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Robert van Gulik. Fast jeder Niederländer kennt diesen Namen. Und nicht nur diese, auch viele Europäer, Amerikaner, Japaner, Chinesen, Inder, Ägypter, Libanesen, Malayen und natürlich auch jeder Sanskrit-Forscher. Und unzählige Leser der Kriminalromane, die von dem chinesischen Richter Di handeln.
Diesem weltweit in zahlreichen Ländern tätigen Diplomaten, Gelehrten, exzellenten Forscher, außergewöhnlichen Sprachtalent, wissenschaftlichen Autor, Übersetzer, Dichter und Romancier versucht sich Janwillem van de Wetering, selbst bekannter Krimi-Autor, zu nähern.
Er beginnt mit dem frühen Ende van Guliks. Der, kaum siebenundfünfzig Jahre alt, in einem Den Haager Krankenhaus seinem Lungenkrebsleiden erliegt. Van de Wetering hat Anekdoten gesammelt, das umfangreiche Werk van Guliks gesichtet und sich vor allem auf die siebzehn Kriminalromane konzentriert, die der Chinaliebhaber geschrieben hat.
Doch persönlich, das bedauert der Holländer van de Wetering sehr, hat er den charismatischen, geselligen und liebenswerten Diplomaten nicht kennengelernt. Dennoch gelingt ihm seine indirekte Annäherung. Ein Mann wird unter den Blicken van de Weterings herausgearbeitet, der schlicht fasziniert. Die unzähligen Talente, das einnehmende Wesen, die akribische wissenschaftliche Arbeit, die diplomatische Feinfühligkeit, die privaten Vorlieben des gelegentlich etwas exzentrischen van Guliks erhellen den Charakter eines einzigartigen Menschen. Wo er auch hin geschickt wird, in welchem Land er auch immer seinen diplomatischen Dienst versieht, was immer er anpackt, er tut es mit Erfolg, teils weltweitem Interesse und einer auch heute noch andauernden Wirkung.
Doch neben allen Details, den vielen Kleinigkeiten, die van de Wetering zusammengetragen hat, sind es vor allem die Kriminalromane, die den Richter Di zum Gegenstand haben, die ins Zentrum des Interesses rücken. Nicht nur, weil dieses Werk bis heute zu einem hohen Maß den Bekanntheitsgrad des Autors fördert, sondern auch, weil van Gulik es fast wissenschaftlich angeht, eine chinesische Epoche ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu heben, die dem europäischen Leser bis dato eher unbekannt war. Er beginnt mit der Übersetzung des ersten Di-Romans "Merkwürdige Kriminalfälle des Richters Di". Bald aber nötigt ihn das enorme Interesse an diesem Roman und der Person dieses chinesischen Richters, eigene Fälle zu ersinnen. Er studiert die Malerei der damaligen Zeit, um die Romane mit eigenen Zeichnungen zu illustrieren. Und er kommt von dieser Figur nicht mehr los. Zeit seines Lebens arbeitet er an einer der Fortsetzungen, bleibt aber auch seiner wissenschaftlichen Arbeit treu.
Van de Wetering gelingt ein lebendiges, schillerndes, faszinierendes und mitreißendes Portrait. Unter seiner Feder wird ein Mensch lebendig, der seine Talente nutzte und in den Dienst der Allgemeinheit stellte. Sein Vermögen, jede nur beliebige Sprache zu erlernen, mit der er konfrontiert wurde, nahm ihn für die ihn umgebenden Menschen ein. Dieses Gefühl vermittelt auch van de Wetering. Und so schafft er, was eigentlich unmöglich ist: Auch der Leser dieser Biografie freundet sich mit van Gulik an. Und wer nach der Lektüre des Buches nicht automatisch einen der Richter Di Romane lesen möchte, hat kein Herz oder interessiert sich absolut nicht für Kriminalromane. Doch - auch das macht van de Wetering mehr als deutlich - diese Romane sind mehr als Krimis, sie sind ein sehr genauer Blick auf das China der Ming-Zeit und ein Blick direkt in die Seele des chinesischen Volkes. Nicht zuletzt aus diesem Grund sollte man diesen Romanen eine Chance geben.