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Das Land Orison ist in neun Baronate geteilt, die seit Jahren friedlich nebeneinander existieren. Alle Baronate sind dem König von Orison unterstellt, einem jungen Mann, der fast noch ein Kind ist. Der etwas schwächliche König Tenmac III. scheint seiner Aufgabe nicht ganz gewachsen zu sein, obwohl er frei von Überheblichkeit, gutmütig und wissbegierig ist.
Die Baroness des Sechsten Baronats dagegen ist ihrer Aufgabe durchaus gewachsen, dafür ist ihr Gutmütigkeit fremd. Die schöne, aber grausame Meridienn den Dauren beherrscht ihr Baronat mit eiserner Strenge, sie geißelt sich selbst in unbequemer, viel zu enger Kleidung und schüchtert liebend gern ihre Untergebenen ein. In ihrem Baronat liegt auch der Dämonenschlund, ein unheimlicher Abgrund, ein Mahlstrom dämonischer Seelen, so sagt man.
Und tatsächlich wirbeln in diesem Abgrund tausende Dämonen ständig im Kreis. Einst wurden sie in diesen Schlund verbannt und nun können sie sich aus eigener Kraft nicht mehr daraus befreien, nicht einmal eine körperliche Gestalt können sie in dem ewigen Wirbel annehmen. Eines Tages jedoch, dank eines Zufalls, gelingt es zwei Dämonen, dem Strudel zu entkommen. Einer von ihnen, der gerissene Iranthindur, übernimmt den Körper der Baroness. Der eher plumpe Gäus dagegen nistet sich im Leib des jungen Königs ein. Sie schwören sich, niemals Krieg gegeneinander zu führen.
Tatsächlich genießen es beide, neue Erfahrungen zu sammeln, die Menschen und die Welt zu erkunden und sie regieren beide gerecht und großmütig. Doch schon bald wird klar, dass die Lebenskraft, von der sich Dämonen nähren, nicht ausreicht, um zwei von ihrer Art am Leben zu erhalten. So überziehen die beiden das ganze Land mit einem Krieg, der apokalyptische Ausmaße annimmt ...
Tobias O. Meißner ist einer der wenigen deutschen Autoren, die sich immer wieder neu erfinden können. Im Gegensatz zu einigen seiner anderen Werke, wie "Hiobs Spiel" oder "Starfish Rules", gehört sein neuester Fantasyroman "Die Dämonen" definitiv zu den zugänglicheren und massentauglicheren Büchern Meißners. Das hat wohl auch Piper erkannt und dieses Werk daher in eine Reihe mit den Völkerbüchern gestellt. Fans und auch Skeptiker ebenjener Romane könnten aber durchaus eine Überraschung erleben.
"Die Dämonen" erzählt eine Geschichte, die rundum intelligent konzipiert ist - das fängt bei der geografischen Aufteilung Orisons an und setzt sich in geschickten Plottwists fort.
Man kann dieses Buch auf verschiedene Art und Weise lesen und betrachten. Zum einen ist es sicherlich ein furioses Actionspektakel, das Fans von epischen Kämpfen und ein wenig "grim and gritty" verschlingen werden und das zu unterhalten vermag.
Zum anderen ist es ein hintergründiges Buch, das voll ist von Symbolik und einem Subtext, über den es sich zu spekulieren lohnt. Nicht immer, oder besser gesagt sehr selten, ist es einfach, Meißners Intentionen zu erkennen, intertextuelle Bezüge herauszulesen oder ein Symbol zu finden und zu deuten. Das mindert aber nicht den Spaß daran, es zu versuchen. So kann man sich beispielsweise fragen, ob wirklich Iranthindur und Gäus die Protagonisten sind und nicht eher der Krieg selbst, ein ganz realer und schrecklicher Dämon, der auch in unserer Welt wütet.
Der Krieg scheint tatsächlich eine zentrale Rolle in "Die Dämonen" zu spielen. Mal wird er von Meißner schonungslos und brutal dargestellt, dann wieder leicht ironisch, meistens jedoch stark hyperbolisierend. Bei mehr als hundert Seiten, auf denen sich der Autor in Beschreibungen des Kriegs- und Kampfgeschehens zwischen den beiden Dämonen ergeht, kann schnell Überdruss aufkommen, wenn man kein Freund solcher Schilderungen ist. Inhaltlich und stilistisch sind diese jedoch durchaus gelungen, es ist also eine Frage des Geschmacks, ob man während des Lesens Lust oder Frust empfindet.
Iranthindur und Gäus sind wunderbar gezeichnet. Beide machen starke, aber glaubhafte Entwicklungen durch, beide verfügen über Graustufen und Stärken sowie Schwächen, die sie manchmal eher menschlich als dämonisch erscheinen lassen, besonders im Kontrast zu den menschlichen Haupt- und Nebenfiguren, die nicht ganz so nachvollziehbar handeln und ein wenig flacher erscheinen.
Sprachlich ist das Werk auf konstant hohem Niveau - nicht so filmisch und experimentell wie "Starfish Rules", sondern eher bodenständig, aber mit vielen glänzenden Metaphern und Formulierungen.
"Die Dämonen" ist eines der bisher besten Werke des talentierten Autors Tobias O. Meißner. Dieser hat die schwierige Aufgabe gemeistert, sich nicht bei von Tolkien geschaffenen Archetypen zu bedienen, sondern Wesen lebendig werden zu lassen, die es in nahezu jeder Kultur gibt und die überall verschiedenartig beschrieben werden.
Hier liegt ein spannender Roman vor, der die intellektuelle Ebene anspricht und genauso gut schlichtweg unterhält. Wer sich für differenzierte Charaktere begeistern kann und auch durch einen bisweilen ziemlich brutalen Plot nicht abschrecken lässt, der kann mit dieser Lektüre nichts falsch machen.