685 | Originaltitel: Dementia reconsidered | Preis: 26,95 Euro | 237 Seiten | Sprache: Deutsch

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