Im Amerika des 19. Jahrhunderts wächst die burschikose Josefine - kurz Jo - March zusammen mit ihren drei Schwestern bei ihrer Mutter auf. Der Vater ist mit der Armee in den Bürgerkrieg gezogen. Das Leben der kleinen Familie ist nicht leicht. Dennoch erhalten sich die Marchs auch in den harten Jahren ihre positive Lebenseinstellung und ihr fröhliches Gemüt. Gerade durch den familiären Zusammenhalt überstehen sie so manche schwere Stunde. Dabei könnten die vier Schwestern kaum unterschiedlicher sein: Betty, die Älteste, hat eine ruhige, besonnene Art und träumt davon, endlich als Debütantin in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Jo dagegen ist recht jungenhaft und möchte gern Schriftstellerin werden. Sie verbindet ein besonders enges Band mit Margaret, der schüchternsten der Schwestern, die begnadet Klavier spielen kann. Das Nesthäkchen ist Emily, die sich gern mal erwachsener gibt als sie eigentlich ist, gewöhnlich Fremdworte durcheinander haut und ein vielversprechendes Zeichentalent besitzt. Die fröhliche Mädchenrunde wird durcheinandergewirbelt, als Jo Freundschaft mit dem wohlhabenden Nachbarsjungen Laurie schließt. Gemeinsam gehen die fünf durch dick und dünn und Laurie ist wie ein großer Bruder in so mancher kniffeligen Situation zur Stelle. Bis sich seine Gefühle für Jo eines Tages verändern.

Während in Amerika Louisa May Alcotts Buch als wahrer Kinderbuchklassiker gilt, ist "Betty und ihre Schwestern" hierzulande allenfalls durch seine zahlreichen Verfilmungen bekannt. Die schönste und bekannteste ist vielleicht die gleichnamige Verfilmung aus den 90er Jahren, mit Winona Ryder, Susan Sarandon, Claire Danes und Christian Bale in den Hauptrollen. Dem Buch selbst merkt man aber noch viel mehr als der Verfilmung sein Alter an. Man muss schon etwas für die historische Epoche des Amerikanischen Bürgerkriegs übrig haben, um an dem Roman richtig Gefallen zu finden. Alcotts Geschichte, die übrigens teilweise autobiographisch sein soll, ist ergreifend, nach heutigen Maßstäben gemessen aber stellenweise einfach zu zuckersüß und belehrend. Nicht umsonst wurde der Roman den jungen Mädchen der damaligen Zeit vehement ans Herz gelegt, propagiert die Geschichte doch Werte wie Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Fleiß. Das sind natürlich Normen, die auch heute noch erstrebenswert sind. Aber der Ton macht die Musik und deshalb ist "Betty und ihre Schwestern" eher etwas für Nostalgiker als für die Jugend von heute.

Die Synchronsprecherin Marie Bierstedt (unter anderem die deutsche Stimme von Kirsten Dunst und Alyson Hannigan) interpretiert den Text gekonnt und mit Gefühl für die Stimmung der Vorlage. Bedacht und ohne zu hetzen erzählt sie von den Abenteuern der vier March-Schwestern. Ihre Lesung erinnert stark an die Art, wie sie Anne angelegt hat, die Hauptfigur der Anne-Hörspielserie, die übrigens ebenfalls auf einem amerikanischen Jugendbuchklassiker basiert. Bierstedt gelingt es, den komischen Teilen der Erzählung ebenso wie den traurigen die richtige Atmosphäre zu verleihen.

An der Hörbuchproduktion selbst und auch der Aufmachung durch das Label Wellenreiter gibt es nichts zu meckern. Vier CDs bieten fast fünf Stunden Hörgenuss. Ärgerlich ist da allenfalls die Willkür, mit der man die Namen der vier Schwestern in der deutschen Fassung übersetzt hat. Im Original ist Meg die Älteste, aus ihr macht die hiesige Fassung jedoch Betty. Die Beth der amerikanischen Ausgabe hingegen wird zu Margaret und aus Amy hat man Emily gemacht. Das muss man nicht verstehen, wäre aber eigentlich auch nicht so schlimm, wenn die originären Namen in Deutschland nicht durch Kinofassung und Animeserie bereits so geläufig wären. So stiftet das ziemliche Verwirrung. Das muss man aber wohl eher der Übersetzung an sich anlasten als dem Hörbuch.

Wer Geschichten im Stil von "Prinzessin Sara" und "Anne auf Green Gables" mag, ist mit "Betty und ihre Schwestern" allerdings eindeutig gut beraten.