Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Von der Familie Antoine de Saint Exuperys (er schrieb seinen Namen Zeit seines Lebens ohne Bindestriche) totgeschwiegen, der Öffentlichkeit nahezu verborgen und im Ruhm des großen französischen Autoren fast unsichtbar, gab es Consuelo de Saint Exupery. Sie war seit dem 22. April 1931 de Saint Exuperys Frau und blieb es bis zu seinem letzten Flug, von dem er nicht mehr zurückkehrte.
Aus dem Archiv von José Martinez Fructuoso, dem Nachlassverwalter von Consuelo, fertigt Alain Vircondelet die Geschichte einer Ehe.
Sie beginnt in Argentinien im Jahr 1930, wo Antoine als Postflieger seiner lebenslangen Leidenschaft frönt, dem Fliegen. Dort trifft er im September die erst neunundzwanzigjährige Witwe des erfolgreichen argentinischen Schriftstellers Enrique Gómez Carrillo. Noch bei ihrer ersten Begegnung bittet Antoine sie, ihn zu heiraten. Sie verfällt seinem Charme und willigt ein, doch dauert es noch sechs Monate, eine in der Kirche vom weinenden Antoine abgebrochene Trauung und erstmals eine kurze Trennung, bis die beiden verheiratet sind. Und so soll es bleiben. Zahllose Affären, immer wieder Trennungen, immer wieder geheime, fast verstohlene Treffen, ein Leben in verschiedenen Häusern, finanzieller Ruin, dann der Ruhm Antoines - die Ehe von Consuelo und Antoine bleibt ein Wechselbad der Gefühle.
Doch Consuelo bringt Antoine dazu, zu schreiben. Sie zwingt ihn, sich seiner ihrer Meinung nach wahren Bestimmung zu widmen. Ohne ihren Einfluss wären Bücher wie "Nachtflug" oder der unvergessliche "Kleine Prinz" nie erschienen oder gar ersonnen worden. Sie bleibt sein Leitstern, auch wenn er immer wieder Abstand sucht, immer wieder flieht.
Was für ein Buch. Die schier unglaubliche Fülle an Dokumenten, Briefen, Fotos, Bildern, Rechnungen, Notizen, Manuskriptseiten, Landkarten, Zeichnungen, Quittungen, Telegrammen, Etiketten, Schiffskarten, Beichtbestätigungen, Buchseiten, Karikaturen, Plakaten, abgebildeten Parfumflakons, Kämmen, Pässen, Büchern, Uhren, Medaillen, Handtaschen, Kartenspielen, Schachbrettern, Antoines Sauerstoffmaske, sein Uniformetikett, seine Militärtasche, ... ist absolut einmalig. Zwischen all diesen Zeugnissen verliert sich fast der knappe Text von Alain Vircondelet. Gelesen hat man dieses Buch folglich nach höchstens zwei Stunden. Aber studiert, betrachtet, dechiffriert und bewundert hat man dieses Museum in Buchform nicht nach Tagen oder Wochen.
Ziel und Thema des Buches ist einzig die Beziehung zwischen Antoine und Consuelo. Bücher von Saint Exupery, sein Leben außerhalb seiner Ehe, ihr Vorleben und ihre einsamen Jahre zwischen Nähe und Entfernung zu Antoine werden nur am Rande thematisiert, sind nicht wichtig für den Autoren. Einzig die schwierige Beziehung, die gegenseitige Achtung und die unsterbliche Liebe Antoines zu Consuelo und ihre bedingungslose Treue zu ihm sind Gegenstand der Betrachtung. Spürbar wird, dass sich Autor und Archiv der Ehrenrettung Consuelos widmen. Ihre Rolle, offiziell nicht wahrgenommen und noch weniger gewürdigt, wird hier fast überbetont. Sie zwingt ihn - so der Autor - zum schreiben. Sie ist die treibende Kraft für Antoine, sich seiner literarischen Fähigkeiten zu bedienen. Er, einzig der Fliegerei wirklich verfallen, nimmt ihre Rolle an, lässt sich verführen und wird, in ihrem Schatten oder zumindest unter ihrem stetigen Einfluss, einer der größten französischen Autoren der Gegenwart. Ob dies objektiv richtig ist, kann der Leser nicht bewerten. Er kann dieser Darstellung nur folgen, die Fülle der Dokumente legt diese Sicht der Dinge zumindest nahe, kann aber ihre willkürliche Auswahl und ihre Herkunft nicht verleugnen.
Bei aller Fragwürdigkeit ob der Verifizierbarkeit dieser Darstellung ist dieses Buch ein einzigartiges Dokument einer Beziehung. Antoine und Consuelo werden greifbar, spürbar und lebendig. Ihr gemeinsames Leben wird so plastisch dargestellt, so beeindruckend vielfältig dokumentiert, dass jeder Leser, der Antoine de Saint Exupery kennt und schätzt, nicht an diesem Buch vorbeikommen wird.
Fazit: Dieses Buch ist grandios. Eine solche Fülle an Material ist in einem Buch dieses Umfangs und Preises ein absolutes Novum. Ob man die Darstellung für objektiv hält, mag diskutabel sein, der Wert dieses Dokuments für den Leser, der ungewöhnlich vielfältige Blick in das Leben eines großartigen, unsterblich gewordenen Schriftstellers und seiner Frau ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.